Nahe der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk finde „eine Aufstockung und Konzentration des Feindes statt“, sagte Selenskyj am Freitag vor Journalisten in Kiew. „Sie bereiten in jedem Fall Offensivmaßnahmen vor“, sagte Selenskyj. Die Lage in der Region Pokrowsk sei „derzeit am besorgniserregendsten“. Zugleich betonte er, die ukrainischen Streitkräfte würden die russischen Truppen aus der nordöstlichen Grenzregion Sumy verdrängen.
Die Stadt Pokrowsk, in der vor Kriegsbeginn rund 60.000 Menschen wohnten, ist ein wichtiger logistischer Knotenpunkt für die ukrainischen Streitkräfte. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 zählt die Region rund um die Stadt zu den am heftigsten umkämpften Gebieten in der Ukraine.
In den vergangenen Monaten waren russische Truppen von drei Seiten auf Pokrowsk vorgerückt. Am Freitag befand sich die Armee laut ukrainischen Angaben weniger als fünf Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Vor wenigen Tagen hatte Selenskyj bereits gewarnt, dass Moskau seine Truppen im von Russland besetzten Teil der südlichen Region Saporischschja für eine mögliche Offensive zusammenziehe.
In der Nacht zum Donnerstag hatte die russische Armee die Ukraine mit fast 600 Drohnen angegriffen. Die Welle russischer Angriffe mit allein mindestens 23 Todesopfern in der ukrainischen Hauptstadt Kiew löste international Empörung aus. Selenskyj bewertete die nächtliche Angriffswelle Russlands als Zeichen dafür, dass Putin nicht zu einer Einstellung der Kämpfe bereit sei. „Russland entscheidet sich für Raketen anstelle des Verhandlungstischs“ und habe kein Interesse an „echter Diplomatie“, hatte Selenskyj erklärt.
EU-Gespräche in Kopenhagen
Die EU-Verteidigungsminister berieten unterdessen bei informellen Gesprächen in der dänischen Hauptstadt über weitere Militärhilfen für die Ukraine und die Verteidigungsbereitschaft der EU. Auch die Sicherheitsgarantien für die Ukraine für den Fall einer Friedenslösung im Krieg gegen Russland waren Thema des Treffens. Für Luxemburg nahm Verteidigungsministerin Yuriko Backes an dem Treffen teil.
„Luxemburg unterstützt uneingeschränkt die derzeitigen Bemühungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Partner der Ukraine, sich auf den ,Tag danach‘ eines Waffenstillstands oder eines Friedensabkommens vorzubereiten“, so die Ministerin. „Die Union ist bereit, einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung glaubwürdiger Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu leisten. Wir unterstützen den Aufbau einer starken und gut ausgerüsteten ukrainischen Armee, die Russland abschrecken und die Ukraine verteidigen kann. Die Ukraine engagiert sich für die Sicherheit Europas, und es ist unsere Aufgabe, ihr die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen“, betonte Yuriko Backes in ihrer Rede.
Die diplomatischen Bemühungen um einen Frieden von Seiten westlicher Staaten und der USA haben bislang keine greifbaren Ergebnisse gebracht. Auch ein Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Putin in Alaska Mitte des Monats brachte keinen Durchbruch. Forderungen nach einer Waffenruhe hat Putin bislang erwartungsgemäß stets zurückgewiesen.
Den russischen Streitkräften war es in den vergangenen Monaten gelungen, weitere Gebiete in der Ukraine einzunehmen. Im Juli beschleunigte die russische Armee ihren Vormarsch in der Ukraine zum vierten Mal in Folge. Laut einer AFP-Auswertung von Daten des in den USA ansässigen Instituts für Kriegsstudien (ISW) hatten die russischen Streitkräfte lediglich im November 2024 größere Gebietsgewinne erreicht als nun im Juli.
EU-Ausbildung von Soldaten in der Ukraine
In der Europäischen Union gibt es nach Auffassung der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas eine „breite Unterstützung“ dafür, im Fall eines Friedensabkommens zwischen Kiew und Moskau auch Soldaten in der Ukraine auszubilden. „Ich begrüße, dass es heute eine breite Unterstützung dafür gibt, das Mandat unserer EU-Militärmission zu erweitern, um nach einem Waffenstillstand Ausbildung und Beratung innerhalb der Ukraine anzubieten“, sagte Kallas am Freitag nach einem Treffen der EU-Verteidigungsminister in Kopenhagen. Der Schritt könne Teil umfassender westlicher Sicherheitsgarantien für die Ukraine sein, um dabei zu helfen, eine mögliche Waffenruhe mit Russland zu abzusichern, sagte Kallas. Bis jetzt sind bereits mehr als 80.000 ukrainische Soldaten von EU-Staaten ausgebildet worden – allerdings außerhalb von ukrainischem Territorium.
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