Noch nicht im Amt sieht sich Kroatiens künftiger Chefankläger bereits selbst einer Klage ausgesetzt. Wegen des „Verstoßes gegen den Richterkodex“ hat Kroatiens Strafgerichtshof am Mittwoch beim zuständigen Richterrat offiziell Dienstbeschwerde gegen den erst in der Vorwoche im Parlament zum neuen Generalstaatsanwalt gewählten Ivan Turudic eingelegt. Der Grund: Der bisherige Richter hat öffentlich zugegeben, sich mit dem wegen Steuerhinterziehung verurteilten und nach Bosnien abgesetzten Fußball-Tycoon Zdravko Mamic getroffen zu haben.
Nicht nur die Bande von Turudic zu dem zu 6,5 Jahren Haft verurteilten Justizflüchtling, sondern auch seine engen Kontakte zu der unter Korruptionsverdacht stehenden Ex-Staatssekretärin Josipa Pleslic sorgten bereits vor seiner Kür für heftige Kontroversen. Es war der konservative Premier Andrej Plenkovic (HDZ), der die Wahl des parteinahen Juristen in der letzten Woche gegen alle Widerstände und Zweifel im Parlament durchgeboxt hat.
Über den „letzten Nagel, der in den Sarg der Justiz geschlagen“ worden sei, klagt Pedja Grbin, der Chef der oppositionellen Sozialdemokraten (SDP): Doch Kroatien sei ein „demokratisches Land“, das nicht dem „Pfad“ von Serbiens autoritären Präsidenten Aleksandar Vucic folgen dürfe.
Der von der HDZ abhängige Turudic sei ein „Lügner“ und „Liebling der Unterwelt“, poltert gar der linkspopulistische Staatschef Zoran Milanovic. Doch der Premier wolle mit dessen Hilfe „die Tatsachen vertuschen“, die zu seiner strafrechtlichen Verfolgung führen könnten: „Wenn Plenkovic glaubt, dass die Wahl von Turudic zu den Akten gelegt ist, hat er sich getäuscht.“
Konservative HDZ ist erneut Favorit
Von einem „Versuch, der Regierung politischen Schaden zuzufügen“, spricht hingegen HDZ-Chef Plenkovic, der sich von den Protesten, trotz der in diesem Jahr anstehenden Parlaments-, Europa- und Präsidentschaftswahlen, nicht sonderlich beeindruckt zeigt: Es gebe „keinerlei Zweifel“ an der Unabhängigkeit von Turudic, dessen Wahl völlig „transparent“ gewesen sei.
Zumindest bei der noch nicht terminierten, aber zwischen Mai und September erwarteten Parlamentswahl geht die HDZ erneut als Favorit ins Rennen. Die „politische Ernennung“ von Turudic werde der HDZ und Plenkovic zwar „Schaden zufügen“ und einen „verbrannten Rechtsstaat“ zurücklassen, ist die frühere HDZ-Regierungschefin Jadranka Kosor überzeugt „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Kroatiens Öffentlichkeit ein kurzes Gedächtnis hat.“
Die Empörung über den nach acht Amtsjahren stets selbstherrlicher agierenden HDZ-Premier hat jedoch zumindest die zersplitterte Opposition teil- und zeitweise geeint: Von der alternativen „Mozemo“ bis zur SDP rufen insgesamt acht linksliberale Parteien am Samstag zur Großdemonstration gegen Turudic und seinen Schutzherrn Plenkovic vor dem Regierungssitz in Zagreb auf.
Bündelung der linken Oppositionskräfte möglich
Mit dem gemeinsamen „Kukuriku“-Bündnis hatten Kroatiens linksliberale Kräfte zum letzten Mal 2011 eine Parlamentswahl gewonnen. Doch trotz der gemeinsamen Kritik an den Orban-ähnlichen Anwandlungen des Premiers bei seiner versuchten Justizkontrolle halten Beobachter in Zagreb eine Neuauflage des damaligen Bündnisses – zumindest bisher – für eher unwahrscheinlich.
Kroatiens Linke ist erheblich stärker fragmentiert als damals: Vor allem die Rivalität zwischen der SDP und „Mozemo“ ist groß. Zwar hat „Mozemo“ bereits angekündigt, alleine in die Wahl ziehen zu wollen. Doch laut SDP-Vizechefin Jana Borzan hat der Fall Turudic „die Umstände geändert“. Noch sei es für Schlussfolgerungen „zu früh“: „Aber die Karten werden neu gemischt.“
Tatsächlich könnte der Demonstrationsschaulauf zu Beginn des Superwahljahrs zur Initialzündung für eine Bündelung der linken Oppositionskräfte werden, aber sich bei schwachem Zulauf auch als zweischneidiges Schwert entpuppen. Die Initiatoren der Demonstration hätten auch die rechte Opposition zur Teilnahme aufrufen sollen, glaubt Kosor: Sollte die Zahl der Demonstranten unter den Erwartungen bleiben, „werden alle im Regen stehen“.
De Maart
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