Gut sieben Monate nach der Amtsübernahme von seiner katastrophal gescheiterten Vorgängerin Liz Truss will Sunak diese Woche erstmals auch in Washington bella figura machen. Es handelt sich um das vierte Zusammentreffen mit US-Präsident Joe Biden in ebenso vielen Monaten, wie die PR-Strategen der Downing Street gern betonen. Mit einiger Berechtigung dürfen die Briten darauf hoffen, dass der 80-Jährige sich diesmal mehr Zeit nimmt für sein 42-jähriges Gegenüber als vor zwei Monaten bei Bidens Stippvisite in Nordirland. Damals blieb es – hart am Rande der Brüskierung eines langjährigen Verbündeten – bei einem kaum halbstündigen bilateralen Kaffeekränzchen, von der Londoner Presse in Anspielung auf den beliebten Milchkaffee als „bi-latte“ verhöhnt.
Biden weist stets gern auf seine irischen Wurzeln hin, kennt als erfahrener Außenpolitiker aber auch die Bedeutung des global aufgestellten Großbritannien für den Zusammenhalt des Westens. So sollen Londons Regierungschef zwei Ehren erwiesen werden: die Übernachtung im offiziellen Gästehaus des Präsidenten und der erste Wurf bei einem Baseball-Spiel der Washington Nationals am Mittwochabend. Dass sich der begeisterte Cricket-Spieler Sunak dabei ordentlich aus der Affäre ziehen wird, darf vorausgesetzt werden.
Wichtige Bonuspunkte hat sich der Premierminister schon dadurch erworben, dass er nicht Boris Johnson ist. Bei den Demokraten herrschte tiefes Misstrauen gegen den Brexit-Vorkämpfer und erklärten Liebling von Ex-Präsident Donald Trump. Der EU-Austritt gilt Biden als schwerer strategischer Fehltritt, ja als „geostrategisches Desaster“. Nicht zuletzt auf Druck Washingtons schloss Sunak Ende Februar mit Brüssel den Windsor-Vertrag ab. Das Schriftstück soll vor allem die Handelsprobleme Nordirlands beheben, aber auch die Tür öffnen für eine engere Zusammenarbeit der Brexit-Insel mit dem Kontinent. Wie die königstreuen Protestanten in Belfast zur Teilnahme an der Allparteien-Regierung bewegt werden können, dürfte ebenso auf der Agenda stehen wie die Zusammenarbeit in Wirtschafts- und globalen Sicherheitsfragen.
Redeten seine Vorgängerinnen dauernd – und vergeblich – von einem Handelsvertrag mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, betont Sunak lieber die Einigkeit in der Sicherheitspolitik. Bereits vor Russlands Invasion lieferte London der Ukraine Waffen, seither lässt Großbritannien ebenso wenig Zweifel an der Unterstützung für Kiew wie die USA. Innerhalb der NATO steht die Insel mit aufgestockten Verteidigungsausgaben und einsatzbereiten Eingreiftruppen gut da. Unter vier Augen will Sunak erneut für seinen hoch angesehenen Verteidigungsminister Ben Wallace als nächsten NATO-Generalsekretär werben.
Wirtschaft soll nicht zu kurz kommen
Wie in der klaren Ablehnung der russischen Aggression stimmen die Interessen der beiden permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auch in ihrem Politikansatz gegenüber China überein. Biden hat mehrfach Amerikas Schutzfunktion zu Taiwan betont, ohne offiziell von der „One China“-Politik abzugehen. Sunak hält am deutlich größeren Engagement Großbritanniens im Indo-Pazifik fest; erst kürzlich trat die Insel vor Europas Küste der transpazifischen CPTPP-Vereinbarung bei, ist zudem Partner im Aukus-Sicherheitsbündnis, dessen Kern aus der Belieferung Australiens mit atombetriebenen U-Booten aus amerikanischer Herstellung besteht.
Weil Sunak die Rhetorik gegenüber dem nationalkommunistischen Regime in Peking abgemildert hat, steht er unter dem Druck der China-Falken innerhalb seiner konservativen Partei, angeführt von Ex-Premier Truss. Deren kürzlicher Besuch in Taiwan dürfte in Londoner Regierungsstuben Kopfzerbrechen ausgelöst haben. Bidens Administration erlebte im vergangenen Jahr mit der Visite der damals noch als Sprecherin des US-Repräsentantenhauses amtierenden Nancy Pelosi eine ähnliche Situation.
Aus Londoner Sicht soll auch die Wirtschaft nicht zu kurz kommen. Als erster britischer Premier spricht Sunak am Donnerstag beim Business Roundtable mit den Bossen der wichtigsten US-Unternehmen. Am Rande des Besuchs dürften milliardenschwere Investitionsvorhaben vereinbart werden. Außerdem will der Brite in Bezug auf Künstliche Intelligenz für eine internationale Forschungseinrichtung sowie eine Aufsicht vergleichbar der Atombehörde IAEA werben.
De Maart
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