KinoRiesenaffen, Eidechsen, Dinosaurier: Filmmonster im Laufe der Zeit 

Kino / Riesenaffen, Eidechsen, Dinosaurier: Filmmonster im Laufe der Zeit 
Weltpremiere des Films „Godzilla x Kong: The New Empire“ am 25. März in Hollywood Foto: AFP/Frederic J. Brown

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Immer wieder haben Godzilla oder King Kong im Kino Menschen, Dinosaurier, Urzeitviecher, ganze Städte zerstört – „Godzilla x Kong: The New Empire“ ist der mittlerweile fünfte Eintrag im sogenannten Monsterverse. Ein verkürzter Blick auf die Entwicklungen des Monsterfilms.

Der Monsterfilm

Monster sind Erscheinungen der Fantastik, sie entstammen demnach besonders dem Horror-, Science-Fiction- oder Fantasyfilm. Das Monster bildet dabei die zentrale Attraktion, handlungstechnisch betrachtet sind diese Filme meist im Modus des Abenteuerfilms erzählt. Dabei strukturieren die Stationen einer abenteuerlichen Reise meist das Geschehen, handlungstragende Figuren sind oftmals Forscher und Jäger, die ein Expeditionsteam bilden. Der Monsterfilm wurde besonders im Hollywood-Kino der Dreißigerjahre populär, das Filmstudio Universal entwickelte mit Filmen wie „Dracula“ (1931), „The Mummy“ (1932) oder „Wolfman“ (1966) spezifische Schauergeschichten, in denen übernatürliche Wesen zum Vorschein kommen. Der sogenannte Tierhorror schildert mysteriöse und verstörende animalische Verhaltensweisen, Alfred Hitchcocks „The Birds“ (1961) war da ungemein publikumswirksam. Im Besonderen haben sich aber im Monsterfilm zwei ikonische Größen herausgebildet: eine dinosaurierartige Rieseneidechse in Japan und ein Riesenaffe in Amerika.

In den wenigsten Fällen sind diese monströsen Tiere Identifikationsträger, eine frühe Ausnahme war „King Kong“ (1933) – hier wurde ebenjener Riesenaffe zu einem emphatischen Wesen, das seinen Platz in der Welt nicht findet, eine ausgebeutete Gestalt; das Monster als ein Opfer, das an sehr menschliche Kolonialverbrechen erinnert. Skull Island heißt der urzeitige Handlungsort der ersten Hälfte des Films, der besonders der Fantasie Arthur Conan Doyles in „The Lost World“ nachempfunden ist, bevor der Affe auf dem Empire State Building in einer berühmt gewordenen Szene den tragischen Tod findet. Zu einem zentralen Handlungsmotiv wurde die unmögliche und unerfüllte Liebe des Monsters zu einer Frau. „The Creature from the Black Lagoon“ (1951), eine Abenteuergeschichte um ein amphibienartiges Ungeheuer, das einer Gruppe von Forschern nachstellt, folgte diesem Muster, bis Guillermo del Toro es mit „The Shape of Water“ (2017) neuzuschreiben versuchte. Der Riesenaffe wurde indes im Laufe der Zeit auch Objekt der unfreiwilligen Parodie, die sich parallel entwickelte: „Mighty Joe Young“ (1998) betonte zu sehr die Romanze und „Rampage“ (2018) zu sehr das actiongeladene Spektakel. „King Kong“ (2005) von Peter Jackson war eine ernsthaftere Rückkehr zum tragisch-romantischen Stoffgehalt des Originalfilms, der die Mischung aus parodistischen Elementen mit dramatischer Gravitas weitaus besser verband – die Liebesgeschichte, so wie auch die Kritik am Kolonialgeist eindringlich aktualisierend.

Die Warnung

Unter dem Zeichen des spektakulären Effekte-Kinos wurde in Japan in den Nachkriegsjahren eines der wohl bekanntesten Filmmonster überhaupt geschaffen: Godzilla. Als direkte Allegorie präsentierte die Kreatur sich in seiner Erstverfilmung durch Ishirô Honda als der Gestalt gewordene Albtraum. Es ist zwar ein verschlüsseltes und dennoch sehr direktes und überaus konfrontatives Bild für die Traumata der Atombomben-Abwürfe auf Nagasaki und Hiroshima – ein Monster als Mutation einer gewöhnlichen Eidechse, die Folgen radioaktiver, hochenergetischer Strahlung. Unter dem Begriff des „Kaijū Eiga“ ist in Japan eine eigene Genrebezeichnung für diese Form des Monsterfilms entstanden, es umfasst über 30 Filme, die allein um die Rieseneidechse kreisen. In diesem Zuge hat sie ebenso eine Neucodierung erlebt: Godzilla als ein übermächtiger Beschützer der Menschen. Der 2023 erschienene japanische Monsterfilm „Godzilla: Minus One“ („Gojira -1.0“) unter der Regie von Takashi Yamazaki scheint aber in erster Linie eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Stoffgehalt des Filmklassikers von 1954 zu sein – der Versuch, die Kultfigur des Monsterkinos den Fängen des gegenwärtigen Hollywood-Mainstreamblockbusters zu entreißen und wieder an seinen Ausgangspunkt zu führen: In ihr kulminiert alles Zerstörerische der Atombombe – obwohl diese eher hintergründig präsent ist – ein Bild des absoluten Schreckens. Diese neue Variante um das Monster erzählt besonders von einem Kamikaze-Flieger, dessen Schicksal mit dem Godzillas parallel gelesen wird. Es ist eine ernsthafte, spezifisch japanisch konnotierte Reflexion über den Krieg, genauer: eine kritische Auseinandersetzung mit der japanischen Militärführung über den Weg einer symbolischen Aufarbeitung, die das Monster als ein Zeichen geschichtlichen und politischen Bewusstseins weiterführt. Ebenso wurden verschiedene internationale Versuche unternommen, besonders amerikanische, an das Monster anzuknüpfen: Die Reflexion der Atomängste der Japaner waren 1998 kein direktes Thema mehr in der Aneignung der ikonischen Riesenechse durch Roland Emmerich. Unabhängig davon, ob diese Monstren im amerikanischen oder im japanischen Raum geboren wurden: Die Formulierung einer schreckenerregenden Warnung vor den Folgen der menschlichen Hybris – Atomenergie oder Kolonialvergangenheit – ist all diesen Erzählungen eingeschrieben.

In den Neunzigerjahren, unter dem Zeichen wegweisender Computer-Animation, wiederholte ein Film diese Warnung auf spektakuläre, bis dahin noch nie zuvor gesehene Weise: Steven Spielbergs „Jurassic Park“ (1993) erzählte von den vorschnellen Versuchen des Menschen, den Schöpfungsakt selbst in die Hand zu nehmen: Ein leicht größenwahnsinniger Millionär hat auf einer entlegenen Insel den ultimativen Freizeitpark geschaffen. Lebende Dinosaurier sollen dort demnächst bestaunt werden, eine ganz ambivalente Errungenschaft der Wissenschaft. Mittels in Bernstein eingeschlossener und konservierter DNA-Stränge können Dinosaurier wieder zum Leben erweckt werden. Doch bald machen die Dinosaurier Jagd auf den Menschen.

Die Sargnägel

Das allegorische Potenzial dieser Monstergeschichten verband so über die Jahrzehnte hinweg das Spektakuläre der tricktechnischen Schauwerte mit der Brisanz der ethischen und politischen Aussage. Diese Engführung in Form und Inhalt – die Kombination von actiongeladener Erzählweise mit der parabelhaften Kraft der Aussage bildete immer schon den Reiz des Monsterfilms. All dies machte eine phänomenale filmkulturelle Entwicklung der vergangenen Dekade radikal zunichte: das Aufkommen des Marvel Cinematic Universe. Mit „Godzilla“ (2014), „Godzilla II: King of the Monsters“ (2019) und „Godzilla vs. Kong“ (2021) war eine Filmreihe gestartet, die die japanische Kreatur in einen Filmzyklus der „erweiterten Filmuniversen“ stellte, ganz der Logik der Inhaltslosigkeit und des Stumpfsinns der Marvelfilme folgend. Spiegelbildlich dazu wurde der Riesenaffe mit „Kong: Skull Island“ (2017) neu interpretiert – beide Reihen waren darauf ausgelegt, die zwei Monstren in einem Kampf der Titanen aufeinandertreffen zu lassen. Dabei geht es um die Kombination der spektakulären Schauwerte, nicht so sehr um die Vermittlung einer Moral.

All diese jüngeren Neuinterpretationen sind letztlich Nägel in den Sarg des narrativen Films. Denn eine halbwegs kohärente Geschichte zu erzählen, hat man in diesen Neuverfilmungen zwischen billiger Hochglanzästhetik, sinnentleerter Paralleluniversen und stumpfsinniger Dialoge längst aufgegeben. Freilich: Unter dem Zeichen des unterhaltsamen Genrekinos wurde der Monsterfilm immer schon konzipiert. Hier indes sind es nicht allein die Regeln des Genres, die nicht mehr richtig greifen wollen, es gibt überhaupt keine Regeln mehr: weder kausale, logische, noch physikalische – alles ist möglich in dem großen, allumfassenden Reich der Sinnlosigkeit. Das Marvel Cinematic Universe hat den Weg gewiesen für das Monsterverse aus dem Hause Universal. Die Entwicklung zeigt, dass auch dieses klassische Studio Hollywoods, ein Traditionshaus und die große Geburtsstätte der Filmmonster schlechthin, sich einem degradierenden Attraktions-Verfahren verschrieben hat, demgemäß geisttötende Effekthascherei höher eingestuft wird als gute Unterhaltung.