EditorialRauchzeichen aus Esch

Editorial / Rauchzeichen aus Esch
Protest der Obdachlosen im Dezember letzten Jahres Foto: Editpress/Alain Rischard

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Darf man Menschen verbieten, Bedürftigen zu helfen? In Esch geht es momentan um die Hoheit in der Sozialhilfe. Am Dienstag hatten die Verantwortlichen der Gemeinde der privaten Hilfsorganisation „Street Angels“ die Genehmigung zur Essensvergabe an Obdachlose verweigert. Der offizielle Grund: Die Gratis-Verteilung würde die Bemühungen der Stadt in der Sozialhilfe konterkarieren, sie hätte zudem keinen pädagogischen Ansatz. Außerdem könnten von ihr auch Nicht-Bedürftige profitieren. 

Dabei könnten, mutmaßen Oppositionspolitiker im Escher Gemeinderat, auch andere Motive hinter der Weigerung der Stadt Esch stehen. Da ist zum Beispiel das Bettelverbot in der Hauptstadt. In Esch hätte man Angst davor, noch verstärkter zur Anlaufstation der Ärmsten unter den Ärmsten zu werden, als das in den letzten Jahren ohnehin der Fall war. Man fühlt sich auch von den größeren Nachbargemeinden im Süden im Stich gelassen, die sich mit der Schaffung von Betreuungseinrichtungen schwertun, sich also ihrer Verantwortung entziehen und das Problem damit bewusst nach Esch verlagern. Den „Street Angels“ keine Genehmigung zu erteilen, ist in diesem Sinne auch ein Zeichen an die Obdachlosen, genau wie die in letzter Zeit verstärkte Räumung ihrer Schlafplätze durch die Polizei. Ein Zeichen, bloß nicht auf die Idee zu kommen, jetzt in Esch nach Hilfe zu suchen.

Man kann von den „Street Angels“ halten, was man will, letztendlich handelt es sich um Privatleute, die sich für Menschen in prekärer Lage einsetzen. Daran ist nichts falsch, im Gegenteil. Dass sie keine pädagogische Arbeit leisten, ebenfalls ein Grund für die Ablehnung durch die Escher Gemeindeverantwortlichen, spielt keine Rolle. Sie verteilen Essen und Hilfsgüter an Bedürftige. Hätte Esch in den vergangenen sechs Jahren schon die Anstrengungen im Sozial- und Wohnungsbereich unternommen, die man jetzt unternehmen will, dann wären die „Street Angels“ vielleicht überflüssig. Unter Bürgermeister Georges Mischo (CSV) und dem Schöffen Pim Knaff (DP) ging es eher in Richtung Gentrifizierung von Esch. Mit anderen Worten: Raus mit der Armut. 

Das allerdings passt nicht zu Esch. Sagt auch der aktuelle Bürgermeister Christian Weis, selbst ein ausgebildeter Sozialarbeiter und dem Gewerkschaftsflügel der CSV zugehörig. Als er den zu Ministerehren gekommenen Mischo auf dem Bürgermeisterstuhl ersetzte, keimte Hoffnung auf einen Kurswechsel auf. Der wurde tatsächlich eingeleitet, momentan werden die Sozialdienste der Stadt neu aufgestellt. Am kommenden Freitag wird der Neubau des Obdachlosen-Foyers Abrisud, der sechs Jahre von der schwarz-grün-blauen Mehrheit im Escher Rathaus auf die lange Bank geschoben wurde, endlich vorgestellt.    

Man kann also nicht behaupten, dass keine Anstrengungen unternommen würden. Auf der anderen Seite sind die Zeichen, die die Gemeinde momentan aussendet, alles andere als sozial. Die Reorganisation des Streetworks und der Essensausgabe der „Stëmm vun der Strooss“ hatte bereits im Dezember zu einer Obdachlosen-Demonstration geführt. Mit der verweigerten Genehmigung für die „Street Angels“ ist nun ein neuer Höhepunkt erreicht. Zumal das Argument, die Falschen, also nicht wirklich Bedürftige, könnten vom kostenlosen Essen profitieren, hanebüchen ist. 

Unter dem Strich bleibt, dass der Wind im Land unter der CSV/DP-Regierung rauer wird. Inwieweit Esch mit dem frisch gebackenen CSV-Vizepräsidenten Christian Weis eigene Wege gehen kann, muss sich noch zeigen. Sicher dagegen ist, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Armut und damit das Hilfsbedürfnis wachsen wird.