Die australische Journalistin Cheng Lei war über drei Jahre in China inhaftiert. Lange Zeit war unklar, was die chinesische Regierung ihr eigentlich vorwarf. Nach ihrer Freilassung vergangene Woche hat die chinesisch-stämmige Australierin nun erstmals ein Interview gegeben. Beim Fernsehsender Sky News berichtete die 48-Jährige, sie sei eingesperrt worden, da sie ein Nachrichten-Embargo um einige wenige Minuten gebrochen habe. Letzteres sei in China ein großes Vergehen. Cheng arbeitete zum Zeitpunkt ihrer Festnahme als Wirtschaftsreporterin für Chinas staatlichen englischsprachigen Fernsehsender CGTN.
Ihr Martyrium begann einst am 13. August 2020. Ein älterer Kollege habe sie angerufen und gesagt, sie werde für ein „sehr wichtiges Meeting“ im Büro gebraucht, erinnerte sich die 48-Jährige im Interview. Als sie im Meetingraum ankam, seien dort 20 Personen versammelt gewesen. Einer habe seinen Ausweis gezückt und sie zurück in ihre Wohnung gebracht. Dort sei den ganzen Tag nach Beweisen gesucht worden, sagte sie.
Letztendlich landete Cheng in einer Haftanstalt, die zu einem Netzwerk an Gefängnissen für Menschen gehört, die als Sicherheitsbedrohung gelten. Innerhalb des Systems sind Opfer häufig Verhören und Schlafentzug ausgesetzt. „Es soll einem das Gefühl geben, isoliert, gelangweilt, gequält und verzweifelt zu sein“, sagte sie.
Bücher, Sprachen und ein imaginärer Radiosender
Im letzten Monat dieser sechsmonatigen Isolationshaft durfte sie weder lesen noch schreiben und saß in ihrem kleinen Zimmer fest. 15 Minuten frische Luft am Tag bedeutete, dass ein Fenster oben im Zimmer 15 Minuten lang von einem Wachmann geöffnet wurde. Um sich die Zeit zu vertreiben, übersetzte sie im Kopf Gedichte und erfand einen Radiosender namens „Coffin FM“. „Coffin“ ist das englische Wort für „Sarg“. Das Ganze habe sich genau so angefühlt, meinte sie – als würde man sie „lebendig begraben“.
Nach einem halben Jahr wurde sie schließlich in ein separates Gefängnis verlegt, wo sie eine Zellengenossin hatte, mit der sie Kantonesisch sprechen konnte. In ihrer Zeit in Haft versuchte Cheng, sich selbst Italienisch, Spanisch und Japanisch beizubringen. Außerdem durfte sie Bücher lesen, die ihr Partner Nick ihr geschickt hatte. „Ich habe einen Vorrat von über 200 Büchern aufgebaut“, sagte sie. Bei jedem Buch habe sie gedacht: „Wow, das ist ein Buch, das Nick liebevoll für mich ausgewählt und in der Hand gehalten hat“, sagte sie.
Die Freuden des Alltags
Cheng sprach auch darüber, wie sie ihre Kinder und ihre Mutter am vergangenen Mittwoch zum ersten Mal wiedergesehen habe. Die wiedervereinte Familie aß in einem vietnamesischen Restaurant und Cheng verbrachte ihre erste Woche zu Hause damit, die Kinder zur Schule zu bringen und wieder abzuholen und sich wieder an das Leben daheim zu gewöhnen. Jedes Mal, wenn sie in den Himmel schaue, könne sie es kaum wahrhaben, meinte sie. Ein 360-Grad-Blick – im Gegensatz zu dem kleinen Loch oben in ihrer Zelle.
Die australische Journalistin war nach über drei Jahren Haftzeit in China vergangene Woche nach Australien zurückgekehrt. Australiens Außenministerin Penny Wong begrüßte die chinesisch-stämmige Frau am Flughafen in Melbourne. Der australische Premierminister Anthony Albanese hatte sich vergangene Woche zurückhaltend dazu geäußert, welche Rolle Canberra bei der Freilassung der Journalistin gespielt hatte. Er erwähnte rein, dass das Gerichtsverfahren gegen sie in China zum Abschluss gebracht worden sei und nannte sie „eine sehr starke und belastbare Person“.
Opfer einer Geiseldiplomatie?
In China war Cheng Lei lange ein bekanntes Gesicht gewesen. Zunächst war sie als China-Korrespondentin für den US-Sender CNBC tätig gewesen. Danach moderierte die Australierin bei CGTN, dem China Global Television Network, dem internationalen Ableger des chinesischen Staatsfernsehens, wo sie im August 2020 dann ohne Vorwarnung vom Bildschirm verschwand.
In den vergangenen Jahren war immer wieder in australischen Medien spekuliert worden, ob Cheng Lei ein Opfer der zeitweise extrem schlechten diplomatischen Beziehungen zwischen Australien und China geworden war. Diese erreichten einen Tiefpunkt, als der frühere australische Premierminister Scott Morrison im April 2020 eine internationale Untersuchung forderte, um die Ursprünge von Covid-19 herauszufinden. China reagierte auf diese Forderung und andere „Affronts“ von australischer Seite – wie die Kritik an chinesischen Menschenrechtsverletzungen oder den Ausschluss der Telekommunikationsfirma Huawei beim Aufbau eines 5G-Mobilfunknetzes – mit scharfen Handelsbarrieren.
Seit dem Regierungswechsel in Canberra vor über einem Jahr ist das eisige Verhältnis der Länder aber wieder aufgetaut. Mehrere australische Minister waren bereits zu Gast in China, Regierungschef Albanese wird gegen Ende des Jahres in Peking erwartet. Cheng Leis Freilassung ist zudem nicht die einzige „Goodwill-Aktion“ Pekings – auch mehrere Handelsbarrieren wurden inzwischen wieder aufgehoben.
De Maart
Dann hatte die Frau noch glueck dass sie in China im gefaengnis war.
Ihr landsmann Assange sitzt schon laenger in einem britischen kerker ohne urteil und eine freilassung zeichnet sich nicht ab.