Die Beine brennen für mehr als fünf Stunden wie Feuer, dünne Reifen rattern über teils katastrophale Straßen, feiner Staub setzt sich auf der Haut und in der Lunge fest. Was für die meisten Radsportler nach einer Tortur klingt, ist für Tadej Pogacar die Erfüllung eines lang gehegten Traumes. Am Sonntag geht der Weltmeister erstmals bei Paris-Roubaix an den Start – und will dort seinem (noch) unvollendeten Karriereweg einen weiteren großen Pflasterstein hinzufügen.
„Ich fahre nicht Rad, um mich zu langweilen. Ich will alle Facetten entdecken“, sagte Pogacar kürzlich mit Blick auf sein Debüt bei der Königin der Klassiker. Die Vorfreude auf das Rennen in Nordfrankreich sei riesig, stellte er klar.
Zufriedenheit ist für Pogacar offensichtlich ein Fremdwort. Sich auf den mächtigen Erfolgen der Vorsaison ausruhen? Die gefährlichen Eintagesrennen auf schmalen, schlechten Straßen meiden? Sich vorzeitig auf die Titelverteidigung bei der Tour de France konzentrieren? Keine Option für den Dominator des Radsports. Er will alles gewinnen.
Auf den Spuren von Merckx
Pogacar, das vergisst man gerne, ist erst 26 Jahre alt – die Statistiken, die der Slowene, den viele auf den Spuren des „Kannibalen“ Eddy Merckx wandeln sehen, in den vergangenen Jahren auf die Straßen gezaubert hat, sind aber schon jetzt legendär: Dreimal gewann Pogacar die Frankreich-Rundfahrt, im vergangenen Jahr erstmals auch den Giro d’Italia und den Titel des Straßenweltmeisters; er feierte 26 Etappensiege bei den Grand Tours und triumphierte bei drei der fünf Monumente, der wichtigsten Eintagesrennen.
Ein weiterer dieser Meilensteine soll nun also hinzukommen – mit dem 77. Tagessieg der Karriere. Die Verantwortlichen seines Teams UAE Emirates-XRG dürften Pogacars Rekordjagd in der „Hölle des Nordens“ allerdings mit Bauchschmerzen verfolgen. Gefährdet der Topverdiener doch seine weitere Saison – nicht zuletzt, weil Niederschläge am Sonntag für zusätzliches Chaos sorgen könnten.
Das Rennen mit mehr als 50 km Kopfsteinpflaster-Passagen, die sich bei Nässe in Schlammwüsten verwandeln, sei „sicherlich gefährlich“, räumte Pogacar ein. Aber: „Man muss immer Risiken eingehen. Wenn man mit Angst vor den möglichen Folgen in ein Rennen geht, lässt man zu viel Energie liegen.“
Im Duell mit Van der Poel
Energie, die Pogacar dringend benötigt. Der alleinige Topfavorit ist er ausnahmsweise mal nicht. Diese Rolle teilt er sich mit Mathieu van der Poel, dem Niederländer, der die vergangenen beiden Ausgaben des Rennens gewonnen hat.
Bei der Flandern-Rundfahrt am vergangenen Wochenende musste sich der 30-Jährige seinem Rivalen Pogacar zwar noch geschlagen geben, doch das weitgehend flache Profil bei Paris-Roubaix spielt van der Poel in die Karten. Neben ihm muss Pogacar auch den starken Ex-Weltmeister Mads Pedersen aus Dänemark und den belgischen Super-Allrounder Wout van Aert auf dem Zettel haben. Spannung, so viel lässt sich erahnen, ist auf der 259,2 km langen Hatz durch den französischen Frühling garantiert.
De Maart
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