Dienstag28. Oktober 2025

Demaart De Maart

ItalienPremier Conte tritt zurück, um an der Macht zu bleiben

Italien / Premier Conte tritt zurück, um an der Macht zu bleiben
Mittags war es offiziell: Conte hatte nach einem halbstündigen Gespräch mit Staatspräsident Mattarella den Rücktritt seiner Regierung erklärt Foto: AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Trotz überstandener Vertrauensfrage fehlen Conte die parlamentarischen Mehrheiten. Am Dienstag reichte der Regierungschef bei Staatspräsident Mattarella seinen Rücktritt ein. Trotzdem könnte es eine dritte Conte-Administration geben.

Am Dienstagvormittag hatte Giuseppe Conte den Ministerrat einberufen, um seine Rücktrittsintention bekannt zu geben. Die Vertreter der in der Koalition vertretenen Parteien – Justizminister Alfonso Bonafede für M5S, Kulturminister Dario Franceschini für Pd und Gesundheitsminister Roberto Speranza für LeU – versicherten dem Premier ihre weitere Zusammenarbeit.

Anfangs der vergangenen Woche konnte die Regierung in beiden Kammern des Parlaments die Vertrauensfrage für sich entscheiden, doch um Gesetzesvorlagen durchbringen zu können, fehlen der Koalition die Stimmen der zurückgetretenen Abgeordneten von Italia Viva. Die Kleinstpartei des früheren Pd- und Regierungschefs Matteo Renzi wollte die Politik Contes nicht weiter mittragen.

Bereits die bevorstehende Abstimmung zum neuen Wahlgesetz, das Sterne-Minister Bonafede vorstellte, hätte zum Fiasko der nun Minderheitsregierung führen können. Conte hofft, nach dem Rücktrittsgesuch von Präsident Sergio Mattarella erneut den Auftrag zur Regierungsbildung zu bekommen. Das Staatsoberhaupt wird sich nun mit allen politischen Kräften beraten, um eine Entscheidung zu treffen.

Unsichere Kantonisten

Mittags war es offiziell: Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte nach einem halbstündigen Kolloquium mit Mattarella den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Unmittelbar danach begannen bereits die Konsultationen mit der „Gruppe der Verantwortlichen“. Das sind jene Mandatsträger aus beiden Kammern des Parlaments, die an einer stabilen Fortführung der Legislatur in diesen Krisenzeiten interessiert sind. Vor allem mit den Politikern des Zentrums hat Conte bereits Gesprächstermine vereinbart.

Bislang hatte u.a. das Centro Democratico Bruno Tabaccis die Regierung unterstützt, die parlamentarische Gruppe hat 13 Mandatsträger im Abgeordnetenhaus, verfügt jedoch über kein Senatsmandat. Fraglich bleibt ferner, wie sich die Gruppe +Europa der einstigen Radikalenführerin Emma Bonino verhalten wird. Bei der von Renzi letztlich ausgelösten Vertrauensabstimmung hatten sich die Abgeordneten gegen das Kabinett Conte ausgesprochen. Um jedoch eine Rechtsregierung zu verhindern, könnte sich Bonino für eine Toleranz einer neuen Regierung entscheiden.

Deutliche Unterstützung erfährt die Regierung von der 5-Sterne-Bewegung: Noch hält M5S in beiden Kammern die stärksten Fraktionen, nach Neuwahlen dürfte dies deutlich anders aussehen. Auch der Partito Democratico will die bisherige in eine zukünftige Administration überführen.

Auf eine Ablösung Contes und seiner Minister werden die Vertreter von Lega und den postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) drängen. Möglicherweise könnte Lega-Chef Matteo Salvini dem Staatspräsidenten den Vorschlag unterbreiten, er wolle die Führung einer Mitte-Rechts-Koalition aus Lega und FdI übernehmen. Allerdings verfügen diese Parteien derzeit über keinerlei parlamentarische Mehrheiten, sodass auch in diesem Falle keine funktionierende Regierung zustande käme.

Dies könnte sich ändern, wenn Mattarella sich nach den Konsultationen entschließen würde, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Nach derzeitigen Umfragen könnten dann die Mitte-Rechts-Parteien dank des noch existierenden Wahlrechts über deutliche Mehrheiten in den Parlamentskammern verfügen. Da Forza Italia, die langjährig regierende Partei Silvio Berlusconis, in einer solchen Koalition jedoch nur einen Juniorpart spielen würde, überlegt sich der Ex-Cavaliere, einen Sonderschritt zu gehen.

Die Berlusconi-Show

Ursprünglich war das Treffen mit dem Staatspräsidenten als gemeinsamer Auftritt der drei Rechtsparteien geplant. Nun aber entschloss sich der 84-jährige FI-Chef, allein zu den Konsultationen zu erscheinen, eine Entscheidung, die einigen Unmut bei den alliierten Rechtskräften auslöste. Berlusconi indes ging noch weiter und kündigte an, in der aktuellen Krisenlage eine Regierung der „nationalen Verantwortung“ unterstützen zu wollen. Conte seinerseits signalisierte bereits Bereitschaft, mit Forza Italia verhandeln zu wollen. Des Weiteren wandte sich die aktuelle Administration von der Idee ab, mit Renzis Italia Viva nicht verhandeln zu wollen. Ein Sprecher Contes erklärte, man werde bei den kommenden Gesprächen die Türen gegenüber IV nicht schließen.

Sergio Mattarella wird in den kommenden Tagen seine Entscheidung treffen müssen. Eine mögliche wäre, nach dem Vorbild seines Amtsvorgängers Giorgio Napolitano zu verfahren und zwei unabhängige Kommissionen (aus je einer Kammer) zu bilden. Seinerzeit ging 2013 daraus das Kabinett Enrico Lettas hervor.

Als Alternative könnte er die beiden Kammerpräsidenten Maria Elisabetta Casellati (FI, Senat) und Roberto Fico (M5S, Abgeordnetenhaus) auffordern, Vorschläge für eine neue Regierung zu unterbreiten. Sollten alle diese Bemühungen keine Früchte tragen, könnte der Staatspräsident den ungeliebten Schritt wagen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben.

Für Italien, das aufgrund der Corona-Pandemie wirtschaftlich und sozial am Boden liegt, wäre dies wohl der ungünstigste Schritt. Die Stimmung im Lande kann nur mit desolat beschrieben werden, in wenigen Wochen läuft der wegen Corona verhängte Kündigungsstopp aus, Hunderttausende könnten auf einen Schlag arbeitslos werden. Die soziale Lage dürfte sich dann brisant zuspitzen und auch ein zukünftiges Wahlergebnis deutlich in Richtung extremer politischer Ideen beeinflussen. Davor jedoch, so Willensbekundungen, wollen sich die Demokraten des Landes zur Wehr setzen.

HTK
27. Januar 2021 - 9.58

" Conte seinerseits signalisierte bereits Bereitschaft, mit Forza Italia verhandeln zu wollen." Bunga Bunga Berlusconi ist noch immer da und wird auch noch hofiert.So ist das in der Politik.Totgeglaubte leben länger.