Mittwoch31. Dezember 2025

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KunsteckeRückblick auf das Jahr 2023: Junge Talente, Stahlkunst und eine sich wandelnde Industrieregion

Kunstecke / Rückblick auf das Jahr 2023: Junge Talente, Stahlkunst und eine sich wandelnde Industrieregion
Blick in den Ausstellungsraum, im Vordergrund Bilder von Xavier Karger Blick in den Ausstellungsraum, im Vordergrund Bilder von Xavier Karger

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Eine Auswahl der besten Ausstellungen des Jahres.

Nachwuchstalente kompakt präsentiert

Mit der dritten Auflage von „Young Luxembourgish Artists“ hat Lou Philipps (Valerius Gallery) vielversprechende Talente sichtbarer gemacht. Die Förderung junger Künstler haben sich mehrere Veranstalter auf die Fahne geschrieben, doch bei „YLA“ werden diese kompakt vorgestellt. Kunststudenten und junge Kreative, die sich bereits erste Sporen verdient haben, werden hier gemeinsam und übersichtlich ohne „Preiszwang“ locker in einem Pop-up präsentiert. 2023 war dies ein ehemaliger Ausstellungsraum der „Garage Kontz“ in Bonneweg. Die Räumlichkeiten waren lichtdurchflutet, boten Wände, Nischen und viel Platz, Elemente, die eine anschauliche Präsentation erlaubten.

Nach dem Vorbild der englischen Vereinigung „Young British Artists“, aus der bedeutende Künstler wie Damien Hirst, Cornelia Parker oder Gary Hume hervorgegangen sind, wählt die YLA-Kuratorin Luxemburger Absolventen von Kunsthochschulen oder noch Studierende aus, um diesen eine Plattform zur Darstellung ihrer Person und vor allem ihrer Kunst zu bieten. Abgesehen von der Altersgruppe, alle sind zwischen 1980 und 1990 geboren, und ihrer Vorliebe für bildende Kunst haben die Auserwählten kaum etwas gemeinsam. Sie kommen aus verschiedenen Ländern, haben bislang keinen oder wenig Kontakt zueinander gehabt und geben künstlerisch recht diverse Positionen ab.

Die Auswahl 2023 mit Oriane Bruyat (Malerei), Steve Cruz (Foto /Keramik), Franky Daubenfeld (Motivsuche über die Malerei hinaus), Amine Jaafari (Minimalismus), Lisa Junius (Keramik u. Malerei), Xavier Karger (Farbfelder mit Ansage), Anne Mélan (surrealistische Kompositionen), Lara Ruiz (Mixed-Media), Lara Welter (Formgebung der besonderen Art) sowie Jil Jahr (Focus section) gibt einen spannenden „YLA“-Jahrgang ab, den es zu würdigen gilt.                                                                                                                                                          

Die Hommage an eine Region

„Traversées“, eine Aufarbeitung der Wandlung einer Region in Wort und Bild
„Traversées“, eine Aufarbeitung der Wandlung einer Region in Wort und Bild Foto: Editpress/Julien Garroy

Zu den anschaulichsten Fotoausstellungen dieses Jahres zählen wir eindeutig „Traversées“, eine Aufarbeitung der Wandlung einer Region in Wort und Bild. Als grenzüberschreitendes Projekt unter der Regie der Vereinigung Ikono konzipiert, drehte sich diese geschickt in der Galerie Schlassgoart in Szene gesetzte Ausstellung um Esch/Alzette und das an sie stoßende französische Grenzgebiet. Neben den Künstlern Patrick Galbats und Nicolas Leblanc zeugte die Schau auch von der gemeinschaftlichen Mitwirkung von Schülern dies- und jenseits der Grenze. Die Initiatoren warfen Fragen betreffend Identität, Vernetzung und Gemeinschaftswerte der besagten Region auf, einer sich seit Jahrzehnten „wandelnden Landschaft“. Die ehemalige Industrieregion hat Mensch, Natur und Aktivitäten wie Lebensbedingungen allgemein so verändert, dass diese sich „neu erfinden“ musste.

Von den Fotografen Galbats und Leblanc kuratiert, legte die Schau selbstredend den Schwerpunkt auf das Bild, mal beobachtend, mal sozial bewegend oder einfach nur als Zeuge einer unumkehrbaren „Wandlung“. Auch wenn die Expo nicht unbedingt schlüssige Antworten auf die gestellten Fragen gibt, so zeugt sie von der oft übersehenen dialektischen Wechselwirkung wichtiger Faktoren wie eben Mensch, Traditionen, Arbeitswelt, soziale Positionen, Wohnkultur, Gemeinschaftsleben, Natur oder Querverbindungen zum Zentralstaat und zeigt über die Übergangszeit hinaus Zukunftsperspektiven auf. Fotos unterschiedlichen Formats sind thematisch auf spannende Weise gruppiert, spiegeln Entwicklungen und Erlebnisse wie Hintergründe wider, fotografische Dokumente, die mit eingespielten Wortfetzen von interviewten Zeitgenossen diskret untermalt und ergänzt werden.

Fotos (über 100 Lichtbilder), Toncollagen (von Aurélie Darbouret zusammengestellt) und Textfragmente (Zeugen von Betroffenen) und ergänzen sich und verschmelzen zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk, das wohl zeigen möchte, dass die „Traversées“ einer ungewöhnlichen Zeit hier wohl nicht mehr nur „Weg“ sondern gut und gerne „Ziel“ sind.                                                                                                    

„Gravité“ : Zusammenbruch als Prinzip

Drei Lithografien auf Papier von Bernar Venet
Drei Lithografien auf Papier von Bernar Venet Foto: Fernand Weides

Mit der Ausstellung „Gravité“ von Bernar Venet hat die Galerie Ceysson & Bénétière nicht nur ein weiteres Mal einen renommierten französischen Künstler vorgestellt. Der Stahlkünstler, der immer wieder für Überraschungen gut ist, setzte mit einer Performance am Vorabend der Vernissage sein Prinzip der Veränderung seiner Mega-Skulpturen durch gezielte Manipulation hin zu ihrer finalen Position um. Der Meister persönlich zog mithilfe einer Maschine an einem der 20 Bögen aus Cortenstahl, brachte die aus mehreren riesigen Elementen angehäufte Großskulptur „Empilement Effondrement“ in Bewegung, ließ diese in sich sacken und ohne direkte Kontrolle neu in Stellung bringen.

Venet arbeitet seit Jahren mit Stahl als Basismaterial für seine Werke, die sowohl als Ensemble mehrerer Komponenten konzipiert sind, etwa die Skulpturen im Vorgarten des ehemaligen Arbed-Sitzes in der avenue de la Liberté, oder als allein stehende Riesenbögen in den Raum ragen, beispielsweise auf der Autobahnstrecke Luxemburg-Brüssel. Wie seine Malereien und Lithografien, in denen die Linien, ob gerade oder in leichtem Bogen, zackig oder abgerundet, daherkommen, schafft der Künstler auch Skulpturen mittleren oder kleineren Formats. Wichtig sind ihm einerseits die Linie sowie Begriffe wie „Durcheinander“ und „Zusammenbruch“ als Arbeitshypothese. Das Material wird selbst zur „Form“. Er legt Wert auf den „Moment“, wann, wo und wie er diese „Geraden/Linien“ oder „Bögen“ zu einem Gebilde zusammenbringt. Frei aufeinander gelegt oder ineinander verhakt bringen sich diese jeweils ins „Gleichgewicht“. Logik und Schwerkraft spielen dabei eine gewisse Rolle. Den Besuchern liefert er mit an die Wand gemalten „Begriffen“ wie „Unsicherheit“, „Katastrophe“, „Desintegration“, „Ungleichgewicht“ oder „Unstabilität“ eine Einführung in seine „Arbeitsleitlinien“ und somit Denkanstöße, sich seinem Werk zu nähern.

Mit „Gravité“ hat Bernar Venet mittels Fotografien, Lithografien und Skulpturen einen umfassenden Einblick in sein beeindruckendes künstlerisches Œuvre geliefert.