Dienstag21. Oktober 2025

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PolenRegierung paukt umstrittenes Mediengesetz durchs Parlament

Polen / Regierung paukt umstrittenes Mediengesetz durchs Parlament
Bereits im vergangenen August wurde in Polen gegen das auf den TV-Sender TVN zugeschnittene Gesetz demonstriert Foto: AFP/Archiv/Janek Skarzynski

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„Ich wünsche ruhige Weihnachten und ein gutes neues Jahr“, verabschiedete die rechtskonservative Parlamentspräsidentin Elzbieta Witek die Parlamentsreporter. Die Abgeordneten packten bereits ihre Sachen, als ihnen eine SMS aus heiterem Himmel eine kurzfristig anberaumte zusätzliche Sejm-Abstimmung ankündigte. Eine Novelle im Radio- und TV-Gesetz.

In einer typischen Hauruckaktion hat die rechtsnationale Regierungsmehrheit am frühen Freitagabend eine Gesetzesnovelle durch den Sejm, Polens große Kammer, geboxt, die die Medienfreiheit empfindlich beschneiden wird. Bei dem sogenannten „Anti-TVN“-Gesetz wird das Radio- und TV-Gesetz so modifiziert, dass ausgerechnet die amerikanischen Investoren des regierungskritischen Privatsenders TVN und TVN24 zum Verkauf ihrer Anteile gezwungen werden.

Das umstrittene Gesetz lag seit Monaten im Sejm auf Eis und wurde am Freitagabend plötzlich mit einer nur 24-minütigen Vorlaufzeit zur Abstimmung freigegeben. Die übliche Dreitagesfrist für zuvor im Senat, der kleinen Kammer, abgelehnte Gesetze wurde damit gebrochen. Die „Linke“ hat bereits eine Strafanzeige angekündigt, auf die die Staatsanwaltschaft indes kaum eingehen wird. Eine Diskussion über das von Schatzminister Marek Suski ausgearbeitete Gesetz konnte so nämlich nicht mehr stattfinden. Jaroslaw Kaczynskis Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit seinen mittlerweile drei rechten Mini-Koalitionspartnern gewann die Abstimmung mit 229 zu 212 Stimmen – bei elf Enthaltungen seitens der rechtsextremen Partei „Konföderation“. Die gesamte Opposition stimmte dagegen, darunter auch Kaczynskis kürzlich ausgeschiedener Vizepremier Jaroslaw Gowin von der rechtsliberalen Partei „Verständigung“.

Wir sind dagegen, dass nun auch Polen den Weg Ungarns und Russlands beschreitet

Komitee zur Verteidigung der Demokratie

Das Gesetz verbietet Firmen außerhalb der EU und des EWR Anteile von über 49 Prozent an Medienunternehmen. Es ist von Kaczynski-Intimus Suski ganz offensichtlich so konstruiert worden, dass es genau auf die regierungskritischen TV-Sender TVN und TVN24 zutrifft, die beide dem amerikanischen Discovery Chanel gehören. Dass die TVN-Tochterfirma in den Niederlanden gemeldet ist, hilft den US-Eigentümern nicht, denn auch an diese Eventualität hat Suski gedacht. Tritt das Gesetz in Kraft, muss Discovery 51 Prozent der Anteile an polnische Investoren verkaufen. Dabei könnte es sich um Staatsfirmen oder PiS-nahe Privatinvestoren handeln, vermutet die Opposition.

TVN wandte sich noch am Freitagabend mit einer Protestnote an die Regierung: „Im Sejm kam es zu einem bisher noch nie gesehenen Angriff auf die freien Medien“, heißt es in dem Schreiben, das auch darauf hinweist, dass damit auch die USA, Polens größter Verbündeter attackiert, und der Ruf Polens bei allen Investoren gefährdet werde. TVN hat eine Unterschriftensammlung gegen das Gesetz gestartet. Mit scharfen Worten reagierte auch der gegenwärtige „Chargé d’affaires“ der USA in Warschau, Bix Aliu. Washington erwarte nun das von Duda vorgängig versprochene Veto gegen das Gesetz, ließ die Botschaft wissen. Auch Brüssel zeigte sich sehr beunruhigt, dass es in Polen offenbar zu einem weiteren Demokratieabbau kommen solle. Man werde das Gesetz analysieren und nicht zögern, dagegen Schritte zu unternehmen, twitterte Justiz-Kommissarin Vera Jourova.

Präsident Duda hat es in der Hand

In Polen ist es derweil am Sonntag in Dutzenden von Städten zu Demonstrationen gegen das „Anti-TVN-Gesetz“ und zugunsten der Pressefreiheit gekommen. „Wir sind dagegen, dass nun auch Polen den Weg Ungarns und Russlands beschreitet“, schreibt das „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD) in ihrem Protestaufruf. Die nach einer internen Führungskrise wieder aktivere Bürgerbewegung KOD fordert Staatspräsident Andrzej Duda dazu auf, sein Veto gegen das Gesetz einzulegen.

In der Tat liegt die Zukunft dieses umstrittenen Gesetzes und damit verbunden des gesamten polnisch-amerikanischen Verhältnisses nun bei Duda. Dieser hat 21 Tage Zeit, das Gesetz mit seiner Unterschrift in Kraft zu setzen oder sein Veto dagegen zu ergreifen. Der formell parteilose, jedoch Kaczynski unterwürfige Staatspräsident, hatte im Sommer noch Zweifel an dem Gesetz geäußert, sich aber nach der Verabschiedung noch nicht zu Wort gemeldet. In Warschau geht das Gerücht, Duda fordere den Rücktritt des umstrittenen Staatsfernsehdirektors Jacek Kurski im Tausch gegen seine Unterschrift unter das „Anti-TVN-Gesetz“. Ein Ausweg für Duda wäre auch eine Weiterleitung an das Verfassungsgericht. Dieses seit 2016 nur noch von PiS-treuen Richtern besetzte höchste juristische Organ könnte ein Urteil immer wieder verschieben und dabei abwarten, wie die USA reagieren.