„Das ukrainische Stachelschwein stärken“Premier Johnson profiliert sich als bester Freund von Präsident Selenskyj

„Das ukrainische Stachelschwein stärken“ / Premier Johnson profiliert sich als bester Freund von Präsident Selenskyj
Boris Johnson Anfang März bei einem Besuch von NATO-Truppen in Estland Foto: AFP/Leon Neal

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

In London schwärmt der britische Premier Johnson von seinem „brillanten“ Freund Selenskyj, mit dem er längst per Du ist. Derweil sind die ersten Strafbefehle wegen Covid-Partys eingetroffen.

„Besti“ nennen Engländer ihren derzeit besten Freund. Premierminister Boris Johnson hat seit einigen Wochen einen neuen Besti: Wolodymyr Selenskyj. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass sich das Paar über die neuen Entwicklungen im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine austauscht. Und weil dies ein eminent politischer Besti ist, erfährt brühwarm die Londoner Presse von den stets freundlich verlaufenden Telefonaten.

Nachzulesen war in den Medien auch schon, dass der britische Regierungschef einen Überraschungstrip nach Kiew erwäge, um seinem Besti auch persönlich den Rücken zu stärken. Sicherheitsbedenken dürften, jedenfalls bisher, überwogen haben, jedenfalls ist es zuletzt still geworden um den Plan, es den Regierungskollegen von Polen, Tschechien und Slowenien nachzutun.

Kiew erwidert die Komplimente

Einstweilen schwärmt Johnson in London von seinem „brillanten“ Freund, mit dem er längst per Du ist. „Wolodymyr“ besitze geradezu „Churchill’sche Fähigkeiten“ dazu, sein Volk gegen den Invasoren zu mobilisieren – solcherlei Vergleich mit dem britischen Kriegspremier Winston Churchill (1874-1965) gilt auf der Insel als höchstes Kompliment. Natürlich diskutiere er mit dem Ukrainer auch über diplomatische Lösungen. Aber vorrangig für den Westen sei militärische Hilfe, erläuterte Johnson der BBC mit einem seiner farbigen Vergleiche: „Wir müssen die Stacheln des ukrainischen Stachelschweins stärken.“

Die schönen Komplimente werden aus Kiew erwidert. Johnson gebe anderen westlichen Staaten „ein Beispiel“, hat Selenskyj den besuchenden Journalisten des Magazins Economist gesagt. Bestätigt wird der Angegriffene vom Aggressor. In Moskau gelte der Engländer als „eifrigster Teilnehmer im Rennen der Anti-Russen“, hat Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zu Protokoll gegeben. Unsinn, heißt es dazu in London: „Wir sind aktiv gegen Putin, aber in keiner Weise anti-russisch.“

God save the Queen

Der Ruf ukrainischer Infanteristen, wenn sie britische Panzerabwehrwaffen abfeuern

Wahr ist: Das Königreich warnte schon früh vor der russischen Invasion und schickte – unter Umgehung des deutschen Luftraums – Defensivwaffen in die Ukraine, als Deutschland und Frankreich noch mit Abwiegelei beschäftigt waren. „God save the Queen“, rufen ukrainische Infanteristen, wenn sie britische Panzerabwehrwaffen abfeuern. Demnächst sollen sie zusätzlich Boden-Luft-Raketen vom Typ Starstreak erhalten.

Die Hilfe von der Brexit-Insel beschränkt sich nicht auf Militärisches. Dem ukrainischen Staatshaushalt hat London 100 Millionen Dollar zugeschossen. Außenministerin Liz Truss hat eine Lieferung von dringend benötigtem Trockenobst, Konserven und Trinkwasser für belagerte Städte auf den Weg gebracht. Hingegen hinkt die inkompetente Innenministerin Priti Patel bei der Flüchtlingshilfe hinterher. Als einziges Land in Europa beharrt Großbritannien auf einem Visum für Ukrainer. 150.000 Bürger haben Kriegsflüchtlingen Wohnraum angeboten, 20.000 konnten das komplizierte Genehmigungsverfahren online bewältigen. Aber erst 2.000 Visa wurden bewilligt.

Ähnlich zögerlich agierten die Konservativen zunächst bei der Verhängung von Sanktionen gegen jene russischen Oligarchen, die der Hauptstadt den wenig schmeichelhaften Beinamen „Londongrad“ eingebracht haben. Und auf peinliche Weise lächerlich machte sich Johnson mit einer Parteitagsrede, bei der er den Ukraine-Krieg mit dem britischen EU-Austritt verglich. „Bitte, Herr Johnson, keine solchen Vergleiche“, mahnte Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko im britischen Fernsehen.

Die politische Szene in London hat wenig Zweifel daran, dass Johnsons Umarmungsstrategie gegenüber der Ukraine und ihrem Präsidenten auch sachfremde Motive hat. Bis die russische Invasion zur Tatsache wurde, schien die Position des Konservativen gefährdet durch immer neue Enthüllungen der Lockdown-Partys in der Downing Street. Am Dienstag erließ die Kriminalpolizei 20 Strafbefehle gegen Beteiligte, und prompt erneuerte die Opposition ihre Rücktrittsforderungen an den Premierminister. Johnson war – einstweilen? – nicht betroffen, wie ein Sprecher erleichtert mitteilte.

Durch Vorlage seines Terminkalenders und Gesprächsnotizen hat er dem Vernehmen nach den Eindruck zu erwecken versucht, seine Teilnahme an den illegalen Events sei sporadisch gewesen und habe der Aufrechterhaltung eines guten Arbeitsklimas während der Pandemie gedient.

Eigene Interessen, aber auch viel Einsatz

Selenskyj ist klug genug zu wissen, dass sein Londoner Besti eigene Interessen verfolgt. Großbritannien gehöre, so die Analyse des Kiewers, zu jenen NATO-Staaten, die eindeutig auf seiner Seite stehen und Russlands Niederlage anstreben. Ob die Briten dafür einen langen Krieg in Kauf und wenig Rücksicht auf ukrainische Menschenleben nehmen? Das könne er noch nicht sagen, hat der Präsident dem Economist gesagt.

Dennoch scheint ihm das Vorgehen Johnsons und seiner Regierung lieber zu sein als die Äußerungen und – mangelnden – Taten vergleichbar großer Europäer. Die Franzosen hätten „Angst vor Russland“, Deutschland lasse sich von wirtschaftlichen Interessen leiten und verfolge eine Balancepolitik. Beides findet Selenskyj begreiflicherweise falsch.

Lana
30. März 2022 - 12.12

Er muss ja nach Estland fahren um einen Panzer-Foto-Op zu organisieren, die englischen Panzer stehen ja alle in deutschen Hallen eingemottet, seine Partei hat die englischen Hallen und das Gelände schon vor Jahren an einen Russen verhökert.

W.D.
30. März 2022 - 6.52

Zwei Schauspielerkollegen unter sich; ein Komödiant und ein Laienschauspieler mit einer wirren Rolle (natürlich auf die Frisur bezogen :-) ). Also: Bitte RUHE AM SET, KLAPPE und ACTION!