Sonntag2. November 2025

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Vom CEO zum „Brückenbauer“Premier Luc Frieden gibt dem politischen Druck nach – und nimmt den Sozialdialog wieder auf

Vom CEO zum „Brückenbauer“ / Premier Luc Frieden gibt dem politischen Druck nach – und nimmt den Sozialdialog wieder auf
CSV-Premier Luc Frieden mit DP-Wirtschaftsminister Lex Delles und CSV-Arbeitsminister Georges Mischo am Donnerstagvormittag vor seiner Erklärung im Parlament Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Nach der Kehrtwende der CSV-DP-Regierung bei den Kollektivverträgen am Mittwoch inszenierte sich CSV-Premier Luc Frieden am Donnerstag im Parlament als „Brückenbauer“, der den Sozialdialog zwischen zerstrittenen Sozialpartnern wiederhergestellt habe. Dabei hatte die Regierung monatelang zur Eskalation der Auseinandersetzung beigetragen.

Nicht nur die Abgeordneten der Oppositionsparteien LSAP, Grüne und Linke fragten sich am Donnerstagvormittag im Parlament, ob der seit Oktober in Luxemburg schwelende Sozialkonflikt wirklich nötig war. Gegipfelt hatte er am 28. Juni in einer nationalen Demonstration mit (je nach Quelle) 14.000 bis 25.000 Teilnehmern, die gegen die Politik der CSV-DP-Regierung protestierten. Vorläufig beendet wurde er in der Nacht zum Donnerstag gegen 2 Uhr, als CSV-Premier Luc Frieden nach elf Stunden andauernder, harter und heftiger Verhandlungen im Rahmen einer von ihm als „Versammlung“ kleingeredeten „Tripartite“ im Staatsministerium verkündete, er habe den Sozialpartnern mitgeteilt, dass die Regierung nicht daran denke, das Gesetz über die Kollektivverträge zu ändern. Dass CSV und DP auch weiterhin „d’exklusiivt Verhandlungsrecht vun de Gewerkschafte bei de Kollektivverträg a bei den Accords d’Entreprisen“ anerkennen.

Weil die Regierung ihnen dieses Exklusivrecht absprechen wollte, hatten OGBL und LCGB vor fast genau neun Monaten eine Sitzung des ständigen Beschäftigungsausschusses CPTE verlassen, sich zu einer inzwischen formalisierten Gewerkschaftsfront zusammengeschlossen und das CPTE gewissermaßen boykottiert. In den Folgemonaten hatten sowohl CSV-Arbeitsminister Georges Mischo als auch der Premier selbst immer wieder zweideutige Aussagen zu diesem Exklusivrecht getätigt. Es den Gewerkschaften zwar zugestanden, jedoch unter der Bedingung, dass nicht alle der 13 im Gesetz von 2004 vorgesehenen Punkte von Gewerkschaften verhandelt werden sollten – dass die Regierung den sogenannten „neutralen“ Personaldelegierten stärker Rechnung tragen wolle und etwa die Arbeitszeitregelung in den Betrieben künftig auch ohne Gewerkschaften in Betriebsvereinbarungen verhandelt werden könne. Diese „Reformen“ sind laut Frieden nun endgültig vom Tisch.

„Hir Meenung“

UEL-Präsident Michel Reckinger hofft weiterhin auf ein „Gesamtpackage“
UEL-Präsident Michel Reckinger hofft weiterhin auf ein „Gesamtpackage“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

UEL-Präsident Michel Reckinger, der vor einigen Wochen noch auf einer Pressekonferenz behauptet hatte, dass die Regelung der Arbeitszeitorganisation in Betriebsvereinbarungen ohne Beteiligung der Gewerkschaften die luxemburgische Wirtschaft stärken würde, wollte den Worten des früheren Handelskammerpräsidenten Luc Frieden Donnerstagnacht noch nicht richtig Glauben schenken. Er hoffe, dass man bei der für kommenden Montagnachmittag angesetzten zweiten Verhandlungsrunde doch noch „iergendwou hannen eraus“ komme, meinte Reckinger. Friedens Ankündigung, die Regierung werde das Kollektivvertragsgesetz nicht im Sinne des Patronats abändern, tat Reckinger als „hir Meenung“ ab und zeigte sich zuversichtlich, dass man am Montag doch noch ein „Gesamtpackage“ beschließen werde, das auch gewerkschaftsfreien Betrieben (wie seinem) erlaubt, längere und flexiblere Arbeitszeiten, die über die arbeitsrechtlichen Bestimmungen hinausgehen, ohne Beteiligung der Gewerkschaften zu beschließen.

Et si keng Flitterwochen, mee d’Hochzäit ass jo ënnerschriwwe ginn Enn November 2023

Xavier Bettel, DP-Vizepremier und Außenminister

Reckinger wirkte enttäuscht darüber, dass Frieden, der die Forderungen der UEL zwar etwas vage formuliert, doch fast bruchlos im Koalitionsabkommen der CSV-DP-Regierung übernommen hatte, nun dem Druck der Gewerkschaften nachgegeben hat. Umso mehr der CSV-Premier und sein Arbeitsminister monatelang die Hoffnung des Patronats genährt hatten, es könne endlich Vergeltung geben für die politische Niederlage, die die Unternehmer 2016 mit Nicolas Schmits (LSAP) Reform des PAN-Gesetzes zur Arbeitszeitorganisation einstecken mussten.

Premier Luc Frieden mit den Verhandlungsdelegationen von LCGB und OGBL vor der nicht Tripartite genannten Versammlung am Mittwoch im Staatsministerium
Premier Luc Frieden mit den Verhandlungsdelegationen von LCGB und OGBL vor der nicht Tripartite genannten Versammlung am Mittwoch im Staatsministerium Foto: Editpress/Hervé Montaigu

„Mir si frou doriwwer, dass mer dee Blocage haut iwwerwanne konnten“, sagte Frieden am frühen Donnerstagmorgen im Staatsministerium. Rund acht Stunden später inszenierte er sich in seiner von den Grünen beantragten Erklärung in der Abgeordnetenkammer als Bettelscher „Brückenbauer“, der die untereinander zerstrittenen Sozialpartner wieder zusammengeführt und zurück an den Verhandlungstisch gebracht habe (Frieden hatte die Rolle des Brückenbauers zuletzt im Wahlkampf und bei den Koalitionsverhandlungen für sich beansprucht). Dass der Premier und der Arbeitsminister an diesem Streit zwischen Gewerkschaften und Patronat eine erhebliche Mitschuld tragen, daran erinnerten Frieden am Donnerstag vor allem LSAP, Grüne, Linke und Piraten. Der frühere sozialistische Arbeitsminister Georges Engel warf der Regierung vor, mit ihrer Kakophonie und ihrem ständigen Hin und Her in arbeitsrechtlichen Fragen und bei der Rentenreform „Chaos gestiftet“ zu haben. Grünen-Sprecherin Sam Tanson sagte, die nationale Krise, in der Luxemburg sich neben der internationalen, geopolitischen zusätzlich befinde, sei von der Regierung „hausgemacht“, deshalb könne der Premier ruhig von Tripartite reden, statt von „Versammlung“. Sven Clement von den Piraten bezeichnete die Ereignisse der letzten Monate als Krise der Demokratie und der Linke Marc Baum warf dem „patronatsnahen“ Premier vor, ohne Handlungszwang Klassenkampf betrieben und das Existenzrecht der Gewerkschaften infrage gestellt zu haben.

„Mat Respekt“

Den „Blocage“ überwunden hatte Luc Frieden tatsächlich weniger aus Empathie oder Mitgefühl für die „schaffend Leit“, sondern weil der politische Druck auf ihn in den vergangenen Wochen massiv gestiegen war: erfolgreiche „Nationalmanif“ der Gewerkschaften, schlechte persönliche Umfragewerte, Unzufriedenheit in der eigenen Partei und beim Koalitionspartner mit dem politischen Kurs, den er als selbsterklärter CEO der Regierung auferlegt hatte. Vizepremier Xavier Bettel sagte nach der Tripartite am Mittwoch auf Nachfrage von Journalisten: „Et si keng Flitterwochen, mee d’Hochzäit ass jo ënnerschriwwe ginn Enn November 2023.“ Entscheidungen würden zusammen getroffen, so Bettel. CSV-Fraktionspräsident Marc Spautz, der sich in den letzten Monaten wiederholt der Regierung öffentlich widersetzt und vergangene Woche Unterstützung vom Bettemburger CSV-„Député-maire“ Laurent Zeimet erhalten hatte, begrüßte am Donnerstag im Parlament zwar die bei der Tripartite vom Mittwoch gefundene Einigung, warnte aber im Hinblick auf weitere Verhandlungen: „D’Majoritéit kann decidéieren, mee de soziale Fridde kann een net einfach vun uewen erof dekretéieren.“ Auch der DP-Fraktionsvorsitzende Gilles Baum bekannte sich unmissverständlich zum Sozialdialog und mahnte, nun gelte es, am Montag weiterzuverhandeln und „mat Respekt a Verantwortung“ Entscheidungen zu treffen, „déi d’Leit weiderbréngen“.

D’Majoritéit kann decidéieren, mee de soziale Fridde kann een net einfach vun uewen erof dekretéieren

Marc Spautz, CSV-Fraktionspräsident

Tatsächlich ist das Zugeständnis der Regierung an die Gewerkschaften zu den Kollektivverträgen nur ein erster Schritt, der weitere Verhandlungen erst ermöglicht. Angesichts der „schlëmmsten Attack op de Sozialmodell an op d’Gewerkschaften zu Lëtzebuerg zanter dem Enn vum Zweete Weltkrich“ (dixit Patrick Dury) kann Friedens Bekenntnis zwar als Punktsieg für die Gewerkschaften gedeutet werden, doch es täuscht nicht darüber hinweg, dass in vielen wichtigen Angelegenheiten am Mittwoch noch keine Beschlüsse gefasst wurden. Die Rentenreform wurde bei der Tripartite erst nach Mitternacht angesprochen. Vorschläge lägen auf dem Tisch, hieß es Donnerstagnacht übereinstimmend. Doch verhandelt wird voraussichtlich erst am Montag, wenn die Versammlung in die zweite Runde geht. Dann soll auch die CGFP stärker eingebunden werden, die angesichts der Themenwahl am Mittwoch etwas außen vor geblieben war. 

Arbeitsrechtliche Streitthemen wie die gesetzliche Arbeitszeitorganisation mit ihren Referenzperioden und Arbeitsorganisationsplänen sollen gemeinsam mit der Sonntagsarbeit und den Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel im ständigen Beschäftigungsausschuss CPTE diskutiert werden. Was für den bislang politisch ungeschickt agierenden und nicht mit Sachkompetenz glänzenden Arbeitsminister Mischo schwierig werden dürfte, weil diese Themen eng mit dem Kollektivvertragsgesetz zusammenhängen, das bekanntlich am Anfang des rezenten Sozialkonflikts stand. Umso mehr es François Biltgen war, der 2004 als letzter CSV-Arbeitsminister die Liste der in Kollektivverträgen obligatorisch zu behandelnden Themen unter anderem um die Arbeitszeitorganisation erweiterte.

Albert
11. Juli 2025 - 15.13

Von wegen Brückenbauer. Leute wie Frieden, Mischo und Reckinger um nur 3 zu nennen wollen keineswegs Brücken bauen. Nur SIE wissen und können alles besser.

Fonck Pierrette
11. Juli 2025 - 12.31

Ech verstinn net wei eis Regierung daat zouleisst dass den Herr Frieden sech sou beheld sollen drun denken dass se Vun den Wieler gewiekt sie gin een Trauerspill

JUNG LUC
11. Juli 2025 - 10.45

Der soziale Frieden wurde seit langem nicht so angegriffen. Bei den nächsten Wahlen werde ich mich daran erinnern.

JJ
10. Juli 2025 - 21.32

Jongen a Meedercher
dir sëtzt opp äre Still well MIR iech dohin gesaat hunn
Also...

Reinertz Barriera Manfred
10. Juli 2025 - 20.18

In Anbetracht der Wirtschaftslage ist es vernünftig wieder sozialen Frieden her zu stellen im Länd'schen und das CEO Gehabe endlich fallen zu lassen...