Was ist Swift?
Swift ist ein Akronym und steht für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“. Hinter dem langen Namen steht ein internationales Netzwerk zum Austausch elektronischer Informationen, über das rund 60 Prozent des Welthandels abgewickelt werden. Mehr als 11.000 Banken aus mehr als 200 Ländern weltweit nutzen das System.
Die Mitglieder der 1973 gegründeten Genossenschaft mit Sitz in La Hulpe südöstlich von Brüssel haben Standards definiert, damit Bank A in einem Land schnell und technisch nachvollziehbar Nachrichten mit Bank B im anderen Land austauschen kann: zu Geldtransfers, Wertpapier- oder Edelmetallgeschäften. Solche Swift-Nachrichten können automatisiert weiterverarbeitet werden. Swift kümmert sich nicht um die Verrechnung oder Abwicklung von Zahlungen, sondern stellt die technische Infrastruktur zur Verfügung, damit Finanzinstitute bei Geldtransfers über Landesgrenzen hinweg sicher miteinander kommunizieren können.
Jeder an das System angeschlossene Teilnehmer hat eine eigene Swift-Adresse. Der Normalbürger kennt die Adresse als den sogenannten Bank Identifier Code, kurz BIC. Anhand dieser internationalen Bankleitzahl sind Kreditinstitute eindeutig identifizierbar. Das Swift-System stellt auf diesem Wege sicher, dass eine Auslandsüberweisung auf dem richtigen Konto eingeht. Täglich werden über das System Millionen von Nachrichten verarbeitet und milliardenschwere Geldsummen rund um den Globus geschickt.
Die Genossenschaft hat ihren Sitz immer noch in Belgien und wird von einer Gruppe internationalen Zentralbanken überwacht. Eigentlich gilt Swift als neutral, doch wenn Sanktionen ausgesprochen werden, muss sich das Unternehmen daran halten.
Was bedeutet ein Swift-Ausschluss für Russland?
Als eine Art „wirtschaftliche Atombombe“ gilt ein möglicher Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift. Das hätte zur Folge, dass russische Finanzinstitute vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden, weil Swift das international wichtigste System zum Austausch von Informationen zu Transaktionen ist. Russische Banken und Unternehmen liefen dann Gefahr, Geld nicht mehr so einfach ins Ausland transferieren zu können, andersherum würde der Kapitalfluss aber genauso erschwert werden. Das kann Warenströme bremsen, weil Firmen dann nicht mehr in der Lage sind, Importe zu bezahlen oder Einnahmen für Exporte zu verbuchen.
Alternativ könnten gezielt Sanktionen gegen russische Finanzinstitute erlassen und die Aufnahmen von Staatsschulden erschwert werden. Dies würde die Folgen für nach Russland exportierende Unternehmen vermutlich abfedern und das Risiko mindern, dass Russland mit Unterstützung anderer Staaten bereits existierende Alternativsysteme zu Swift weiter ausbaut.
Wer kann einen Swift-Ausschluss beschließen?
Die Genossenschaft versteht sich eigentlich als politisch neutral und trifft somit keine Sanktionsentscheidungen. Doch da das Unternehmen nach belgischem Recht gegründet wurde, muss es sich an die EU-Verordnungen halten. Sollte die EU also als Teil weiterer Sanktionen beschließen, Russland aus dem Swift-System zu werfen, muss Swift sich an diese Vorgaben halten. Außerdem haben die USA einen großen Einfluss auf die Genossenschaft. Die wichtigsten Datenzentren von Swift befinden sich im US-amerikanischen Virginia – Drohungen, dieses abzuschalten, sollte Swift die von den USA ausgesprochenen Sanktionen umgehen, wiegen somit schwer.
Wieso ist ein Swift-Ausschluss ein zweischneidiges Schwert?
Ein Ausschluss Russlands vom Swift-System könnte auch europäische Betriebe in Bedrängnis bringen, die in dem Land Niederlassungen haben, Handel treiben oder auf Zahlungen von russischen Kunden angewiesen sind. Russland ist unter anderem für Deutschland ein wichtiger Handelspartner und ist auch für Luxemburg bedeutend. Ein Ausschuss könnte außerdem auch den europäischen Finanzmarkt stark belasten.
Gibt es Präzedenzfälle?
Sollte Russland aus dem Swift-System ausgeschlossen werden, ist es nicht zum ersten Mal, dass ein Land so zurück an den Diplomatie-Tisch gezwungen werden soll. Schon dreimal hat die Staatengemeinschaft dieses scharfe Sanktionsschwert gezogen: Im Streit um das iranische Atomprogramm wies die Europäische Union im März 2012 den Finanzdienstleister Swift an, keine Überweisungen an iranische Banken mehr vorzunehmen – ein bis dato einmaliger Vorgang. Im Januar 2016 wurden diese Iran-Sanktionen aufgehoben, europäische Banken hielten sich bei der Zusammenarbeit mit dem Land aber zunächst zurück. Im November 2018 sperrte Swift wegen neuer US-Sanktionen gegen Iran erneut bestimmten iranischen Banken den Zugang zu dem Datenaustausch-System. Nach dem Einmarsch der Taliban in Afghanistan wurden die afghanischen Banken ebenfalls vom System abgekoppelt und Nordkorea ist seit 2017 ebenfalls nicht bei Swift mit dabei, nachdem das Land wegen wachsender Besorgnis um sein Atomprogramm auf der schwarzen Liste stand. Die Kim-Diktatur reagierte auf den Schritt mit Cyberattacken. Experten befürchten, dass bei einem Ausschluss Russlands ähnliche Bedrohungen für das System entstehen.
Gibt es Alternativen zu Swift?
Ja. Sowohl China wie Russland haben in den letzten Jahren versucht, Alternativen zum Swift-System aufzubauen. Dies vor allem, weil Swift von ihnen als zu sehr vom Westen gesteuert angesehen wird. Ein möglicher Ausschluss soll so abgefedert werden. In Russland heißt das neue System „System for Transfer of Financial Messages“ (SPFS). Es hat bereits mehr als 400 Mitgliedsbanken und wickelt mehr als 20 Prozent der inländischen Finanzkommunikation ab. Das System könnte nach einem Wegfall von Swift ausgebaut werden. SPFS ist zusätzlich an das chinesische Interbank-Zahlungssystem Cips gekoppelt. Da China eines der wichtigsten Handelspartner Russlands ist, könnte ein Swift-Ausschluss also langfristig weniger Folgen haben als gedacht. Ein Swift-Ausschluss würde auch die Bemühungen der beiden Länder verstärken, um die eignen Systeme zu etablieren und so als „Turbo“ dienen.
Auch in der EU wurde mehrmals zeitweise über eine Alternative zu Swift nachgedacht. Zuletzt im August 2018: Damals hatten sich der damalige deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) sowie der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire für den Aufbau eines europäischen Zahlungsverkehrssystems ausgesprochen, um das Swift-System zu umgehen. Entstanden ist die Idee, weil Swift als zu sehr von den Vereinigten Staaten gesteuert empfunden wurde. US-Präsident war zu diesem Zeitpunkt Donald Trump.
Edward Snowden, Swift und der NSA-Spionageskandal
Anfang der 2010-Jahre wurden zum ersten Mal in Europa Rufe nach einer eigenen Alternative zu Swift laut. Nach den Enthüllungen von Edward Snowden war bekannt geworden, dass möglicherweise eine systematische Überwachung des Banknetzwerkes Swift durch die NSA stattgefunden hat. Zwar gab es ein Abkommen zwischen der EU und den USA, dass US-Terrorfahnder Zugriff auf Millionen von Kontobewegungen von verdächtigen Personen erhalten sollten. Doch laut Snowden soll die NSA Swift-Transaktionen und -Kommunikationen systematisch überwacht haben. Wie die EU-Kommission 2011 einräumte, können die USA auf Überweisungen von einem EU-Land ins andere zugreifen, sofern diese über den FIN-Service des Swift-Netzwerks erfolgen. Ein Sprecher des Finanzdienstleisters Swift habe dies ebenfalls bestätigt. Der US-Geheimdienstdirektor James Clapper sagte damals, es sei „kein Geheimnis, dass die Geheimdienstgemeinschaft Informationen über alle wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten und die Finanzierung von Terrorismus sammelt“. Doch die EU-Kommission drohte anschließend mit der Aussetzung des Swift-Abkommens.
De Maart
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