Sonntag16. November 2025

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AustralienPremierminister Scott Morrison hat sich mit Lügen ein wenig schmeichelhaftes Image erworben

Australien / Premierminister Scott Morrison hat sich mit Lügen ein wenig schmeichelhaftes Image erworben
Mitte Juni dieses Jahres war die Welt zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron (r.) und dem australischen Premierminister Scott Morrison bei dessen Besuch in Paris noch in Ordnung Foto: AFP/Thomas Samson

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Emmanuel Macron hat Australiens Regierungschef offen der Lüge bezichtigt. Damit hat der französische Präsident eine wunde Stelle getroffen: Denn das Lügen-Etikett haftet Scott Morrison bereits seit Längerem an und wird inzwischen zu einem immer größeren Problem für den Politiker.

Am Rande des G20-Gipfels in Rom Ende Oktober bezichtigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den australischen Premierminister Scott Morrison im Gespräch mit Journalisten der Lüge. Bei dem höchst ungewöhnlichen Austausch ging es um den geplatzten U-Boot-Vertrag zwischen Paris und Canberra, der Mitte September zu einem Eklat zwischen den beiden Staaten geführt hat. Auf die Frage eines Journalisten, ob Macron denke, Morrison habe ihn angelogen, indem er Australiens geheimen Dialog mit Großbritannien und den USA über den Erwerb von Atom-U-Booten nicht preisgegeben habe, antwortete Macron direkt. „Ich glaube es nicht, ich weiß es.“

Damit hat der französische Präsident sprichwörtlich in ein Wespennest gestochen. Denn das „Lügen-Etikett“ haftet Morrison bereits seit Längerem an. In dem im November erschienenen Buch „The Game: A Portrait of Scott Morrison“ heißt es in der Synopsis bereits, dass Politik für Morrison zum Spiel geworden sei – und zwar eines, das er unbedingt gewinnen wolle. Dass es der Premier dabei häufiger nicht so genau mit der Wahrheit nimmt, zeigt der Autor und Kolumnist Sean Kelly an gleich mehreren Beispielen auf.

Unterschiedliche Auslegung oder Lüge?

2012 beispielsweise – Jahre bevor Morrison an der Spitze der australischen Regierung war – stellte er die Behauptung auf, Asylbewerber würden Krankheiten wie Typhus nach Australien bringen. Kurz darauf kam dann das Dementi, dass er nie etwas über ein derartiges Risiko gesagt habe. 2018 hielt er an der Aussage fest, dass die Ureinwohner im sogenannten „Uluru-Statement“, in dem sich die indigene Bevölkerung eine Stimme im Parlament wünschte, eine dritte Parlamentskammer gefordert hätten.

Ebenfalls inkorrekt war Morrisons Aussage im November 2020, dass Australien „an der Spitze der Warteschlange“ für Covid-19-Impfstoffe stehe. Stattdessen startete die Impfkampagne in Australien deutlich später als in den USA oder Europa und hatte mit etlichen Stolpersteinen zu kämpfen, bevor sie über den Winter auf der Südhalbkugel dann doch noch an Fahrt aufnahm.

Oh, er hat mich bei vielen Gelegenheiten angelogen. Scott hatte schon immer den Ruf, Lügen zu erzählen.

Malcolm Turnbull, australischer Ex-Premierminister

Macron und Kelly sind dabei nicht die einzigen prominenten Stimmen, die Morrison der Lüge bezichtigen. Auch Malcolm Turnbull – seines Zeichens australischer Ex-Premierminister und ein liberalkonservativer Politiker wie Morrison – berichtete vor Kurzem, wie Morrison ihn wiederholt angelogen habe. „Oh, er hat mich bei vielen Gelegenheiten angelogen“, meinte Turnbull im Gespräch mit Reportern. „Scott hatte schon immer den Ruf, Lügen zu erzählen.“

Damit spielt der Politiker zugleich der sozialdemokratischen Opposition in die Hände, die Morrison schon seit langem Lügnereien vorwirft. Inzwischen sprechen die australischen Medien die Thematik sogar offen an: So fragte ein Radiomoderator Morrison in einem Interview vor Kurzem direkt, ob er im öffentlichen Leben je gelogen habe. Daraufhin antwortete der Premierminister: „Ich glaube nicht.“ Die kurze Antwort machte in den australischen Medien die Runde, doch Morrisons Glaubwürdigkeit half sie nicht wirklich, wie kurz danach eine Meinungsumfrage zeigte, die in der Tageszeitung The Australian veröffentlicht wurde. Dabei lag nicht nur die derzeitige Oppositionspartei – die Labor-Partei – vor der derzeitigen Regierungskoalition, 52 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass sie mit Morrison selbst unzufrieden seien.

Lügen könnten den Wahlsieg kosten

Laut der Kommunikationsexpertin Parnell Palme McGuinness haftet das Lügen-Etikett dem Politiker, der vor seiner politischen Karriere im Marketing gearbeitet hat, nun an. Könne Morrison dieses nicht wieder abwerfen, bestehe die Gefahr, dass der Premierminister die nächste Wahl Anfang 2022 verliere, betonte sie im Interview mit Sky News Australia, einem Rupert-Murdoch-Sender, der der Partei Morrisons eigentlich wohlgesonnen ist. „Ich glaube, dass die Australier kein Problem damit gehabt hätten, dass der Premierminister sich wegen der U-Boote mit den Franzosen angelegt hat, doch das Lügen-Etikett ist etwas, mit dem er eine Weile zu kämpfen haben wird“, meinte die Expertin. Letzteres bestätigte auch Tony Mitchelmore von Visibility Consulting, einem Kampagnenstrategie- und Kommunikationsunternehmen. Wenn er bisher unentschiedene Wähler in Fokusgruppen über Scott Morrison befrage, würden diese inzwischen immer häufiger das Wort „Lügner“ verwenden, sagte Mitchelmore der australischen Tageszeitung Sydney Morning Herald.

Die derzeitige Lügendiskussion ruft bei vielen Australiern zudem unangenehme Erinnerungen hervor: Denn viele hatten schon bei anderen Anlässen an der moralischen Integrität und der Zuverlässigkeit ihres Regierungschefs gezweifelt. So flog er einst während der Buschfeuerkrise 2019/20 nach Hawaii in den Urlaub und scherzte, er müsse ja „keinen Löschschlauch halten“, während große Teile seines Landes in Flammen standen und über 30 Menschen ihr Leben verloren. Ein anderes Mal – als mehrere sexuelle Missbrauchsfälle das australische Parlament erschütterten – nahm er die Rolle des „passiven Zuschauers“ ein. Solch ein Verhalten sei „sehr gefährlich für einen Premierminister“, kommentierte die politische Redakteurin des Guardian Australia, Katharine Murphy, damals im Interview mit der BBC. „Denn die Botschaft, die an die Frauen in Australien gesendet wird, lautet: ,Ich höre nicht zu – ich nehme das nicht ernst.‘“

Die aktuelle Lügendebatte setzt hier nun erneut an und kratzt weiter kräftig am Image des Politikers. Nicht umsonst fragte Denis Muller, ein Kommunikationsexperte der Universität von Melbourne, in einem aktuellen Aufsatz im akademischen Magazin The Conversation: „Erwirbt Morrison den Ruf, nicht vertrauenswürdig zu sein?“

Jeff
23. November 2021 - 20.37

Huet dann net all Land säin Scott ??

Lilly
23. November 2021 - 16.10

As jo net den Eenzegen