Bei einem Messerangriff in einem Zug in England sind zehn Menschen verletzt worden – neun davon schwebten am Sonntagmorgen nach Angaben der Bahnpolizei noch in Lebensgefahr. Ein Passagier berichtete, er habe am Vorabend in dem Zug Richtung London einen Mann mit einem großen Messer und „überall Blut“ gesehen. „Zu diesem Zeitpunkt deutet nichts darauf hin, dass dies ein terroristischer Vorfall ist“, sagte der Chef der Bahnpolizei, John Loveless, am Sonntag.
„Rennt, rennt weg! Da ist ein Typ, der sticht auf alle ein!“, schrien Fahrgäste in dem Zug laut dem Bericht des Reisenden Olly Foster. Er habe zunächst an einen Halloween-Scherz gedacht, sagte er der BBC. Doch dann seien verschreckte Passagiere in seinen Waggon gerannt gekommen, überall sei Blut gewesen.
Er habe auch einen Fahrgast gesehen, der versuchte, ein kleines Mädchen vor dem Angreifer zu schützen, berichtete Foster weiter. Der ganze Vorfall habe nur einige Minuten gedauert – „Es hat sich aber angefühlt wie ewig.“
Keine Spekulationen
Der Angriff ereignete sich am Samstagabend auf der stark frequentierten Zugstrecke zwischen Doncaster in Nordengland und dem Londoner Bahnhof King’s Cross. Die von Insassen alarmierte Polizei stoppte den Zug am Bahnhof Huntingdon. Er habe gesehen, wie Polizisten auf dem Bahnsteig Taser einsetzten, um einen Mann mit einem großen Messer zu überwältigen, berichtete ein Fahrgast dem Sender Sky News.
Dutzende Rettungsfahrzeuge waren an dem Bahnhof von Huntingdon vor Ort. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP sah, wie Menschen in Rettungsdecken weggeführt wurden. Ermittler in weißen Schutzanzügen waren die ganze Nacht im Einsatz. Wegen des Angriffs stellte der Bahnbetreiber London North Eastern Railway (LNER) den Betrieb auf seinem gesamten Streckennetz vorerst ein.
„Wir führen derzeit intensive Ermittlungen durch, um den Hergang des Vorfalls zu klären“, erklärte der Präsident der Bahnpolizei, Chris Casey. Er rief zugleich die Bevölkerung dazu auf, nicht über die Ursachen des Vorfalls zu spekulieren. „Es kann einige Zeit dauern, bis wir etwas bestätigen können.“
Verdächtiger des versuchten Mordes beschuldigt
Die Polizei hatte zuvor zwei Männer im Zusammenhang mit dem Angriff festgenommen, bei ihnen handelt es sich um zwei Briten im Alter von 32 und 35 Jahren. Am Sonntagabend teilte die Bahnpolizei dann mit, der festgenommene 32-Jährige werde als einziger Verdächtiger eingestuft und bleibe wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Ein zunächst ebenfalls festgenommener 35-Jähriger wurde dagegen auf freien Fuß gesetzt.
Der mutmaßliche Angreifer ist nun formell beschuldigt worden. Dem 32-jährigen Anthony W. aus Peterborough werde versuchter Mord in zehn Fällen sowie Körperverletzung und der Besitz eines Messers vorgeworfen, teilte die britische Bahnpolizei am Montag mit. Im Zusammenhang mit einem anderen Vorfall in London am selben Tag wird ihm demnach ein weiterer Mordversuch zur Last gelegt.
Messer sind politisches Thema in Westminster
Der britische Premierminister Keir Starmer sprach von einem „entsetzlichen“ und „zutiefst beunruhigenden“ Vorfall. „Meine Gedanken sind bei allen Betroffenen und mein Dank gilt den Rettungsdiensten für ihren Einsatz“, erklärte er im Onlinedienst X. Nach Regierungsangaben hat die Messergewalt in England und Wales seit 2011 stetig zugenommen. Starmer sprach in diesem Zusammenhang bereits von einer „nationalen Krise“.
Im Rahmen der Bemühungen der Labour-Regierung, die Messerkriminalität binnen zehn Jahren zu halbieren, wurden in England und Wales nach jüngsten Angaben des Innenministeriums fast 60.000 Messer „beschlagnahmt oder abgegeben“. Das Tragen eines Messers in der Öffentlichkeit kann mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft werden. Die Zahl der tödlichen Messerangriffe ging nach Angaben der Regierung im vergangenen Jahr um 18 Prozent zurück.
Anfang Oktober hatte ein mit einem Messer bewaffneter Angreifer vor einer Synagoge in Manchester einen Mann getötet. Ein weiterer Mann wurde durch einen fehlgeleiteten Schuss der Polizei getötet. Die britischen Behörden stuften den Angriff als „terroristisch“ ein.
De Maart
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