Silvio Berlusconi im Präsidentensessel? Noch vor geraumer Zeit hätte eine solche These nur ein Lächeln, besser: ein Grinsen ins Gesicht gezaubert. Doch in der aktuellen Situation wird ein solches Szenario immer glaubwürdiger und das Lächeln kann einem erfrieren.
Der Ex-Cavaliere arbeitet seit langem an einer Rückkehr auf das politische Parkett – die Präsidentschaft des Landes zu übernehmen wäre der größte Coup Berlusconis. Angefeuert werden solche Ideen von den Führern der rechtspopulistischen Parteien Lega und Fratelli d’Italia, Matteo Salvini und Georgia Meloni. Die Idee hinter solchen Kandidatenvorschlägen sind eigene Ambitionen, politische Macht in Italien an führender Position ausüben zu wollen. Dass der vielfache Regierungschef und Medienmogul Silvio Berlusconi – sicherlich auch geschmeichelt – an diesen Machtspielen teilhaben will, verwundert niemand. Der Kaiman, wie er im gleichnamigen Spielfilm von Nanni Moretti aus dem Jahre 2006 charakterisiert wurde, hat in der Vergangenheit einen untrüglichen Machtsinn und genügend Skrupellosigkeit bewiesen, sich dem Rennen um die Präsidentschaft und den Sitz im Quirinalspalast zu stellen.
Draghi unter Druck
Allein mit einer vagen Ankündigung, ihre Parteien könnten eine Kandidatur Berlusconis auf das Präsidentenamt unterstützen, setzen Salvini und Meloni den amtierenden Regierungschef Mario Draghi unter Druck. Der ehemalige EZB-Chef will vor allem eines – die strengen Auflagen der Europäischen Union durchsetzen, die an die Verwendung der 200 Milliarden Euro Fördermittel aus dem Corona-Fonds bewilligt wurden. Hinzu kommen weitere 750 Milliarden Euro, die bis 2026 als zinsgünstige Kredite gewährt werden sollen.
Draghi steht nun vor der Wahl: Bleibt er Regierungschef bis zum Ende der Legislaturperiode, so kann er zumindest den Einsatz der Mittel aus den Corona-Fonds steuern. Lässt er sich im Januar zum Staatspräsidenten wählen, so hätte er bei einer Amtszeit von sieben Jahren auch weit über den Kreditzeitraum bis 2026 Kontrolloptionen.
Denn die Rolle des Staatspräsidenten beschränkt sich in Italien nicht nur auf repräsentative Aufgaben. Im Falle eines unruhigen Staatszustandes – wechselnde Regierungen, unzureichende parlamentarische Mehrheiten – bekommt der Präsident weitreichende Kompetenzen. So kann er das Parlament auflösen, einen neuen Regierungschef benennen oder auch eine technische Regierung einsetzen. So geschehen am Ende der Berlusconi-Ära, als der damalige Staatspräsident Giorgio Napolitano den Mailänder Wirtschaftsprofessor Mario Monti zum Chef eines technischen Kabinetts ernannte.
Risiko Präsidentenwahl
Sergio Mattarellas Amtszeit endet am kommenden 2. Februar, bislang hat der Präsident eine zweite Kandidatur ausgeschlossen. In jedem Falle werden Ende Januar das Parlament und die Delegierten aus den Regionen zur gemeinsamen Sitzung zusammentreten, um das neue Staatsoberhaupt zu wählen, 1.008 Delegierte sind zur Stimmabgabe gerufen. Sollte ein Präsident oder eine Präsidentin bereits im ersten Urnengang gewählt werden, würden dafür 673 Stimmen benötigt, in den weiteren Wahldurchgängen reichte eine einfache Mehrheit von 505 Stimmen der Delegierten.
Derzeit ist die Lage so, dass keines der beiden klassischen Lager – Mitte-links oder Mitte-rechts – über eine Mehrheit der Mandate verfügte, allerdings sind die eventuell Berlusconi unterstützenden Parteien mit derzeit 441 Stimmen nicht aussichtslos. Wie so häufig bei Urnengängen entscheiden die Unentschlossenen – oder auch die Überläufer.
So hat sich der Chef von Italia Viva, Matteo Renzi, nach seinem dramatischen Rückzug aus dem sozialdemokratischen Partito Democratico deutlich nach rechts entwickelt. Sollten sich Renzi und seine Anhänger sowie etliche der autonomen Wähler für einen Mitte-rechts-Präsidentschaftskandidaten entscheiden, wüchsen die Chancen für Silvio Berlusconi deutlich. Der Ex-Cavaliere könnte sich dann nicht nur einen weiteren Polittraum erfüllen, sondern wäre dank seiner dann in Kraft tretenden Immunität auch aller noch anhängenden Gerichtsverfahren wie die endlosen Ruby-Prozesse ledig.
Die Postfaschisten lauern
Umfragen zufolge wird Mario Draghi derzeit als aussichtsreichster Kandidat gehandelt, gefolgt von Berlusconi und der Senatorin Liliana Segre. Des Weiteren sind auch der Pd-Politiker Dario Franceschini sowie der Zentrumsvertreter Pierferdinando Casini im Gespräch.
Fraglich bleibt, wie sich bei einer Wahl Draghis zum Präsidenten die Lage der aktuellen Regierung entwickelt. Bislang hält der Premier die Vielparteienkoalition – in die er fast alle im Parlament vertretenen Gruppierungen eingebunden hat – mit recht strenger Hand zusammen. Ob dies einem von Draghis installierten Nachfolger gelänge, ist eher fraglich. Pd-Chef Enrico Letta hat bereits angekündigt, dass im Falle einer Wahl Draghis zum Staatsoberhaupt bereits am kommenden Tag die Regierung platzen könnte und Neuwahlen unvermeidlich wären. Dies könnte bei derzeitigen Umfrageergebnissen dann zum Triumph der rechten Parteien, möglicherweise sogar unter Führung der postfaschistischen Fratelli d’Italia reichen. Ob Berlusconi als Präsident oder die extrem Rechten an der Regierung, für Italien könnten unruhige Zeiten ins Haus stehen.
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