Mittwoch5. November 2025

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Domaine TageblattRückschnittliche Methoden – Wir wipfeln unsere Rivaner-Reben ab

Domaine Tageblatt / Rückschnittliche Methoden – Wir wipfeln unsere Rivaner-Reben ab
Mit den Scheren im Scheierbierg: Das Tageblatt-Team übt sich im Zurückschneiden  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Es geht voran. Die Rivaner-Reben unserer „Domaine Tageblatt“ stehen inzwischen üppig gewachsen und in prächtigem Grün in ihrem Hang an der Mosel. Und die Redaktion muss wieder ran: Heute werden Köpfe rollen – wir müssen die Reben zurückschneiden.

„Das ist eine normale Situation“, sagt Laurent Kox im Laufe des Montagmorgens beim Anblick unserer Reben auf der „Domaine Tageblatt“. Wir, also das Team aus der Redaktion, das heute Weinberg-Dienst hat, sehen nur grünen Wildwuchs. Seit vergangenem Herbst versuchen wir als Tageblatt-Redaktion einen kleinen Weinberg zu bewirtschaften. Unser Ziel: Am Ende den eigenen Rivaner in Händen halten.

Noch sind wir nicht da. Und sicher, ob wir überhaupt ans Ziel gelangen, sind wir uns auch noch nicht. Einige Etappen sind mit der tatkräftigen Unterstützung der „Domaine Kox“ geschafft. Heute ist das „Gipfeln“ oder „Abwipfeln“ dran – das Zurückschneiden der Reben.

 
   

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So weit, so gut. Doch die Rechnung hatten wir ohne das Wetter gemacht. Und damit erst einmal zurück zum Beginn dieses Tages in den idyllischen Moselweinbergen bei Remich – der mit Regen beginnt, massig Regen, und für die Jahreszeit arg kühlen 15 Grad. Womit eines bereits zu diesem Zeitpunkt sicher ist: Mein hart erarbeiteter Ruf als Schönwetterwinzer der Tageblatt-Redaktion wird den heutigen Tag nicht überdauern.

Was, ihr seid im Weinberg? Aber es regnet doch!

Unser Winzer Laurent Kox

Doch ich bin nicht allein. Nach und nach kommen die Grafikerinnen Jenny und Jil an. Feingeist Julian aus der Politik ist da, Lokalchef Cédric, der das Projekt zusammen mit meinem heute verhinderten Co-Chefredakteur Chris Schleimer angestoßen hat und als Mensch der Ordnung unter lauter Chaoten gilt, ebenfalls. Auch Web-Hooligan Tom steht mit oben am Weg entlang unserer Rivaner-Parzelle, die es heute, nachdem wir drei Wochen nicht da waren, zu trimmen gilt. Das kann was werden.

Aus der Zeit, als wir nur Leute mit „J“ als Anfangsbuchstabe eingestellt haben: Jenny, Jil und Julian beim Zurückschneiden
Aus der Zeit, als wir nur Leute mit „J“ als Anfangsbuchstabe eingestellt haben: Jenny, Jil und Julian beim Zurückschneiden Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Am Freitag hatten wir Editpress-Betriebsfest. Tom hat mir da beigebracht, Sambuca-Shots im Mund anzuzünden und mit den Flammen zu gurgeln. Ich kann die Nachahmung nicht empfehlen. Was wir jetzt, an diesem verregneten Montagmorgen tun sollen, ist nicht ganz klar. Davon hat auch Tom keine Ahnung. Und es schüttet, ist viel zu kalt und wir halten riesige Gartenscheren in unseren Händen. Fangen so nicht Filme an, die ein ungutes Ende nehmen?

Arbeiten wie die Urmenschen

Doch erst mal heißt es warten. Auf den Winzer Laurent Kox. Er hat uns diese Parzelle seines Weinguts zur Verfügung gestellt für unser kleines journalistisches Experiment, das da heißt: Können, am Beispiel der Betreuung eines Weinbergs, Journalisten wirklich arbeiten? Nicht umsonst gibt es das schöne Bonmot, dass der Journalismus ein harter Job sein mag – es aber immer noch um Längen besser ist, als tatsächlich zu arbeiten.

Kox sollte um zehn Uhr da sein. Um halb elf rufen wir ihn an. „Was, ihr seid im Weinberg?“, lacht es aus dem Handy, „aber es regnet doch!“ Danke, das hatten wir mitbekommen. Interessanter wäre die Info, was wir hier anstellen sollen – also macht sich der nette Moselaner auf den kurzen Weg zu uns und unseren Rivaner-Reben. Im Hintergrund hat er wahrscheinlich Jenny rufen hören: „Cédric, du weißt nicht, was du machst, oder?“ Vielleicht erkennt er aus Sorge um seine Reben die Dringlichkeit seiner Präsenz dadurch etwas besser.
Während wir warten, fährt am gegenüberliegenden Hang ein Mann einen Bagger mit anmontierter Trimmmaschine über seine Reben wie ein Escher Barber über den Nacken eines flaumbärtigen Teenagers. Und das sollen wir mit unseren Scheren machen?

Jemand (ich) kommt auf die Idee, dem Traktormann 50 Euro zuzustecken und Laurent Kox mit einem bestens frisierten Rivanerhang zu überraschen. Cédric lehnt ab. Ich verdächtige ihn, dass es an den Insektenhotels liegt, die er an den Reben angebracht hat und in denen wahrscheinlich nicht mehr als zwei Wespen leben. Bevor es unter durchnässten Büromenschen mit Gartenscheren in den Händen zu einer kontroversen Diskussion über die Vorzüge maschineller Rebenbeschneidung bei Scheißwetter kommen kann, rollt das nächste Auto über den kleinen Weg zu uns runter. Laurent Kox ist da. Mit noch mehr Scheren. Und vor allem: mit Ahnung.

Arbeitsnachweis des Autors
Arbeitsnachweis des Autors Foto: Editpress/Hervé Montaigu

„Där wëllt jo wéi Urmënsche schaffen“, begrüßt uns der Winzer. „Theoretsch misst der um zwielef Auer fäerdeg sinn, soss gëtt et näischt z’iessen“, lacht Laurent Kox, schaut den Hang hinunter und läuft zielgerichtet die Gartenschere schnippend die erste Reb-Reihe entlang. Wir hinterher.

Es geht jetzt darum, die oberen Triebe zurückzuschneiden. Genug, damit die Pilzgefahr nicht zu groß wird. Und nicht zu viel, damit die Trauben noch Schatten haben und bei der nächsten Hitze nicht gleich verbrennen. Winzer sprechen hierbei vom Rückschnitt. Oder um es mit Laurent Kox zu sagen: „Schneid einfach oben was ab, das ist ja keine exakte Wissenschaft.“ Tom murmelt noch vor sich hin, was das denn für rückschnittliche Methoden sind. Und doch ist es für uns das Startfanal – denn wenn sich jemand mit nicht exakten Wissenschaften auskennt, dann sind wir das, nicht umsonst arbeiten wir irgendwas mit Medien.

Klimawandel braucht Aufmerksamkeit

Unter der Anleitung von Laurent Kox wird das heutige Irgendwas-mit-Scheren-Arbeiten schnell konkreter. „Damit die Kraft ab jetzt in die Traube und nicht ins Holz geht, müssen wir, vor allem in einem solch sonnigen Sommer, oben die Triebe zurückschneiden“, erklärt der erfahrene Winzer: „Wir haben dieses Jahr bereits so viel Vorsprung, dass wir die jungen Blätter, die Zucker in die Reben bringen, gar nicht brauchen – wir bekommen genug Sonne ab.“

Tom beim Grün-Bashing: Es gab einiges zu tun 
Tom beim Grün-Bashing: Es gab einiges zu tun  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Was uns an die Temperaturen von vor einer Woche denken lässt, als Luxemburg an der 40-Grad-Marke kratzte. Dem Klimawandel müsse man auch als Winzer „seine Aufmerksamkeit widmen“, sagt Laurent Kox. Was auch bedeutet, dass eine Nebenlage wie die unseres Rivaners bald eine richtig gute sein könnte. „In Zukunft bekommen die Nebenlagen mehr Wichtigkeit als die Hauptlagen.“ Im Hier und Heute wussten wir jetzt, was zu tun war – und nach knapp zwei Stunden hatten wir, inzwischen doch etwas erschöpft und trotz des Dauerniederschlags ordentlich verschwitzt, unsere Reben tatsächlich mehr oder weniger sachgemäß zurechtgestutzt. Davor hatte uns Laurent Kox noch diesen einen Satz dagelassen: „Im September wird dann richtig gearbeitet.“

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