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Autobomben-AttentatRusslands Geheimdienst macht die Ukraine verantwortlich – doch die Geschichte weckt Zweifel 

Autobomben-Attentat / Russlands Geheimdienst macht die Ukraine verantwortlich – doch die Geschichte weckt Zweifel 
Der Screenshot aus einem Video von Russlands Inlandsgeheimdienst FSB soll die angebliche Mörderin der Kriegsbefürworterin Darja Dugina im Haus ihres mutmaßlichen Opfers zeigen Foto: dpa/FSB

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Der russische Inlandsgeheimdienst hat der Ukraine vorgeworfen, für den tödlichen Bombenanschlag auf die Tochter eines führenden Nationalisten verantwortlich zu sein. Doch an der Schilderung bestehen Zweifel – und Kiew streitet ab.

So schnell hat man den russischen Inlandsgeheimdienst noch nicht oft arbeiten sehen. „Das Verbrechen wurde von ukrainischen Geheimdiensten vorbereitet und begangen“, teilte Russlands Inlandsgeheimdienst FSB am Montag der Agentur Interfax zufolge mit. Keine 48 Stunden nach der Tat war der Fall damit für Moskau erledigt. Die Ukraine hatte da bereits mehrfach betont, nichts damit zu tun zu haben.

Der Mord an der Kriegsunterstützerin Darja Dugina, die am Samstagabend nahe Moskau durch eine Autobombe getötet wurde, spitzt die Lage zwischen Moskau und Kiew weiter zu. Für Moskau ist der Anschlag ein Akt ukrainischen Staatsterrors – wie Putin reagieren wird, muss sich erst zeigen, aber die Ukraine rechnet mit dem Schlimmsten. Kurz vor dem ukrainischen Nationalfeiertag am 24. August, dem Mittwoch, an dem die russische Invasion sechs Monate andauert, hat Kiew aus Angst vor Raketenangriffen Menschenansammlungen untersagt. Charkiw, wo nahezu täglich russische Raketen einschlagen, hat den Ausnahmezustand verhängt.

Alles auf Video

Die Ukraine kann ihre Beteiligung an dem Anschlag abstreiten, so viel sie will, nützen wird ihr das nichts. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin zählt, was die Menschen in Russland denken und glauben – und wenn die Geschichte auch noch so wacklig ist, wie die des FSB zum Mordanschlag auf Dugina.

Demnach soll die 1979 geborene Ukrainerin Natalia Wowk dem rechten Asow-Bataillon angehört haben und Ende Juli gemeinsam mit ihrer Tochter im Teenageralter nach Russland eingereist sein. Sie habe dann im selben Haus wie Dugina ein Apartment gemietet und diese ausspioniert. Am Samstagabend habe sie an derselben Veranstaltung teilgenommen wie Dugina und deren Vater. Nach der Tat sei sie nach Estland geflohen. Der FSB hat dazu ein Video veröffentlicht, das all das binnen zwei Minuten mittels aneinandergeschnittener Aufnahmen zeigt: Wie die Ukrainerin in Russland ankommt, das Haus ihres mutmaßlichen Opfers betritt und dann nach der Tat das Land wieder verlässt.

Dugina – Tochter des bekannten rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin – galt als glühende Verfechterin des russischen Angriffskriegs. Ihr Vater vertritt seit langem eine Ideologie, die die Vereinigung russischsprachiger Gebiete in einem neuen russischen Großreich vorsieht. Aus dieser Überzeugung heraus unterstützt er auch den russischen Militäreinsatz in der Ukraine. Dugin, der auch mit Rechtsextremen in Europa gut vernetzt ist, steht schon seit der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 auf der Sanktionsliste der EU. Seine Tochter Daria hatte die russische Militäroffensive in der Ukraine ebenfalls offen unterstützt. Die 1992 geborene Journalistin war deshalb von britischen Sanktionen betroffen. Putin verlieh Dugina am Montag posthum den Tapferkeitsorden. Quellen im russischen Sicherheitsapparat sagten der Agentur TASS, der Anschlag habe eindeutig der Tochter gegolten, nicht dem prominenteren Vater, wie zuerst spekuliert worden war.

Spurensicherung am Ort des Attentats: Am Tag darauf verkündete Moskau die Lösung des Falls
Spurensicherung am Ort des Attentats: Am Tag darauf verkündete Moskau die Lösung des Falls Foto: dpa/ICR

Vertreter staatlicher russischer Medien hatten gleich nach Bekanntwerden des Attentats der Ukraine die Schuld angelastet, ohne dafür Beweise vorzulegen. Obwohl der FSB am Montag diese „Beweise“ lieferte, ist die Kreml-Version nicht die einzige zum Mord an Dugina. Andere vermuten, dass der Anschlag das Werk russischer Sicherheitsbehörden sein könnte, etwa des FSB selbst. Wieder andere verweisen auf eine Erklärung des Exil-Russen Ilja Ponomarjow, wonach eine bislang unbekannte russische Partisanenbewegung – bestehend aus Gegnern von Präsident Wladimir Putin – hinter dem Mord steckt. Es gibt aber Zweifel, ob diese „Nationale Republikanische Armee“ (NRA) überhaupt existiert. Allerdings kam es seit Kriegsbeginn zu Dutzenden Sabotageakten in Russland selbst, zu denen sich bislang niemand bekannte. In einem russischen Telegram-Kanal, der sich auf diese Sabotage-Akte konzentriert, wurde am Sonntagabend ein Bekennerschreiben dieser NRA veröffentlicht. Ob es echt ist oder nicht, lässt sich unmöglich sagen.

Pläne für „Tribunale“

Kiew befürchtet nun nicht nur einen verstärkten Raketenangriff Russlands. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte Moskau auch vor Schauprozessen gegen Kriegsgefangene, die Medienberichten zufolge im von moskautreuen Separatisten und russischen Truppen besetzten Mariupol geplant sind. Vor einem international nicht anerkannten Gericht könnten demnach die ukrainischen Kriegsgefangenen auch zur Todesstrafe verurteilt werden. Wenn Russland ein solches Tribunal gegen ukrainische Gefangene organisiere, dann sei das eine „Linie“, nach der keine Verhandlungen mehr möglich seien, sagte Selenskyj.

In Kiew werden zerstörte russische Panzer ausgestellt – die Sorge vor russischem Beschuss wächst trotzdem
In Kiew werden zerstörte russische Panzer ausgestellt – die Sorge vor russischem Beschuss wächst trotzdem Foto: AFP/Dimitar Dilkoff

Der Separatistenführer im Gebiet Donezk, Denis Puschilin, sagte im russischen Staatsfernsehen am Montag, Selenskyjs Äußerungen hätten keinen Einfluss auf die Pläne für das „Mariupoler Tribunal“. „Alle Verbrecher, Kriegsverbrecher, vor allem die Neonazis von Asow müssen ihre entsprechende Strafe bekommen“, sagte Puschilin. Die Vorbereitungen für die erste Stufe des Tribunals gingen dem Ende zu. Das Prozessdatum hänge von den Ermittlern ab. Beobachter befürchten, dass es bereits am Mittwoch zu ersten Prozessen in Mariupol kommen könnte. (AFP, Reuters, dpa, A.B.)

Erstmals Zahlen zu Gefallenen

Im Krieg mit Russland sind aufseiten der Ukraine nach Angaben der eigenen Militärführung fast 9.000 Soldaten gefallen. Diese Zahl nannte der Chef der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnji, auf einer Konferenz zu Ehren von Militärveteranen und der Familien der Gefallenen, ohne auf Einzelheiten zu verweisen. Damit beziffert die Militärführung offenbar erstmals die Todesopfer unter den eigenen Streitkräften.
Saluschnji sagte aber nicht, ob dies alle im Einsatz getöteten Militärangehörigen umfasst, wie etwa auch Grenzsoldaten. Auch äußerte er sich nicht dazu, wie viele Zivilisten getötet wurden und wie viele russische Soldaten nach ukrainischen Schätzungen bei den Kämpfen umgekommen sind. Der ukrainische Generalstab sprach zuletzt von 45.400 gefallenen russischen Soldaten. Russland machte bislang keine Angaben dazu. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte auf der Konferenz, dass etwa eine Million Menschen die Ukraine als Teil der Streitkräfte oder anderer Dienste verteidigten.

w.d.
23. August 2022 - 7.52

Natürlich hat die Ukraine nichts damit zu tun, wie könnte das auch anders sein. Zweifel gibt es natürlich auch nur bei den russischen Aussagen, ganz natürlich, wie kann es auch anders sein. Prinzipiell ist alles Falsch, was von russischer Seite kommt. Tolle Informationen sind das wieder!