Seit dem Mord an dem ultrarechten Aktivisten Charlie Kirk, der US-Präsident Donald Trump nahestand, wird um den Artikel allerdings erbittert gerungen. Führende Oppositionspolitiker der Demokraten warfen Trump vor, einen „Krieg gegen den ersten Zusatzartikel“ angezettelt zu haben, weil er und seine Regierung unerbittlich gegen Kritiker des Präsidenten, seiner MAGA-Bewegung und des erschossenen Kirk vorgehen.
Der bekannte Moderator und Satiriker Jimmy Kimmel hatte Trumps Make-America-Great-Again-Bewegung (MAGA, Macht Amerika wieder großartig) in seiner Sendung vorgeworfen, Kirks Ermordung politisch zu instrumentalisieren. Daraufhin wurde seine über die USA hinaus bekannte Late-Night-Show abgesetzt. Die Demokraten warfen dem Trump-Lager vor, durch Druck beim Sender ABC die Absetzung der Sendung erzwungen zu haben; sie kündigten daraufhin einen Gesetzentwurf zum Schutz der Meinungsfreiheit an.
Die Bürgerrechtsorganisation ACLU warf der Trump-Regierung vor, ihr Vorgehen sei „schlimmer als unter dem McCarthyismus“. Die nach dem Republikaner Joseph McCarthy benannte antikommunistische Bewegung entstand nach dem Zweiten Weltkrieg und war vor allem in den 1950er-Jahren berüchtigt für ihr Vorgehen gegen Regierungskritiker und Andersdenkende. Auch die Trump-Behörden „missbrauchen wiederholt ihre Macht, um Ideen zu unterbinden, die ihnen nicht gefallen, und entscheiden, wer sprechen, schreiben und sogar Witze machen darf“, kritisierte ACLU-Direktor Chistopher Anders.
„Das ‚First Amendment‘ repräsentiert wirklich unsere nationale Identität“, sagte David Super, Rechtsprofessor an der Georgetown-Universität. „Die Überzeugung, dass die Regierung keinen von uns zum Schweigen bringen kann“, bildet ihm zufolge einen gemeinsamen Nenner für alle US-Bürger, unabhängig von ihrer Herkunft.
„Moralisch verwerfliche“ Meinungen geschützt
Das „First Amendment“ wurde als einer von zehn Zusatzartikeln 1791 in die Verfassung aufgenommen und sieht vor, dass der Kongress kein Gesetz erlassen darf, „welches die Religionsausübung verbietet oder das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit oder das Recht des Volkes auf friedliche Versammlung einschränkt“.
Der Artikel schütze sogar „moralisch verwerfliche“ Meinungen vor strafrechtlicher Verfolgung, betonte Eugene Volokh, Rechtsprofessor an der University of California in Los Angeles (UCLA). Er wies jedoch darauf hin, dass die Geschichte der USA von Bemühungen geprägt war, Meinungen zu unterdrücken.
Nachdem sie jahrelang die ‚Cancel Culture‘ beklagt hat, treibt die Regierung sie nun auf ein beispielloses und gefährliches Niveau
So unterzeichnete beispielsweise der zweite Präsident John Adams 1798 ein Gesetz, das die Veröffentlichung „falscher, skandalöser oder böswilliger Schriften“ gegen die Regierung verbot. Während des Ersten Weltkriegs war es dann verboten, pazifistische Meinungen zu äußern. Und in den 1960er-Jahren kämpften die Südstaaten gegen Aufrufe zur Achtung der Bürgerrechte der Schwarzen.
Trump dagegen hat sich den Kampf für die Meinungsfreiheit auf die Fahnen geschrieben und hatte zu Beginn seiner zweiten Amtszeit sogar ein Dekret dazu unterzeichnet. Immer wieder warf er der Linken eine „Cancel Culture“ vor. Den Republikanern zufolge führt sie zur öffentlichen Ächtung konservativer Persönlichkeiten und verletzt damit die Meinungsfreiheit.
Unbehagen auch in rechten Kreisen
Nun richten die Demokraten genau diesen Vorwurf gegen Trump, der seinerseits mehrere wichtige US-Medien und Universitäten verklagt hat. „Nachdem sie jahrelang die ‚Cancel Culture‘ beklagt hat, treibt die Regierung sie nun auf ein beispielloses und gefährliches Niveau“, kritisierte etwa der frühere Präsident Barack Obama von der Demokratischen Partei im Onlinedienst X.
US-Vizepräsident JD Vance hatte sich auf die Meinungsfreiheit berufen, um europäischen Regierungen die angebliche Unterdrückung rechtsgerichteter Ideen vorzuwerfen. Nun rief er selbst dazu auf, Menschen, die sich über den Tod von Kirk gefreut hätten, bei ihren Arbeitgebern anzuzeigen, um ihre Entlassung zu erreichen.
Für Unbehagen auch in rechten Kreisen sorgte zudem eine Ankündigung von Justizministerin Pam Bondi. Sie erklärte vergangene Woche, ihre Behörde werde jeden verfolgen, der „Hassreden“ im Zusammenhang mit Kirk äußere. Der erste Verfassungszusatz „schützt Hassreden vollständig“, maßregelte der konservative Senator Ted Cruz die Ministerin. Bondi versicherte daraufhin, sie habe sich nur auf Äußerungen bezogen, die zu Gewalt aufrufen. Der ultrarechte Moderator Tucker Carlson rief sogar zu „zivilem Ungehorsam“ auf, falls die Regierung die Meinungsfreiheit einschränken sollte. (AFP)
Trump droht TV-Sendern
US-Präsident Donald Trump teilte erneut gegen die Late-Night-Shows aus. „Alles, was sie tun, ist, Trump zu attackieren“, sagte er bei seiner Rückreise aus Großbritannien vor Journalisten in der Präsidentenmaschine Air Force One. „Ich meine, sie bekommen eine Lizenz. Ich würde denken, dass ihnen vielleicht ihre Lizenz entzogen werden sollte. Das wird Brendan Carr entscheiden müssen“, sagte Trump mit Bezug zum Chef der US-Medienaufsichtsbehörde FCC. Mit dieser Drohung erhöht der US-Präsident den Druck auf Fernsehsender, damit sie ihm missliebige Sendungen einstellen. Trump attackiert seit Langem Late-Night-Moderatoren, die ihn verspotten. Am Mittwoch hatte er den Sender NBC aufgefordert, nun auch die Sendungen von Jimmy Fallon und Seth Meyers abzusetzen, die er als „Versager“ schmähte. Die Entscheidung von ABC, Kimmels Sendung abzusetzen, feierte Trump gar als „großartige Neuigkeiten für Amerika“.
Politiker der Demokratischen Partei kündigten derweil einen Vorstoß zum Schutz der Meinungsfreiheit in den USA an. Der geplante Gesetzentwurf schaffe eine „spezifische Verteidigung für diejenigen, die aus politischen Gründen ins Visier genommen werden“, sagte Senator Chris Murphy. Es müsse „reale Konsequenzen für Regierungsbeamte“ haben, „wenn sie die Macht der Regierung nutzen, um gegen Äußerungen vorzugehen, die durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt sind“. Der Minderheitenführer im Senat, Chuck Schumer, warf der Trump-Regierung vor, sie versuche, die Meinungsfreiheit „auszulöschen“. „Sie wollen nicht, dass Menschen überhaupt sprechen, wenn ihnen nicht gefällt, was sie sagen“, sagte Schumer und warnte: „Das ist der Weg in die Autokratie.“ (AFP/Red.)

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