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EuropaRechtsextremismus ist im Südosten auf dem Vormarsch

Europa / Rechtsextremismus ist im Südosten auf dem Vormarsch
Der rechtsextreme und prorussische Gewinner des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen in Rumänien, Calin Georgescu, ist das jüngste Beispiel jener Politiker, die in Südosteuropa das politische Pendel nach rechts schwingen lassen Foto: AFP/Daniel Mihailescu

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Der Blitzaufsteig des rumänischen Nationalisten Calin Georgescu wirft ein Schlaglicht auf den Vormarsch des oft russophilen Rechtsextremismus im Südosten Europas. Ob Krawatten oder Springerstiefel: Einheitlich ist das Bild nicht, die Grenze zwischen extremistischen, Protest- und etablierten Parteien fließend.

Selbst viele Rumänen können den Ausgang der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen noch immer kaum fassen. „Wir wollen die EU, nicht den KGB“, lautet die ebenso verzweifelte wie ratlose Forderung eines selbstgemalten Protestbanners in Bukarest nach dem unerwarteten Etappensieg des russophilen Ultranationalisten Calin Georgescu.

Tatsächlich galt der größte Staat Südosteuropas bisher als relativ stabiler EU- und NATO-Pfeiler: Die Zustimmung für nationalistische und prorussische Heilsbringer schien – im Gegensatz zu den Nachbarstaaten Ungarn, Moldau, Serbien oder Bulgarien – im Karpatenstaat lange begrenzt.

Doch über ein Drittel der Stimmen für rechtsradikale Kandidaten und der Blitzaufstieg des schillernden TikTok-Triumphators Georgescu, der im Stimmenstreit selbst die Mondlandung leugnete, werfen ein grelles Schlaglicht auf den rechtsextremen Vormarsch im Südosten: Rechtsradikales und rechtsklerikales Gedankengut gewinnen an Einfluss – selbst in den etablierten Parteien, egal welcher Couleur.

Mit den kahlgeschorenen Neonazi-Garden bei den Gedenkaufmärschen für faschistische NS-Kollaborateure im bulgarischen Sofia oder ungarischen Budapest haben die neuen rechtsextremen Hoffnungsträger in Südosteuropa wenig gemein, auch wenn es gelegentlich Verbindungen gibt. Doch ob großserbisch oder großalbanisch, russophil oder moskauskeptisch, ob Krawatte oder Springerstiefel: In einer entwurzelten und von der endlosen Transformation, der Emigration und den Folgen der Jugoslawienkriege gebeutelten Region finden nationalistische Botschaften stets mehr Gehör.

Einheitlich ist das Bild allerdings keineswegs – und die Kontakte und Kooperation vor allem zwischen Nationalisten zerstrittener Nachbarn wie zwischen Bulgarien und Nordmazedonien, Ungarn und Rumänien oder Serbien und Kroatien begrenzt. Doch grenzüberschreitend gemeinsam ist ihnen die Verharmlosung oder Beweihräucherung heimischer Kriegsverbrecher, der autoritäre Hang zum starken Mann, die Dämonisierung von Migranten, die Sehnsucht nach einer Revision der nationalen Grenzen, die Ablehnung von Homo-Ehen und Abtreibung, die Distanzierung von vermeintlich westlicher Dekadenz und Werten sowie die Verklärung des autoritär geprägten Ostens.

Außerparlamentarische Hilfs- und Schlägertruppen

Gleichzeitig drängen nationalistische Seelen- und Stimmenfänger immer stärker an die Schalthebel der Macht. In Ungarn teilt der rechtspopulistische Premier Viktor Orban schon seit 2010 die Karten aus. Seine Fidesz hat die rechtsextreme Jobbik-Konkurrenz längst rechts überholt – und ihr das Wasser abgegraben. Die 2018 von Jobbik abgesplitterte „Hazank Mozgalom“ hat nie die frühere Bedeutung von Jobbik erlangt – und muss sich von anderen Oppositionsparteien den Vorwurf gefallen lassen, Orbans heimlicher Steigbügelhalter zu sein.

Seit 2012 hat im benachbarten Serbien die nationalpopulistische SNS des allgewaltigen Präsidenten Aleksandar Vucic das Sagen. Neonazi-Garden wie die „Nationale Patrouille“, aber auch mit den Geheimdiensten und Drogenclans eng verbandelte Hooligangruppen dienen den Belgrader Machthabern einerseits als außerparlamentarische Hilfs- und Schlägertruppen. Andererseits können sie sich mithilfe der Extremistenkonkurrenz als „moderate“ Kraft profilieren.

Ähnlich wie nun sein rumänischer Epigone Georgescu hatte der bulgarische Rechtsextremist Wolen Siderow schon bei den Präsidentschaftswahlen 2006 über ein Viertel der Stimmen eingefahren. Zwar ist der Stern seiner „Ataka“-Partei verblasst, dafür der der prorussischen „Wiedergeburt“ aufgegangen, die bei den letzten Wahlen über 14 Prozent der Stimmen einfuhr: Neben Ungarn gilt Bulgarien in der EU für xenophobe Parolen als besonders empfänglich.

Von 2017 bis 2021 saß das rechtsextreme Wahlbündnis „Vereinigte Patrioten“ (OB) als Juniorpartner der rechten GERB-Partei gar mit an Bulgariens Regierungstisch – mit fatalen Folgen: Bulgariens von den Ultranationalisten 2020 forciertes Veto gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien bremst noch immer den EU-Erweiterungsprozess.

Russischer Einfluss in rechtsextremen Kreisen

Ist der russische Einfluss in rechtsextremen Kreisen in Bulgarien, Serbien, Montenegro oder Nordmazedonien auffällig stark, spielt er bei großalbanischen Nationalisten oder bei Kroatiens oft auch religiös geprägten Rechtsauslegern kaum eine Rolle. Einige der ultranationalistischen Parteien in Kroatien wie die inzwischen am Kabinettstisch sitzende „Heimatländische Bewegung“ (DP) entstammen dem Dunstkreis und rechten Flügel der konservativen HDZ.

Zwar gilt Kroatiens Regierungspartei keineswegs als rechtspopulistisch oder rechtsextrem. Doch das HDZ-Bemühen, auch den rechten Rand in ihren Reihen zu „inkorporieren“ und so zu eliminieren, zeigt nur mäßigen Erfolg. Die Verherrlichung des faschistischen Ustascha-Regimes scheint nicht nur bei Fußballspielen und Rockkonzerten zur nationalen Politfolklore mutiert. Rechtsklerikale Bewegungen ziehen gegen die Gleichberechtigung der Frau, Abtreibungen und Homo-Ehen zu Felde. Gleichzeitig mehren sich im Adriastaat rassistisch motivierte Attacken gegen asiatische Arbeitsimmigranten.

Doch es sind vor allem die neuen Hilfsmittel zur Verbreitung ihrer Botschaften, die rechtsextremen Populisten im Südosten vermehrten Zulauf bescheren. Die Rumänen hätten keineswegs so massiv für Georgescu gestimmt, weil sie sich mit dessen ihnen oft völlig unbekannten Wahlprogramm identifizierten, schreibt die Zeitung Adevarul. Doch TikTok sei überzeugender als jedes Programm: „Sie haben ihn einfach reden gehört – und gewählt. Soziale Medien überzeugen schnell und ohne Tiefe. Die Oberflächlichkeit von TikTok ist der neue Trend.“

fraulein smilla
28. November 2024 - 18.26

Koennen die "Guten" nicht mit TikTok ,Instragram und Co ,oder sind sie sich zu vornehm ,zu schade ? Ist es nicht ihr Niveau ,dann ist ihnen eben nicht zu helfen .Wer liest denn heute noch Wahlprogrammer .?