Am späten Mittwochabend hatte die obere Kammer des britischen Parlaments das Ruanda-Gesetz von Premierminister Rishi Sunak abgelehnt, mit Änderung versehen und wieder an das Unterhaus verwiesen. Weil es dort vor der am nächsten Dienstag beginnenden Osterpause nicht wieder verhandelt werden kann, verzögert sich das Gesetzgebungsverfahren bis Mitte April. Das bedeutet, dass die ersten Flugzeuge, die illegale Flüchtlinge nach Ruanda zur Abwicklung ihres Asylverfahrens fliegen sollen, nach Schätzung des Innenministeriums frühestens im Juni starten werden. Für Rishi Sunak, der die Abschiebungen „spätestens im Frühjahr“ versprochen hatte, ist das eine schwere Schlappe.
Es geht um ein Eilgesetz, das der Premierminister im letzten Dezember eingebracht hatte als Antwort auf ein Urteil des Supreme Court. Das oberste Gericht des Landes hatte den Ruanda-Plan für rechtswidrig erklärt, weil die Gefahr bestehe, dass abgelehnte Asylbewerber zurück in ihr Heimatland geschickt werden könnten, wo ihnen Schaden drohe. Das Gericht hatte zudem weitere rechtsstaatliche Defizite in Ruanda beanstandet. Sunaks Eilgesetz erklärt daraufhin kurzerhand Ruanda zu einem sicheren Drittstaat. Zugleich suspendierte es Teile des britischen Menschenrechtsgesetzes, um zu erschweren, dass Betroffene vor einem britischen Gericht gegen ihre Abschiebung klagen können. Einzelklagen in Härtefällen sowie der Gang vor den Europäischen Gerichtshof in Straßburg sollen allerdings weiterhin möglich sein.
Die Lords und Ladys im Oberhaus hatten das Gesetz ursprünglich mit zehn Änderungsanträgen versehen, die unter anderem sicherstellen sollten, dass Abschiebungsverfahren nicht internationales Recht brechen, dass Gerichte überprüfen können, ob Ruanda den Status als sicheres Drittland erfüllt oder dass besondere Personengruppen ausgenommen werden wie Opfer von Menschenhandel oder Afghanen, die aus Angst vor der Taliban fliehen, weil sie britischem Militär geholfen haben. Die Regierung hatte am Wochenanfang sämtliche Änderungen und Relativierungen abgeschmettert aus Angst vor rechtslastigen Hardlinern in der Regierungsfraktion, die ein kompromissloses Vorgehen gegen Bootsflüchtlinge fordern. Das Oberhaus hat daraufhin nun nochmals sieben Änderungen und Relativierungen vorgeschlagen, die allerdings, wenn sie im April beraten werden, auch kaum Erfolgschancen haben dürften.
Torys droht ein Zangengriff
Denn letzten Endes wird sich das Unterhaus durchsetzen, weil die Abgeordneten gewählte Volksvertreter sind und die Lords Gesetze nur hinausschieben können. Doch schon die Verzögerung trifft Sunak hart. Die Konservativen wollen für die im Oktober erwarteten Wahlen die Rhetorik beim Immigrationsthema hochdrehen und brauchen eine funktionierende Politik, die den Strom von Bootsflüchtlingen stoppt, die über den Ärmelkanal ins Land kommen. Der Ruanda-Plan dient dabei als Abschreckungswaffe. Wenn Sunak, der als eines der zentralen Ziele seiner Amtszeit „Stoppt die Boote!“ erklärt hatte, auch hier keine Erfolge vorweisen kann, wird er bei konservativen Wählergruppen immer unglaubwürdiger. Die jüngste YouGov-Umfrage vom Donnerstag sieht die Konservativen bei 19 Prozent, 25 Punkte hinter Labour. Und die Partei „Reform UK“ von Nigel Farage, die den Torys vom rechten Rand aus Konkurrenz macht, kommt mittlerweile auf 15 Prozent. Den Konservativen droht ein Zangenangriff.
De Maart
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