Montag8. Dezember 2025

Demaart De Maart

UkraineRückzug aus Kursk: Kiew verliert wichtiges Faustpfand für Friedensverhandlungen

Ukraine / Rückzug aus Kursk: Kiew verliert wichtiges Faustpfand für Friedensverhandlungen
Zerstörte Autos in Sudscha in der Region Kursk: ein Foto, veröffentlicht vom russischen Verteidigungsministerium Foto: AFP/Russian Defence Ministry/handout

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Auf russischem Gebiet droht der ukrainischen Armee eine schwere militärische und psychologische Niederlage. Laut unbestätigten russischen Angaben ist viel westliches Kriegsmaterial in die Hände von Putins Truppen geraten.

Kiew hat am Sonntag indirekt die Aufgabe des ukrainischen Vorpostens im russischen Oblast Kursk bestätigt. Drei Tage nach ersten ukrainischen Berichten über einen Rückzug der Armee aus der russischen Provinzstadt Sudscha hat der Generalstab am Sonntag eine entsprechende Karte veröffentlicht. Sie zeigt, dass die Ukrainer nur noch ein kleines Gebiet von Russland entlang der gemeinsamen Staatsgrenze halten. Dazu kommt die nördliche Seite des Flusses Sejm beim russischen Grenzstädtchen Tetkino rund 60 Kilometer westlich. Dort ist es im Gegensatz zu Sudscha noch ruhig.

In Sudscha allerdings droht den Ukrainern eine schwere militärische und auch psychologische Niederlage. Laut unbestätigten russischen Angaben ist viel westliches Kriegsmaterial in die Hände von Putins Truppen geraten. Auch sollen angeblich Tausende ukrainische Soldaten bereits umzingelt oder von der Umzingelung bedroht sein. Auf diese russische Behauptung berief sich Donald Trump, der bereits Mitte der Woche auf seinem Kanal „Social Truth“, von „Tausenden ukrainischen Truppen, die von der russischen Armee total umzingelt sind“, schwadronierte. „Ich habe Putin inständig gebeten, ihr Leben zu retten“, schrieb Trump. Laut einem Tweet des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski vom Wochenende werden entsprechende Vorkehrungen getroffen, um dies zu verhindern.

Russischer Überraschungsangriff aus der Gaspipeline

Seit Neujahr schon waren die Ukrainer im Süden der Oblast Kursk in der Defensive. Das einst fast 1.500 Quadratkilometer große besetzte Gebiet schrumpfte bis auf ein Viertel zusammen. In der zweiten Märzwoche kam der russische Todesstoß. Vor Wochenfrist waren rund 800 russische Soldaten den Ukrainern im Industriegebiet von Sudscha in den Rücken gefallen. Mit Gasmasken ausgerüstet, hatten sie dazu unbemerkt eine etwa drei Kilometer nördlich des Stadtzentrums von Sudscha verlaufende Gaspipeline von Russland in die Ukraine benutzt und sich durch das 140-Zentimeter-Durchmesser-Rohr etwa 12 Kilometer mitten ins von der ukrainischen Armee besetzte Gebiet begeben.

Gleichzeitig rückten die Russen von Norden und Osten gegen Sudscha vor. Der Pipeline-Überraschungscoup isolierte ukrainische Truppenteile im Norden der Stadt. Stellungen mussten aufgegeben werden und die Soldaten zogen sich laut Lagekarten des dem Moskauer Verteidigungsministerium nahestehenden russischen Militärbloggers „Rybar“ ins Zentrum von Sudscha zurück. Inzwischen haben russische Truppen laut „Rybar“ die beiden ukrainischen Dörfer Schurawka und Nowenkye nordwestlich von Sudscha besetzt und drohen, die sich aus der russischen Oblast Kursk zurückziehenden ukrainischen Truppen auf dem Gebiet der ukrainischen Oblast Sumy zu umzingeln. Die Lagekarte der normalerweise gut informierten ukrainischen Beobachter „DeepState“ wies das Grenzgebiet bei den beiden Dörfern am Sonntag als umkämpft aus. Die Ukrainer hatten sich laut den Karten von „DeepState“ bis Sonntag auf Positionen rund zwei Kilometer westlich von Sudscha zurückgezogen. Die westlichen Außenbezirke des Provinzstädtchens waren demnach am Wochenende noch umkämpft.

Von dem im August 2024 eroberten Gebiet im Süden der Oblast Kursk sind noch etwa zehn Prozent geblieben, vor allem Wiesen und Wälder, die noch bis zu acht Kilometer auf die russische Seite der Staatsgrenze reichen. Guewo ist das größte von noch einem halben Dutzend Dörfern in ukrainischer Hand. Dazu kommt ein russisch-orthodoxes Männerkloster im südlichen Grenzgebiet zur Ukraine, das seine Dienste an den Gläubigen nie einstellen musste.

Noch ist der Ausgang der gut sieben Monate langen ukrainischen Besetzung des russischen Gebiets um Sudscha ungewiss. Der ukrainische Rückzug aus dem Gebiet Kursk erscheint polnischen Militärexperten als chaotisch, was zu unnötig hohen Verlusten führt. Dass die Ukrainer russisches Gebiet in der Oblast Kursk halten können, erscheint wenig wahrscheinlich. Auch der politische Schaden ist enorm, denn das russische Gebiet sollte Selenski als Faustpfand bei Friedensverhandlungen mit Putin dienen.