Donnerstag18. Dezember 2025

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NachrufPunkrock am Kalzong: „Wenn es mehr Menschen wie Pascal vu Wooltz gäbe, wäre die Welt eine bessere“

Nachruf / Punkrock am Kalzong: „Wenn es mehr Menschen wie Pascal vu Wooltz gäbe, wäre die Welt eine bessere“
De Pascal vu Wooltz, Punk, Säufer, Antifaschist, hier 2024 im Dreamland Creative Space, an dessen Aufbau er mitbeteiligt war Foto: Caroline Martin

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Punk’s not dead. Und das, obwohl Punk schon tausendmal gestorben ist. Zuletzt am 13. Juli, kurz vor elf Uhr nachts auf der A7. Da rannte ein Geisterfahrer in Punk rein. In einen Punk. De Pascal vu Wooltz.

In Nachrufen verklärt man Tote gerne zu den Besten, den Größten, zu Helden, die sie nie waren. Dieses Aufblasen zur Überlebensgröße erinnert oft an eine Art Leichenfleddern: Man erschafft zunächst kollektiv einen Nachruhm, von dem man sich dann ein Stück abschneidet, denn wenn der Tote ein Jemand war, een Dichtegen, dann ist man automatisch auch jemand, weil man ihn kannte, weil er einem mal einen Verstärker ausgeliehen oder ein Bier ausgegeben hat. „Ich finde einige dieser Beileidsbekundungen heuchlerisch“, sagt ein Freund von ihm. „Ich frage mich, ob diese Leute, die ihn jetzt betrauern, ihn auch ernst genommen haben, als er noch lebte. Pascal würde vermutlich der Hälfte dieser Leute sagen, sie sollten sich ficken.“

Egal, ob Bühne oder „Dëppefest“

Pascal und Caroline Martin
Pascal und Caroline Martin Foto: Caroline Martin

Aber Pascal hatte viele Freunde. Er war jemand, mit dem man einfach und gerne befreundet war, hauptsächlich, weil er gerne lachte, trank und feierte. Und weil er stets zur Stelle war, wenn man Hilfe brauchte. Die wichtigen Dinge im Leben halt, das, worauf es ganz am Ende ankommt. Vielleicht kommt die Anteilnahme auch daher: Hier ist jemand gestorben, der bis zum Ende ein Guter war, der seinen Traum durchgezogen hat und dabei nie zum Arschloch mutiert ist – etwas, was auch in Luxemburg Künstlern zusehends schwerfällt, weil man beim Kampf um die Staatsknete die Ellbogen ausfährt, um jetzt diese Förderung von kultur:lx zu erhalten oder bei jenem Kulturzentrum eine Residenz zu ergattern.

Pascal wirkte in seinem Auftreten wie ein Fossil aus der Zeit, als viele Millennials angefangen haben, auf Konzerte zu gehen. Das war Mitte der 2000er, das Food for your Senses hieß noch Rock de Stéier und fand im Keller der Grundschule in Tüntingen statt, Defdump war der heißeste Scheiß und Pascal hatte gerade Weakonstruction gegründet, das damals noch rebellux hieß. In den 2000ern war in Luxemburg noch ziemlich viel DIY auf der Bühne, die viel zitierte „Professionalisierung“ hieß damals, dass am Mischpult jemand saß, der weniger als ein Promille intus hatte. Diesen DIY-Spirit hat Pascal nie aufgegeben, er stellte sich nur mit Gitarre und Schottenrock, häufig oben ohne, nicht selten auch nur in Unterhose, auf kleine und größere Bühnen, half auch immer wieder auf „Dëppefester“, wenn in Sachen Bühnentechnik Not am Mann war, sang sich die Akustik-Punk-Seele aus dem Leib. 

Mit den Bandkollegen von Weakonstruction
Mit den Bandkollegen von Weakonstruction Foto: privat

Und das nicht unbedingt sehr gut. Auch das gehört zur Wahrheit. „Er war einer meiner Lieblingsmusiker“, sagt Jacques Rasic, Produzent unter dem Namen StA und Besitzer der MK Bar in Belval. „Aber nicht, weil er der beste Musiker war.“ Er spielte immer die gleichen Songs, kannte nur wenige Akkorde – und auch das sei nicht einfach gewesen – gesanglich war sicherlich noch Luft nach oben. Doch darum ging es Pascal nicht. Er war eher ein Entertainer, kein Topmusiker, sagen seine nahen Freunde. „Es ging ihm mehr um Unterhaltung als um sonst etwas“, sagt Rasic. „Aber auch mehr um Punk und politische Messages.“

Rum und ein Schlafplatz

Jacques Rasic (StA) und Pascal
Jacques Rasic (StA) und Pascal Foto: Jacques Rasic

Weil Pascal zeigte, dass es nicht die sauberste Produktion, das raffinierte Songwriting oder die musikalische Perfektion waren, mit denen man Menschen begeistert. Damit begeistert man Tontechniker, Songwriter, andere Musiker – und Musikjournalisten. Die meisten Menschen wollen aber bei Musik Spaß haben. Und dazu braucht man vor allem jemanden auf der Bühne, der mit Leidenschaft und Spaß den letzten schiefen Ton aus seiner Gitarre foltert und dabei aus vollem Hals ins Mikrofon brüllt. Am besten im Schießer-Feinripp. Die Gage? Eine Flasche Rum und einen Schlafplatz.

„Dafür nahm er auch 300 Kilometer auf sich“, sagt Weakonstruction-Bassist Luc Hourscht. Die Band sollte dieses Jahr 20. Jubiläum feiern. Ohne einen, der von Anfang an dabei war. Gut 600 Konzerte soll er gehabt haben, einige führten sogar nach Kanada. „Geld war ihm immer egal.“ Ein bisschen neidisch sei er auch darauf, gibt Jacques Rasic zu, dass der „Wooltzer“ so viele T-Shirts verkaufen konnte. „Er konnte verkaufen bis zum Ende.“

Das viel rezitierte „Scheiß darauf, was andere von dir halten“-Mantra lebte Pascal. „Er begegnete Menschen offen, konnte auf sie zugehen, völlig wertfrei und mit Respekt“ – und die, die er erreichen konnte, zogen mit. Der Rest? Regte sich auf, weil „der Fettsack da mal was anziehen soll“. 

Eine sehr komplexe Persönlichkeit sei er gewesen, sagt Caroline Martin, Fotografin und eine enge Freundin von Pascal. „Er konnte einem auch so richtig auf die Nerven gehen und mal etwas in den falschen Hals bekommen.“ Doch gleichzeitig: „Er war einer der gutherzigsten Menschen überhaupt. Wenn man Hilfe brauchte, war er der Erste, der half. Er hat sich oft beschwert, aber es dann doch gemacht.“ Eine Persönlichkeit mit starkem Charakter, starken Meinungen und einem Lachen, das man von weitem hörte und unvergessen bleibt. Oder, wie Luc Hourscht sagt: „Er hat die Scheiße bis zum Schluss durchgezogen.“

Und natürlich hat er gesoffen. „Nach 11 Uhr spiele ich nicht mehr“, soll er immer gesagt haben. „Da bin ich zu betrunken.“ Dass jemand, der so gerne dem Bier zusprach wie er, jemand, der seine Liebe zum Suff in seinen Songs besang, der T-Shirts mit Slogans wie „Every cocktail is beautiful“ oder „Ech hu gedronk mam Pascal vu Wooltz“ verkaufte, von einem betrunkenen Geisterfahrer totgefahren wurde, kann man getrost als bitterste Ironie des Schicksals verbuchen.

Antifaschist für immer

Aber Pascal auf einen hilfreichen, gut gelaunten Säufer mit Gitarre zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht. Pascal hatte Haltung. „Er kam mit jedem klar“, sagt Jacques Rasic, „außer mit Faschisten.“ Sehr aktiv war er in der deutschen Grenzregion, vielleicht, weil er dort seine Message besser rüberbringen konnte. Die Szene in Rheinland-Pfalz kannte ihn als Antifaschisten, seinen letzten Auftritt hatte er beim Festival „Kein Bock auf Nazis“ in Kusel. „Er hat nie viel Aufhebens darum gemacht, aber die halbe Welt kannte ihn“, sagt Marc Scheer von Cooperations Wiltz. „Oft komme ich, gerade in Deutschland, in irgendeine Bar und finde heraus, dass Pascal hier schon gespielt hat.“ Und natürlich reden wir hier von linken Bars.

   
    Foto: Bastian Drumm

Mit Bastian Drumm, Sozialarbeiter und Aktivist aus Kusel, und dessen Frau Melanie war er Teil des Organisationsteams von „Kein Bock auf Nazis“, trat häufig im Anschluss an dessen Vorträge auf. Sie waren oft gemeinsam unterwegs, um sich gegen Rechtsextremismus starkzumachen, bei Demos, Vorträgen, Filmabenden, allen möglichen Veranstaltungen. Am 13. September ist ein Gedenkkonzert in Kusel, mit unter anderem der befreundeten Band Freidenkeralarm aus Trier, vorgesehen, später eines in Luxemburg-Stadt, am 9. August eine Veranstaltung in Wiltz und auch in Saarbrücken laufen Planungen.

   
    Foto: Luc Hourscht

Der letzte Idealist

Rund 15 Personen wollen sich das ikonische Pascal-Logo, das auch in St. Pauli auf Straßenlaternen und in Kneipentoiletten klebt, tätowieren lassen. „Ich sage das mal ganz direkt: Wenn es mehr Menschen wie Pascal gäbe, wäre die Welt eine bessere“, sagt Basti. Marc Scheer erinnert sich: „Er war der letzte Idealist, der noch in die Richtung aktiv war. Wir haben beide mit 15 angefangen, DIY-Konzerte zu organisieren. Und er hat nie damit aufgehört.“

Jetzt ist Pascal tot und alle reden von ihm. Der Tod ging wie ein Ruck durch die Luxemburger Musikszene. Aber wenn es eine Art gibt, wie man Pascal vu Wooltz seine Ehre erweisen kann, dann vermutlich, indem man anpackt. Indem man sein Mischpult und seine Anlage in Kneipen und auf Dorffeste schleppt, indem man Flyer selbst druckt und ausschneidet, indem man statt eines großen Konzertes vor der Luxexpo zehn Konzerte von Luxemburger Bands in der MK Bar, im Liquid, auf einem Parkplatz oder einer Kuhwiese bei Wiltz besucht. Und natürlich, indem man sich nach den Konzerten nicht besoffen hinter das Steuer setzt, sondern den fucking Bus oder die Bahn nach Hause nimmt. Oder einen Fahrer findet, der halt mal auf Alkohol verzichtet. Wir brauchen wirklich nicht noch mehr von Säufern totgefahrene Leute, ob sie nun Musiker sind oder nicht.