GlosseRätselhafter „B.1.1.6.0“: Horrorvirus, made in Luxembourg

Glosse / Rätselhafter „B.1.1.6.0“: Horrorvirus, made in Luxembourg
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Einen Tag lang zitterte unser Nachbarland: Wütet eine brandgefährliche Luxemburger Virenvariante etwa im beschaulichen Ostdeutschland? Wie tödlich ist die neue Spielart? Trägt die Bild-Zeitung etwa zu seiner Verbreitung bei? Das Tageblatt klärt auf. 

Ja, auch beim Tageblatt ist am Donnerstagabend die Agenturmeldung von der „norwegisch-luxemburgischen-Variante“ des Coronavirus eingetrudelt. Angeblich wurde diese – Schreck lass nach – im deutschen Halle an der Saale entdeckt. Die Meldung versprühte eine nicht zu unterschätzende Dramatik: „Eine fachliche Einschätzung der norwegisch-luxemburgischen-Variante, die laut Ministerium die Bezeichnung B 1.1.6.0 hat, liege noch nicht vor“, heißt es da etwa. Oder: „Ob der Krankheitsverlauf schwerer ist als bei anderen Varianten, sei nicht bekannt.“ Die Bild-Zeitung und das Magazin Focus setzten dann noch einen drauf und zitieren den Oberbürgermeister von Halle mit den Worten: „Diese Virusvariante gilt als schneller ansteckend als andere.“

Oh je – wird jetzt bald die ganze Welt vom schlimmen „Luxemburg-Virus“ reden? Werden wir jetzt durchs Dorf gejagt wie die armen Briten? „B.1.1.6.0“ stellte auch das Großherzogtum am Freitag auf den Kopf. Das Luxemburger Nationallabor veröffentlichte eine Pressemitteilung, RTL nahm „Santé“-Chef Jean-Claude Schmit in die Mangel, die Pressestellen der Behörden antworteten plötzlich innerhalb eines Tages. 

 Screenshot: Bild.de

Punkte und Zahlen

Eins vorab: Wir haben die Nachricht nicht vermeldet, weil wir sie von Anfang an als unwahr eingestuft haben. Aber alle hochverdiente Selbstbeweihräucherung mal beiseite: Es ist ja nicht so einfach mit den Viren und ihren Varianten. Das wird einem spätestens dann klar, wenn man ohne Doktortitel in Molekularbiologie die Seite „Nextstrain“ aufruft. Die Agenturmeldung zum Luxemburger Horror-Virus erschien aber trotzdem in gewisser Weise suspekt. Wie jeder Hobbyvirologe weiß, ist die schnöde alte Normalo-Coronavariante, die (derzeit noch) in Luxemburg am meisten zirkuliert, jene mit der Bezeichnung „B.1.160“. Die in Halle entdeckte Spielart wurde in der Meldung als „B.1.1.6.0“ bezeichnet. Ist da etwa jemand mit den Punkten durcheinandergekommen?

Diese Punkte machen nämlich einen gewissen Unterschied. So hört die derzeit gefürchtete britische Variante auf den Namen „B.1.1.7“. Es gibt aber auch die Variante „B.1.1.17“. Und eine Variante „B.1.1.170“ schwirrt ebenfalls durch die Welt. Und darüber hinaus auch die Variante „B.1.1.117“, die Variante „B.1.177“ und die Variante „B.1.1.77“ und die Variante „B.1.1.71“. Gefährlicher ist aber eben – trotz möglicherweise weniger Einsen und Siebenen – nur „B.1.1.7“. Die hat die Punkte an der richtigen und die Mutationen an der falschen Stelle.

Schuld an dem ganzen Zahlen-Buchstaben-Punkte-Salat ist der Forscher Andrew Rambaut – auch ein Brite übrigens! Rambaut hat sich die Bezeichnungen im vergangenen Jahr gemeinsam mit Kollegen ausgedacht. Er verfolgte ein löbliches Ziel, was angesichts der ganzen Verwirrung jetzt doch etwas komisch erscheint: Ordnung in den pandemischen Informations-Overkill bringen. „Die anhaltende pandemische Ausbreitung von SARS-CoV-2 hat zur Generierung von Zehntausenden von Virusgenomsequenzen geführt“, schrieb Rambaut im Paper zu seiner neuen Nomenklatur. Die Sequenzierungsrate sei „beispiellos“, was ja nicht schlecht sei. Aber es gebe eben „kein kohärentes oder akzeptiertes Schema zur Benennung der expandierenden phylogenetischen Vielfalt von SARS-CoV-2.“ 

1.000 unterschiedliche Varianten

Rambaut schlug ein System vor, bei dem die Coronavirus-Hauptlinien mit einem Buchstaben beginnen. Da es zum Zeitpunkt der Erstellung seines Papers zwei Hauptlinien gab, nannte er die einfach A und B. Die Wurzel der Pandemie liegt in der Linie A. Aber auch die Virenline B ist bereits in China entstanden. Inzwischen gibt es laut dem Online-Projekt „Pango Lineages“, das die unterschiedlichen Varianten sammelt, fast 1.000 unterschiedliche A- und B-Untervirenlinien.

Und – aufgepasst – einige von denen werden tatsächlich als „Luxemburger Linien“ bezeichnet. „B.1.12“ zum Beispiel. Oder „B.1.94“. Oder „B.1.109“. Oder „B.1.211“ und „B.1.258.20“. Und „B.1.1.15“ nicht zu vergessen. Nur „B.1.160“ (der mit den Punkten an der richtigen Stelle) ist leider keine exklusive Luxemburger Erfindung. Die Variante gibt’s auch in Dänemark, der Schweiz, Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Laut Pango ist sie eine „Large European lineage“, die spätestens seit September munter im Großherzogtum kursiert. Die Variante ist hier die meistverbreitete – und hat erst vor ein paar Wochen unliebsame Konkurrenz von dem Kollegen von der Insel bekommen. Und die ominöse Variante „B.1.1.6.0“? Die gibt’s überhaupt nicht. Immerhin: Ein naher Verwandter, „B.1.1.6“, hat offenbar einmal in Texas kurz in ein Sequenziergerät gelugt – und verschwand dann wieder im Äther. 

Wie uns die Nachrichtenagentur am Freitagnachmittag erklärte, hat es in Sachen Punkte wohl tatsächlich ein Kommunikationsproblem gegeben. Denn offenbar verirrte sich selbst die von den Journalisten befragte Amtsärztin im Virenwirrwar. Am Freitagabend – und das passiert nicht so oft – schickte die Agentur sogar eine Korrektur über den Ticker. „In der Überschrift, im Leadsatz und im letzten Absatz wurde die Bezeichnung ‚norwegisch-luxemburgisch’ entfernt. Die Bezeichnung B 1.1.6.0 wurde durchgängig in B 1.160 berichtigt.“ Das war’s dann mit dem Horrorvirus aus Luxemburg. 

Aber vielleicht kann der eine oder andere Leser jetzt nachvollziehen, warum in den Medien immer wieder die etwas diskriminierende Bezeichnung „britische Variante“ aufpoppt. Die ist wesentlich unkomplizierter als eine Reihe von Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen. Umgekehrt sollten wir uns ja doch alle etwas Sorgen machen. Denn offenbar zittert die Welt vor „norwegisch-luxemburgischen“ Kombinationen. 

de Schéifermisch
6. Februar 2021 - 17.35

Wer hätte je gedacht, dass das kleine Grossherzogtum, dem grossen Nachbarn jenseits Sauer und Mosel soviel Angst bereiten würde?

Till Eule vor dem Spiegel.
6. Februar 2021 - 11.18

Was man verschweigt, diese Variante wurde in geheimen Laboratorien in Luxemburg gezüchtet und unser „Monsieur Merde Alors “ hat sie heimlich bei den Talkshows im Lande von Bild und co verteilt. Revanche für die Grenzschliessung und Gängelung. Aber beruhigen sie sich , lieber deutscher Freund, diese Corona Virus Variante ist weder tödlich, noch ansteckender, was bisher nicht publik, enthält dieses luxemburgische Virus eine weit schlimmere, gefährlichere Eigenart.Eine Eigenart die sich dem deutschen Willen der Grenzschliessung , Bevormundung widersetzt und den deutschen Infizierten zwingt zum Frisörbesuch , Shoppen in Luxemburg.