Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, war voll des Lobes, als sie den EU-Ratspräsidenten Petr Fiala (ODS) nach seiner halbjährigen Amtszeit verabschiedete. „Zunächst möchte ich Ihnen, Petr, und Ihrem fantastischen Team für die ausgezeichnete Kooperation und Ihre hervorragende Arbeit während eines sehr erfolgreichen tschechischen Ratsvorsitzes danken“, erklärte sie anlässlich der letzten Sitzung vor der Weihnachtspause.
Tschechien habe in einer der schwierigsten politischen Situationen nach dem Zweiten Weltkrieg die Ratspräsidentschaft gemeistert und Europa etwas näher zusammengebracht. Von der Leyen zeigte sich überzeugt, dass die tschechische Ratspräsidentschaft einen großen Beitrag dazu geleistet hat, die Solidarität gegenüber der von Russland überfallenen Ukraine nicht abreißen zu lassen, sondern, im Gegenteil, zu steigern. Auch habe sich Prag stark für erneute Sanktionen gegenüber Russland eingesetzt, so die Präsidentin.
Ein Lob, das sich auch in Einschätzungen hiesiger Politologen widerspiegelt. Der frühere Leiter des Prager Instituts für Internationale Beziehungen, Petr Kratochvíl, zeigte sich überrascht, dass es der Fiala-Regierung diplomatisch gelungen ist, die EU-Mitglieder zu überzeugen, gemeinsam drei Sanktionspakete gegen den Aggressor Russland auszuhandeln. Fiala war einer der ersten europäische Regierungschefs, die den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besuchten und ihm die Solidarität Tschechiens zusicherten. Seither hat das Land nicht nur finanzielle und militärische Unterstützung geleistet, sondern auch Tausende ukrainische Flüchtlinge aufgenommen.
Konzessionen an heimische Industrie
Ein weiterer Pluspunkt – so von der Leyen – sei das Engagement Tschechiens für die Umsetzung des Projekt „Fit for 55“. Unter der Prager Regie seien eine Reihe Maßnahmen für die Ablösung von Verbrennungsmotoren durch emissionsfreie Autos ab 2035 ergriffen sowie die Lastenverteilungsverordnung für CO2-Emissionen beschlossen worden.
Das sei zwar lobenswert, so der Politologe Kratochvíl, doch gerade hier zeigten sich erste kritische Punkte der Prager Politik. In Sachen Umweltschutz habe sich die Regierung den Interessen der heimischen Industrie gebeugt. Denn innenpolitisch ist der Ausstieg aus der Produktion von Verbrennungsmotoren ein heiß umstrittenes Thema und beschwört geradezu ein Feindbild gegenüber den EU-Absichten. Auch in Fragen der Energiepolitik lassen sich heimische Interessen oft nicht mit jenen der großen EU-Staaten überein bringen. Tschechien ist zu einem großen Teil von den Lieferungen russischen Gases und Öls abhängig, auch werden die laufenden Kernkraftwerke – allesamt von russischen Unternehmen errichtet – mit russischen Brennstäben bestückt und tragen wesentlich zur Stromerzeugung im Lande bei. Ein Ausfall dieser Sektoren würde die ohnehin schon angespannte Energielage deutlich überstrapazieren und könnte zum wirtschaftlichen Kollaps Tschechiens führen, so die Kritiker.
Opposition und politische Rücksichten
Dass die rechtsextreme Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) Tomio Okamuras sich gegen die Maßnahmen der aktuellen Regierung ausspricht, mag nicht weiter verwundern – strikter Euroskeptizismus gehört zu den Programmpunkten der SPD. Ernster zu nehmen ist hingegen der Widerstand aus den Reihen von ANO, immerhin stärkste Einzelfraktion im Abgeordnetenhaus. Denn Parteichef Andrej Babis zählt zu den Favoriten der in 14 Tagen stattfindenden Präsidentenwahlen in Tschechien.
Die linke Opposition, derzeit nur außerparlamentarisch aktiv, wirft der Regierung vor, tschechische Interessen zugunsten einer Annäherung – manche nennen es auch Anbiederung – an die USA und die EU zu vernachlässigen. Sowohl Sozialdemokraten als auch Kommunisten weisen darauf hin, dass sich die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung im Zeichen von Energieproblematik und Inflation deutlich verschlechtert habe. Viele Kritiker erklären, dass eine politische Ausrichtung auf „slawische Brudervölker“ eher eine Präferenz verdiene als die deutliche Orientierung nach Westen.
Tendenzen, die mitunter auch von Vertretern der Fünf-Parteien-Koalition, die eher ein Zweckbündnis als eine ideologische Einheit genannt werden kann, geteilt werden.
Wenn Prag nun den EU-Vorsitz an die rechtsorientierten Schweden abgibt, wird sich zeigen, wieviel von der nun geübten europafreundlichen Politik übrig bleibt. Denn der Bürgerdemokrat Petr Fiala teilt durchaus etliche Positionen sowohl der Warschauer als auch der Budapester Führung, mit denen Tschechien – gemeinsam mit der derzeit desolaten Slowakei – im Visegrad-Bündnis liiert ist. Da wird sich 2023 erweisen müssen, ob das jetzt ausgesprochene Lob auch über die Zeit der Ratspräsidentschaft Bestand hat.
De Maart
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