Freitag7. November 2025

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Akteur in zwei Affären Premier Bettel erklärt, Luxemburg könne und wolle Frank Schneiders Auslieferung an die USA nicht verhindern 

Akteur in zwei Affären  / Premier Bettel erklärt, Luxemburg könne und wolle Frank Schneiders Auslieferung an die USA nicht verhindern 
Aus seinem Hausarrest in Frankreich zeigt sich Frank Schneider in der arte-Dokumentation „Die Kryptoqueen“ durchaus redselig Montage: Editpress/Frank Goebel

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Der ehemalige SREL-Beamte Frank Schneider befindet sich derzeit in seinem französischen Haus und nahe der Luxemburger Heimat im Hausarrest – und soll möglicherweise an die USA ausgeliefert werden. Die Luxemburger Regierung erklärt, ihr seien praktisch die Hände gebunden. 

TV-Tipp

Rund um die Machenschaften von Ruja Ignatova und „OneCoin“ kann in der arte-Mediathek derzeit eine sehenswerte Dokumentation angeschaut werden, in der sich auch Frank Schneider ausführlich äußert. Der Film „Die Kryptoqueen“ von Johan von Mirbach dauert 90 Minuten und kann noch bis zum 29. Januar 2023 geschaut werden – von Luxemburg aus allerdings nur, indem man das Geoblocking umgeht.

Will die Luxemburger Regierung sich dafür einsetzen, die avisierte Auslieferung des Ex-Geheimdienstlers Frank Schneider von Frankreich an die USA zu verhindern? Das wollen die beiden ADR-Abgeordneten Keup und Kartheiser wissen und haben dazu die parlamentarische Anfrage Nr. 7117 verfasst. Ebenfalls wollen sie wissen, ob es nicht im Interesse Luxemburgs sei, die Auslieferung eines Mannes zu verhindern, der nun mal über vertrauliches Wissen verfüge.

Schon einen Tag darauf hat Premierminister Bettel (DP) seine Antwort niedergeschrieben: Weder er noch die Regierung hätten die rechtliche Möglichkeit, die Auslieferung eines luxemburgischen Staatsbürgers zu verhindern, der sich nicht auf hiesigem Staatsgebiet befinde: „In diesem Fall trifft die französische Regierung die souveräne Entscheidung, ob die betreffende Person ausgeliefert wird oder nicht“, heißt es in der Antwort. Diese Entscheidung könne vor den zuständigen Gerichten und in letzter Instanz vor dem Staatsrat („Conseil d’Etat“), dem höchsten Verwaltungsgericht Frankreichs, angefochten werden.

Die Luxemburger Regierung stelle dieses Verfahren nicht infrage, sondern respektiere die französische Rechtsstaatlichkeit – und werde daher nicht eingreifen.

Die mögliche Auslieferung des ehemaligen Operationsleiters beim staatlichen Nachrichtendienst SREL ist aus vielerlei Perspektive delikat – und den Überblick zu verlieren, nicht schwer: Schließlich ist Schneider Protagonist in gleich zwei aufsehenerregenden Fällen.

Im Kaninchenbau

Zunächst war der Mann, der derzeit in seinem Haus im französischen Audun-le-Tiche per elektronischer Fußfessel in Arrest gehalten wird, einer der drei Angeklagten im SREL-Prozess – und im Juni 2020 in erster Instanz freigesprochen worden. Dabei ging es um Vorgänge, die tief in die jüngere und nicht mehr ganz so junge Luxemburger Geschichte hineinreichen. Nicht nur deshalb darf der Vergleich mit einem Kaninchenbau gezogen werden, sondern auch, weil ein solcher normalerweise ähnlich gut ausgeleuchtet ist wie die Affären, um die es hier geht. 

So haben neben Schneider zwei weitere ehemalige SREL-Mitarbeiter im Januar 2007 eine Telefon-Abhöraktion beim Elektronikingenieur Loris Mariotto durchgeführt – offenbar, um Informationen über eine verschlüsselte CD zu bekommen, auf der wiederum ein Gespräch festgehalten gewesen sein soll zwischen dem einstigen Premier Jean-Claude Juncker und dem Großherzog, bei dem es um nicht weniger als die „Bommeleeër“-Affäre gegangen sein soll. Eine weitere Abhöraktion bei Juncker selbst und die Empörung über die später zutage getretenen Zustände führten schließlich zu Junckers Rücktritt und zum Platzen der schwarz-roten Koalition.

Zwar endete der Prozess um Schneider und seine beiden Ex-Kollegen im Juni 2020 mit Freisprüchen für alle Angeklagten, allerdings nur vorläufig: Weil die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, hätte es eigentlich im Oktober 2021 zum entsprechenden Prozess kommen sollen. Allerdings kam es dazu nicht, da Schneider im Mai 2021 in Frankreich festgenommen worden war: Diesmal wegen eines internationalen Haftbefehls, der in New York ausgestellt wurde und mit dem gigantischen offensichtlichen Betrugsfall rund um die Kryptowährung „OneCoin“ zu tun hatte.

Zeit, das Weite zu suchen

Wer nie richtig verstanden hat, was eine Kryptowährung eigentlich genau ist, kann beruhigt weiterlesen – zumindest hierhin zweigt dieser Kaninchenbau nicht ab: Bei „OneCoin“ handelte es sich, allem Anschein nach, einfach nur um Betrug nach dem bekannten Pyramiden-System, pseudo-vornehm auch als „Multi-Level-Marketing“ bekannt: Jeder Verkäufer verkauft ein Produkt, um das es aber eigentlich gar nicht geht, sondern steckt Geld in die Firma und sucht neue „Verkäufer“, die genau dasselbe tun. Ein bisschen was aus den Erlösen fließt an diese Handelnden zurück, sodass eine gewisse Zufriedenheit bestehen bleibt, während die meisten Einnahmen nach oben fallen: an die Spitze der Pyramide. Wenn irgendwann einfach nicht mehr genügend neue „Kunden“ mitmachen oder zu viele Beteiligte ihre versprochenen Renditen zur Auszahlung verlangen, wird es an der Spitze der Pyramide Zeit, das Weite zu suchen.

Im Fall von „OneCoin“ sieht es zunächst so aus, als hätte die Firmengründerin und selbsternannte „Krypto-Queen“ Ruja Ignatova 2017 entsprechend gehandelt – nachdem im Schneeball-Prinzip wohl vier Milliarden US-Dollar eingenommen wurden. Die meisten führenden Köpfe sind in Haft oder gelten als untergetaucht. Ob Ignatova wirklich erfolgreich spurlos verschwunden oder vielmehr längst tot ist, darüber gibt es allerlei Spekulationen.

Jedenfalls war auch Frank Schneider als Berater für Ignatova und „OneCoin“ tätig – und soll über seine guten Kontakte aus alten Geheimdienst-Zeiten früh von den Ermittlungen gegen sie erfahren und die bulgarisch-stämmige Deutsche entsprechend gewarnt haben. Außerdem soll er dubiose Zahlungen von „OneCoin“ über seine Wirtschaftsberatung abgewickelt haben, was auch noch den Vorwurf der Geldwäsche eingebracht hat.

„Peinliches Schweigen aus Luxemburg“

Das alles hat Schneider schließlich ebenfalls einen internationalen Haftbefehl beschert, der im April 2021 schließlich vollstreckt wurde – aber nicht etwa in Luxemburg, wohin Schneider regelmäßig weiterhin reiste, sondern in Frankreich. Reporter.lu berichtet von „extravaganten Umständen“ der durch „Brutalität“ geprägten Verhaftung: Unter anderem soll der 13-jährige Sohn Schneiders die rabiate Aktion miterlebt und wohl auch zumindest indirekt in Gefahr geraten sein. Das alles werfe Fragen auf „über die wahren Absichten der Amerikaner hinter der Auslieferung eines Mannes, der für die US-Botschaft in Luxemburg gearbeitet hatte, bevor er dem SREL als Einsatzleiter beitrat und der seit 13 Jahren eine Wirtschaftsintelligenzfirma leitet“, schreibt das Nachrichtenmagazin – und sieht nicht nur die Franzosen „peinlich“ berührt in der Geschichte, sondern vernimmt auch aus Luxemburg dröhnendes Schweigen.

Schließlich appelliert der Landsmann über seine Anwälte, ihn nicht an die Vereinigten Staaten auszuliefern. Dort drohe ihm nicht nur ein ungleich höheres Strafmaß, überhaupt sei die Sicherheit eines fairen Prozesses nicht gegeben, die Finanzierung seiner Verteidigung aufgrund US-amerikanischer Eigenheiten problematisch – und auch die Zustände in amerikanischen Strafvollzugsanstalten entsprechend.

Die Entscheidung, ob es wirklich zur Auslieferung kommt, liegt schlussendlich bei der französischen Premierministerin Élisabeth Borne. Und danach wäre dann der Gang vor den (französischen) Regierungsrat offen: Vor 2023 werde jedenfalls gar nichts geschehen, zeigte sich Schneiders Anwalt Pol Urbany kürzlich gegenüber dem Tageblatt sicher.

Zeit genug, um auch in Luxemburg darüber zu streiten, ob außer passivem Beobachten wirklich nichts getan werden kann für den Mann, der, immerhin, nach wie vor in keinem Prozess rechtskräftig verurteilt wurde und der lange Jahre in den Diensten des Großherzogtums gestanden hat.

Schon die Anfrage der ADR, die vom ehemaligen Doppelspion Fernand Kartheiser unterzeichnet wurde, hat ja die Frage aufgeworfen, ob es nicht auch im ureigensten Interesse Luxemburgs wäre, den SREL-Mitarbeiter nicht an die USA auszuliefern, worauf die Regierung in ihrer Antwort mit keiner Silbe eingegangen ist. 

Und der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar schreibt bei Twitter: „Dass nun ein luxemburgischer Staatsbürger, der von Luxemburg nicht an die Vereinigten Staaten hätte ausgeliefert werden dürfen, nun von Frankreich ausgeliefert zu werden droht, ist für mich absolut nicht mit EU-Recht vereinbar.“ Die Regierung müsse darum alles tun, um das zu verhindern. Und der CSV-Abgeordnete Marc Spautz fragt an gleicher Stelle, ob die „Regierung etwas zu verstecken“ habe, dass sie der Auslieferung so zuschaue.

Das wiederum veranlasste 100,7-Chefredakteur Jean-Claude Franck zur Bemerkung, dass Frank Schneiders der Geldwäsche bezichtigte Firma von einer Holding mitbegründet worden sei, zu der es auch CSV-Verbindungen gebe.

Filet de Boeuf
7. November 2022 - 22.35

Becca nicht vergessen und Mosar.

Grober J-P.
7. November 2022 - 10.18

Es wird so langsam spannend, Kartheiser, Schneider, Santer, Irak.
Die sehr elitäre Gesellschaft wird doch nicht etwa Dreck ......
Jetzt dämmert es.