Samstag1. November 2025

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Para-Sportler im FokusSandra Schwinninger: „Wenn ich schwimme, vergesse ich alles andere“

Para-Sportler im Fokus / Sandra Schwinninger: „Wenn ich schwimme, vergesse ich alles andere“
Sandra Schwinninger will zu den paralympischen Spielen 2028 in Los Angeles Foto: privat

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Oft trügt der äußerliche Schein. So auch als wir Sandra Schwinninger begegnen. Eine Frau, die sich mit Schwierigkeiten mit ihrem Stock fortbewegt. Im Gespräch zeigt sich dann aber ein ganz entschlossener Mensch, der nicht gewillt ist, sich von persönlichen Rückschlägen in seinem Tatendrang und Ehrgeiz bremsen zu lassen.

Im Dezember 2015 hat ein Knoten in einem Blutgefäß und eine folgende Hirnblutung das Leben von Sandra Schwinninger total auf den Kopf gestellt. Nach einer unumgänglichen Operation und einer langen Rehabilitation ist nichts mehr wie vorher. Die Grundschullehrerin und Mutter zweier Kinder hat partielle Lähmungen am ganzen Körper. „Es ist eine ganz komplexe Situation. Mir fehlt jegliches Gleichgewicht. Mein linkes Auge bewegt sich nicht, auf dem rechten Ohr höre ich fast nichts, so als wäre ich permanent unter Wasser. Mein linker Kiefer ist ebenfalls gelähmt. Somit gestaltet sich zum Beispiel das Telefonieren ziemlich kompliziert.“

Schwinninger bezeichnet sich selbst als ein wenig verrückt und als Sportfanatikerin, die für ihre Familie und ihre Arbeit lebte, und dies weiterhin tut. Vor ihrem Schicksalsschlag war sie als junges Mädchen aktiv im Kunstturnen beim „Le Travail Schifflingen“ und wurde sogar in den erweiterten Nationalkader berufen. Zum Spaß beteiligte sie sich auch am Escher Kulturlauf. Schwimmen war nie ihr Ding.

Schon eher die Musik. Sie war Mitglied in der Brass Band des Konservatoriums. „Anfangs war nicht an Sport zu denken, auch Trompete spielen ist mit einer Lähmung im Mundbereich unmöglich. Zudem hatte ich nicht allzu viel Zeit mit drei Kindern.“ Schwinninger wurde 2021 noch einmal Mutter und kümmert sich heute um ihre drei Kinder im Alter von 15, 11 und 3 Jahren. Keine einfache Angelegenheit für eine berufstätige Frau, die von Mikrolähmungen an allen Körperteilen befallen ist.

Sturheit hilft

Nach ihrer Operation hatte ein Arzt ihr vorausgesagt, dass für sie nur noch der Rollstuhl und zu Hause bestenfalls ein Rollator vorgesehen sei. Davon wollte Schwinninger, die heute den ganzen Haushalt neben ihrem Job im Bildungsministerium meistert, nichts wissen. Im Rehazenter wollte sie nicht lange stationär verbleiben, da sie sich um ihre Familie kümmern wollte. „Ich bin recht stur und wollte so schnell wie möglich nach Hause. Meine Kinder brauchten mich.“

Die Prognosen haben sich nicht bewahrheitet, denn ihr reicht heute ein Stock als Gehhilfe. „Nur bei langem Gehen oder unbekanntem Gelände benutzte ich einen Rollator.“ Der Wille von Sandra Schwinninger war zu stark, um aufzugeben. Und Sport ist wieder ein Hauptteil ihres Lebens. In der Hydrotherapie hat ihr Physiotherapeut sie gefragt, ob sie noch schwimmen kann. „Ich hatte keine Ahnung, wie das mit der Behinderung gehen sollte. Und dann bin ich eine Beckenlänge geschwommen. Etwas später hat Romain Fiegen nachgefragt, ob ich keine Lust hätte, bei Wettbewerben zu schwimmen.“

Ich habe LA 2028 im Kopf. Ich will mich durchsetzen. Das ist Teil meines Charakters.

Sandra Schwinninger, Para-Sportlerin

Mit dem Schwimmen findet Schwinninger wieder ein Lebensgefühl zurück, was ihr für eine kurze Zeit abhandengekommen war. „Ich mag die Momente im Schwimmbecken. Hier benutzt du keinen Stock und keinen Rollator und du kommst ohne Hilfe voran. Wenn ich schwimme, denke ich nur ans Schwimmen, dann kann ich alles andere vergessen, die Behinderung und den Stress des Lebens.“ Und neue Ziele kommen auf. Wie zum Beispiel eine Teilnahme an den Paralympics in Los Angeles. „Ich bin noch nicht auf einem Niveau, um mich mit der internationalen Elite zu messen. Aber ich habe LA 2028 im Kopf. Ich will mich durchsetzen. Das ist Teil meines Charakters. Auch wenn niemand richtig daran glaubt, dass ich es schaffen kann. Aber ich habe das Glück, dass mein Mann mich unterstützt und ich einige Sponsoren habe.“

Seit der Geburt ihres Sohnes trainiert die Para-Schwimmerin einmal pro Woche mit einem Trainer in der Coque. Wer denkt, damit wäre es getan, irrt sich gewaltig. Schwinninger ist fünfmal die Woche im Becken und macht zusätzlich noch Krafttraining. „Vorher habe ich nur alleine trainiert. Da ich aufgrund meiner Behinderung meinen Körper nicht spüre, ist es sehr schwierig, die Fehler zu erkennen. Da hilft eine außenstehende Person ungemein.“

Da sie einschätzen kann, wie wichtig die sportliche Aktivität besonders bei behinderten Personen ist, engagiert sie sich zusätzlich ehrenamtlich bei Back to Sport als Schriftführerin. Sportlich nimmt sie an einigen der zahlreichen Angebote dieses inklusiven Vereins teil, aber eher als Freizeitsport, wie sie selbst sagt. So kann man sie bestaunen beim „Roll and Run“ anlässlich des ING Night Marathon. Hier zahlt sie etwas zurück, was Back to Sport ihr vermittelt hat. „Wir waren in Rulles mit dem Fahrrad unterwegs und es ging richtig bergab. Die Frage lautete, traust du dich. Ich habe mir zugeredet. Ich habe zwar eine Behinderung, aber wenn ich dies schaffe, kann ich auch etwas anderes machen und andere Ziele erreichen. Meine Botschaft lautet dementsprechend: Man muss etwas wagen, denn das ganze Leben ist ein Risiko. Wer nichts wagt, gewinnt auch nichts.“

Positive Lebenseinstellung

Und so bringt sie auch ihren Sport mit ihrem Beruf und ihrem Familienleben und dem Ehrenamt unter einen Hut. Das Schwimmen gibt ihr die nötige Freiheit. „Die zwei Stunden Training sind manchmal anstrengend, aber es ist eine Zeit, die ich für mich alleine habe.“ Und so freut Schwinninger sich auf die nächsten Wettkämpfe. Hier ist es unbedeutend, ob es kleine Meetings wie in Lübeck oder World Series wie in Berlin sind. „Am Ende zählen nur meine persönlichen Zeiten.“ Sie braucht keine zusätzliche Motivation und betont, dass man im Leben immer gewinnt. Verliert man jedoch, so gewinnt man an Erfahrung.

Eine äußerst positive Lebenseinstellung, die sie gerne mit anderen teilen möchte. In dem Sinne richtet sie eine Message an andere Behinderte. „Es gibt kein Alter, jeder kann Sport treiben und sich besser fühlen. Man muss noch durchhalten und darf nicht bei dem ersten Hindernis aufgeben. Denn am Ende zahlt sich Beharrlichkeit aus.“ Und wer weiß, auch für die Para-Schwimmerin Sandra Schwinninger, die dann in LA im Schwimmwettbewerb der Klasse S7 in drei Jahren an den Start gehen wird.

Serie: Para-Sportler im Fokus

Seit April 2024 bieten wir hier Platz für Sportler und Vereine aus diesem besonderen Sportbereich. Auch im neuen Jahr setzt das Tageblatt seine monatliche Serie um den Para-Sport fort. Nach dem Sportkletterer Joé Schmit im Januar ist jetzt die Schwimmerin Sandra Schwinninger an der Reihe.

Sandra Schwinninger kann im Becken alle Probleme vergessen und konzentriert sich zudem auf Bestzeiten
Sandra Schwinninger kann im Becken alle Probleme vergessen und konzentriert sich zudem auf Bestzeiten Foto: privat