Freitag7. November 2025

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ItalienRom fühlt sich wieder mit der Flüchtlingsproblematik alleingelassen

Italien / Rom fühlt sich wieder mit der Flüchtlingsproblematik alleingelassen
Migranten am Sonntag an Bord der „Ocean Viking“, einem Hilfsschiff der Organisation „SOS Méditerranée“ Foto: AFP/Vincenzo Circosta

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In den süditalienischen Häfen warten wieder Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen darauf, mit an Bord befindlichen Flüchtlingen aus Nordafrika anlanden zu dürfen. Doch die neue rechte Regierung unter Giorgia Meloni und ihrem Innenminister Matteo Piantedosi will diese Schiffe blockieren. Eine Rückkehr zu den „geschlossenen Häfen“? Die europäischen Nachbarn indes hüllen sich in Schweigen und lassen Rom mit der Flüchtlingsproblematik allein.

Drei Menschen sind am Montagmittag von Bord der unter norwegischer Flagge fahrenden „Geo Barents“ gesprungen, um die rettende Hafenmauer zu erreichen. Eine Tat der Verzweiflung, denn schon seit Tagen warten die Flüchtlinge darauf, endlich wieder Festland unter die Füße zu bekommen. An Bord der „Geo Barents“ waren 572 Flüchtlinge, 357 von ihnen – meist Frauen und Minderjährige – durften das Schiff am Wochenende verlassen, 215 Migranten blieben an Bord.

Ein ähnliches Bild zeigte sich auf der unter deutscher Flagge fahrenden „Humanity 1“: Das Schiff der Hilfsorganisation Humanity hatte 179 Flüchtlinge im Mittelmeer aufgegriffen, die mehr als eine Woche an Bord verbringen mussten. Ihr Gesundheits- und psychischer Zustand war teils sehr angegriffen. Dennoch durften nicht alle Migranten das Schiff im sizilianischen Catania verlassen, 35 junge Männer sollten an Bord bleiben. Die Kapitäne beider Schiffe weigerten sich, die Hafenzone wieder zu verlassen und müssen nun mit einer Buße von je 50.000 Euro rechnen.

Italiens neuer Innenminister, der parteilose, jedoch der Lega nahestehende Matteo Piantedosi stellt sich strikt auf den Standpunkt, die Staaten der flaggeführenden Schiffe hätten Verantwortung über die Flüchtlinge an Bord zu übernehmen. Doch aus dem Norden Europas kommt bislang nur Schweigen. Italien fühlt sich wieder einmal mit der Problematik alleingelassen. Aus Brüssel kommt nur die Mahnung, die Regierung in Rom möge „die humanitären Gesetze einhalten“.

Handeln wie Salvini, aber ohne Prozesse

Die auf den Hilfsschiffen Agierenden handeln aus humanitären Motiven heraus. Allerdings – so hat es die italienische Aufklärung in Erfahrung gebracht – schaffen es nur die Stärksten und solche, die finanziell dazu in der Lage sind, an Bord der von Schlepperbanden organisierten Schlauchboote. Zwischen 2.000 und 5.000 Euro, so erklärte Italiens Justizminister Carlo Nordio, müssten die Flüchtlinge bezahlen, um eine Chance auf die Überfahrt zu erhalten. „Die wirklich Bedürftigen, die Ärmsten der Armen, die Alten und Kranken verbleiben in den Sammellagern Libyens und Tunesiens“, so Nordio.

Innenminister Piantedosi erklärt seine Abschottungspolitik mit der These, eine Akzeptanz der NGO-Schiffe zöge weitere Flüchtlingswellen nach sich. Einen ähnlich harten Kurs hatte der Minister bereits als Kabinettschef unter Matteo Salvini gesteuert. Die italienische Presse titelt daher: „Handeln wie Salvini, aber Prozesse vermeiden“. Ein Hinweis darauf, dass der Lega-Chef und frühere Innenminister noch heute mit Verfahren wegen Menschenraubs und Amtsmissbrauchs konfrontiert ist.

Häfen nicht blockiert

Doch eigentlich kann von einer wirklichen „Blockade“ italienischer Häfen noch nicht die Rede sein. Denn seit Amtsantritt der Meloni-Regierung am 24. Oktober sind mehr als 9.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer in die südlichen Regionen Italiens gelangt. Und seit Jahresbeginn wurden von den 80.000 Flüchtlingen, die das Belpaese aufgenommen hat, mehr als vier Fünftel von Booten der Küstenwache und der italienischen Marine aufgenommen oder sind mit eigenen Schiffen in italienische Häfen und Buchten angekommen.

Die neue rechte Regierung weist darauf hin, dass auch unter der Vorgänger-Regierung Mario Draghis die Schiffe der NGOs manchmal wochenlang auf die Zuweisung eines sicheren Hafens warten mussten.

Die Problematik ist nicht neu. Seit etlichen Jahren weisen die Regierungen in Rom – gleich welcher Couleur – auf die schier unlösbare Flüchtlingsmisere hin. Gleichwohl ohne Erfolg. Und daran wird wohl auch ein neuerlicher Appell des jüngst bestallten Außenministers Antonio Tajani nichts ändern, wenn sich die EU-Staaten nicht auf eine alle Seiten zufriedenstellende solidarische Politik einigen können.