Mittwoch5. November 2025

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Ukraine-KriegRussland vergrößert seine Armee, Saporischschja-AKW zeitweise ohne Strom

Ukraine-Krieg / Russland vergrößert seine Armee, Saporischschja-AKW zeitweise ohne Strom
Der von Russland beschossene Zug in dem Ort Tschaplyne – mindestens 25 Menschen sollen gestorben sein Foto: dpa/Leo Correa

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Seit sechs Monaten kämpfen russische Soldaten in der Ukraine. Jetzt sieht Präsident Putin die Notwendigkeit, die Armee aufzustocken. Im Kriegsgebiet geht das Sterben weiter.

Putins Armeevergrößerung

Ein halbes Jahr nach dem Einmarsch in die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin die Vergrößerung der russischen Armee angeordnet. Ab 2023 soll die Armeestärke insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen umfassen, wie aus einem am Donnerstag veröffentlichten Dekret hervorgeht. Konkret erhöht werden soll die Zahl der bewaffneten Kräfte – dazu zählen sowohl Vertragssoldaten als auch Wehrdienstleistende – um 137.000 auf rund 1,15 Millionen. Bei den restlichen Militärangehörigen handelt es sich um sogenanntes Zivilpersonal, also zum Beispiel Verwaltungsangestellte.

Eine offizielle Begründung für die Vergrößerung wurde nicht genannt. Das letzte Mal aufstocken ließ Putin die russischen Streitkräfte im Jahr 2017.

Moskau bestätigt Zug-Beschuss

„Tschaplyne ist heute unser Schmerz“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner üblichen Videoansprache. Bis Donnerstag stieg die Zahl der Todesopfer nach ukrainischen Angaben auf mindestens 25, darunter zwei Kinder. Zudem seien 31 Menschen verletzt worden, erklärte der Vizechef des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, auf Telegram. Die Informationen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Das russische Verteidigungsministerium lieferte eine andere Version: Getötet worden seien bei dem Schlag mit einer Iskander-Rakete mehr als 200 ukrainische Soldaten, die für Kämpfe im Donbass bestimmt gewesen seien, sagte Sprecher Igor Konaschenkow. Die Rakete sei in den militärischen Teil der Bahnstation eingeschlagen. Dabei sei auch Militärtechnik zerstört worden. Belege gab es auch dafür nicht. Kiew hatte von Beschuss von bewohntem Gebiet gesprochen.

Streubomben eingesetzt

Die Ukraine und internationale Experten werfen Russland immer wieder Angriffe auf Zivilisten und Kriegsverbrechen vor. Auch international geächtete Streumunition hat Russland seit Beginn des Krieges in Hunderten Fällen eingesetzt, wie die internationale Streumunition-Koalition in Genf berichtete. Bis Ende Juni seien mindestens 215 Menschen getötet und weitere 474 durch Streumunition verletzt worden, hieß es.

Auch auf ukrainischer Seite wurde der Einsatz dieser Munition in drei Fällen registriert. Es handelt sich um Behälter, die aus Flugzeugen oder Raketenwerfern abgeschossen werden und viele kleine Sprengsätze großflächig verteilen. Ein Übereinkommen von 2008 verbietet den Einsatz von Streumunition, doch weder Russland noch die Ukraine gehören ihm an.

Streit um Saporischschja

Ungelöst ist im Kriegsgebiet nach wie vor die heikle Lage rund um das von Russen besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. Dort gibt es immer wieder Beschuss. Die Kriegsparteien machen sich gegenseitig verantwortlich. Zur Trennung vom Stromnetz teilte der staatliche Atomkraftwerksbetreiber Enerhoatom mit, dies betreffe die Stromlieferung an Kunden. Die Stromversorgung des AKWs selbst werde weiter über eine Leitung zum benachbarten Wärmekraftwerk aus dem ukrainischen Energiesystem sichergestellt.

Die russischen Besatzer hingegen teilten mit, einer von zwei derzeit betriebenen Kraftwerksblöcken sei bereits wieder am Netz. Die beiden Blöcke hätten nur vorübergehend heruntergefahren werden müssen, nachdem aufgrund von ukrainischem Beschuss ein Feuer ausgebrochen sei, schrieb der Besatzungschef der Region, Jewgeni Balizki, auf Telegram. Die Angaben beider Seiten waren zunächst nicht unabhängig überprüfbar.

Eine Inspektion der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA soll die Vorwürfe klären und die Gefahr einer Nuklearkatastrophe bannen – doch kommt sie seit Wochen nicht zustande. UN-Generalsekretär António Guterres twitterte jetzt: „Das UN-Sekretariat ist bereit, jegliche IAEA-Mission aus Kiew zu dem Kraftwerk zu unterstützen.“ Zugleich bekräftigte Guterres seine Sorge: „Jede weitere Eskalation der Situation könnte zu Selbstzerstörung führen.“ Auch das britische Verteidigungsministerium warnte vor anhaltenden Risiken.

Europa: Gaspreis klettert weiter

Die EU-Länder leiden vor allem unter den wirtschaftlichen Folgen des Kriegs und der deswegen gegen Russland verhängten EU-Sanktionen. Der Gaspreis sprang am Donnerstag über die Marke von 300 Euro je Megawattstunde. Am Markt wurde dies mit einer angekündigten Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Europa durch die Pipeline Nord Stream 1 erklärt. Russland hat dies für drei Tage in der Zeit ab dem 31. August angekündigt.

Doch trotz der Energiekrise läuft die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland etwas besser als erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In einer ersten Schätzung war die Wiesbadener Behörde noch von einer Stagnation der Wirtschaftsleistung ausgegangen. Im ersten Quartal 2022 war die deutsche Wirtschaft um 0,8 Prozent gewachsen. Nach Einschätzung von Ökonomen stehen aber wegen der Gaskrise harte Monate bevor.

Lettland: Sowjetzeit-Denkmal abgerissen

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist in Riga trotz Protesten der russischen Minderheit ein Denkmal aus der Sowjetzeit abgerissen worden. Das 79 Meter hohe „Siegerdenkmal“ wurde am Donnerstag mit Hilfe von Abrissmaschinen entfernt, berichtete ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP. Es war zum Treffpunkt für in Lettland lebende Kreml-Anhänger geworden.

Das sowjetische Siegesdenkmal in Riga fällt während des Abrisses
Das sowjetische Siegesdenkmal in Riga fällt während des Abrisses Foto: dpa/Kaspars Krafts

Die russische Minderheit, die etwa 30 Prozent der lettischen Bevölkerung ausmacht, hatte seit Tagen gegen die Entfernung des Denkmals protestiert. Lettland, wie seine baltischen Nachbarn Estland und Litauen EU- und NATO-Mitglied, unterstützt die Ukraine seit Kriegsbeginn.

Taiwan: US-Besuch und Aufrüstung

Ungeachtet der Spannungen mit China ist erneut eine Kongresspolitikerin aus den USA nach Taiwan gereist. Das Flugzeug mit der republikanischen Senatorin Marsha Blackburn an Bord landete am späten Donnerstagabend Ortszeit in Taipeh, wie das Außenministerium bestätigte. Die bis zuletzt geheim gehaltene Visite dürfte in Peking als neue Provokation gewertet werden, da die kommunistische Führung die demokratische Inselrepublik als eigenes Territorium betrachtet und offizielle Beziehungen anderer Länder zu Taipeh vehement ablehnt. Nach dem Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und einer Gruppe von fünf Kongressabgeordneten unter Leitung des demokratischen Senators Ed Markey ist es schon der dritte Besuch aus dem US-Kongress in diesem Monat in Taiwan.

Als Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch China plant Taiwan eine kräftige Erhöhung seiner Verteidigungsausgaben im nächsten Jahr um 13,9 Prozent. Nach dem Haushaltsentwurf der Regierung soll der Militäretat auf 586 Milliarden Taiwan-Dollar steigen, umgerechnet 19 Milliarden Euro. Das entspricht 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Verteidigungsministerium begründete den Anstieg mit der Ausweitung der militärischen Aktivitäten der chinesischen Volksbefreiungsarmee nahe Taiwan.