Freitag7. November 2025

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Berliner DemoReichsflagge neben Regenbogenflagge – und „Hitler als Segen“

Berliner Demo / Reichsflagge neben Regenbogenflagge – und „Hitler als Segen“
Ein Teilnehmer hält vor der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen eine Reichsflagge vor dem Brandenburger Tor Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

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„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut“, ist am Samstag in Berlin immer wieder als Sprechchor zu hören. Bis zu 38.000 Menschen kommen am späten Nachmittag zu einer Kundgebung gegen die Corona-Politik an die Siegessäule. Es ist Teil zwei der Corona-Proteste an diesem Tag: Am Mittag hatten sich bereits etwa 18.000 Menschen zu einer Demonstration versammelt, die wegen nicht eingehaltener Mindestabstands gar nicht erst starten durfte.

Teil drei folgt am Abend: Rechtsextreme stürmen die Treppe des Reichstagsgebäudes, die Polizei setzt Pfefferspray ein, um sie wegzudrängen. Gewalttätige Auseinandersetzungen auch vor der russischen Botschaft Unter den Linden: Polizisten werden mit Steinen und Flaschen beworfen. Allein hier gibt es 200 Festnahmen, auch der für seine Verschwörungstheorien bekannte Vegan-Koch Attila Hildmann kommt in Gewahrsam.

Die Ausschreitungen am Abend bestätigen all diejenigen, die seit Wochen davor warnen, Seite an Seite mit Rechtsextremen zu demonstrieren. Jeder habe das Recht, über die Corona-Politik zu streiten und für seine Meinung zu demonstrieren, mahnt etwa Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Allerdings sollte dafür niemand „Rechtsextremen hinterherlaufen“ und andere einem Infektionsrisiko aussetzen.

Der Großteil der Menschen am Samstag in Berlin ist zwar wütend, hat aber mit Gewalt nichts im Sinn. Journalisten werden als „Lügenpresse“ beschimpft, Maskenträger harsch aufgefordert, den Mund-Nasen-Schutz abzulegen. „Schließt euch an“, skandieren die Demonstranten immer wieder in Richtung stoisch dreinblickender Polizisten.

Für Liebe und Freiheit? Wissenschaftler und Politiker werden gefangen und in gestreiften Hemdchen dargestellt
Für Liebe und Freiheit? Wissenschaftler und Politiker werden gefangen und in gestreiften Hemdchen dargestellt Michael Kappeler/dpa

Bereits am Vormittag versuchen die Veranstalter immer wieder, die Menge im Zaum zu halten. „Wir kommen in Frieden und wir sind gekommen, um zu bleiben“, ruft einer der Veranstalter in ein Mikrofon.

Gleichzeitig weigern sich viele Teilnehmer des Demonstrationszugs am Mittag hartnäckig, der Aufforderung der Polizei nach Auflösung nachzukommen. „Wenn wir gehen, sind wir schwach; wenn wir bleiben, sind wir stark“, sagt eine Ordnerin. Nach mehreren Stunden des Ausharrens verlassen dennoch tausende Menschen den Bereich – womöglich, um zur anschließenden Kundgebung an der Siegessäule zu gehen.

Einordnen lassen sich die Teilnehmer nur schwer. Sowohl Familien als auch betrunkene Männergruppen sind zu sehen. Viele positionieren sich eindeutig als Impfgegner und Anhänger von Verschwörungstheorien. Neben Deutschlandflaggen werden viele Reichsflaggen, aber auch unzählige Fahnen in Regenbogenfarben geschwungen. Auf einem Regenbogenplakat heißt es mit Bezug auf die Maskenpflicht: „Keine Maulkorbpflicht – gegen jede Art von Diskriminierung.“

29.08.2020, Berlin: Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen stehen auf der Straße des 17. Juni und um die Siegessäule.
29.08.2020, Berlin: Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen stehen auf der Straße des 17. Juni und um die Siegessäule.  Michael Kappeler/dpa

Am Mittwoch hatte die Versammlungsbehörde den Demonstrationszug und die Großkundgebung wegen des Infektionsschutzes verboten, Gerichte kippten die Verbote jedoch. „Man kann eine Demo nicht verbieten“, kritisiert eine Teilnehmerin den Berliner Senat. „Dann ist die Demokratie echt am Arsch.“

Nicht nur die Anhänger der Kundgebungsinitiative Querdenken 711 hatten das Gefühl, die Demo-Absage der Versammlungsbehörde komme einem Maulkorb gleich. Auch aus CDU und CSU kam massive Kritik an der Absage aus dem rot-rot-grün regierten Berlin.

Gleichzeitig behielten Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik recht, als sie sich um die Einhaltung des Mindestabstands sorgten – stundenlang standen erklärte Maskenverweigerer dicht an dicht, ohne dass die 3000 eingesetzten Polizisten eingriffen.

Erst am Freitag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bürger auf einen schwierigen Herbst und Winter eingestimmt, ein Ende der Corona-Einschränkungen ist weiter nicht absehbar. Es dürften daher nicht die letzten Proteste gegen die Corona-Politik der Regierung gewesen sein.