Dienstag21. Oktober 2025

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Christlich-Soziale JugendPräsident Metty Steinmetz über Angepasstheit, Arbeitsgruppen und Ambitionen

Christlich-Soziale Jugend / Präsident Metty Steinmetz über Angepasstheit, Arbeitsgruppen und Ambitionen
Metty Steinmetz am Donnerstag im Café „Interview“ in der Oberstadt Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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„Die Hand der Regierung war immer ausgestreckt“, sagt der Präsident der Christlich-Sozialen Jugend (CSJ), Metty Steinmetz (32), zum Sozialdialog. Dass die Jugendorganisation der CSV öffentlich kaum Kritik an der Regierung übt, liege daran, dass sie ihre Unzufriedenheit und Denkanstöße lieber intern äußere. Obwohl sich Steinmetz bislang eher für Europapolitik interessiert, will er nicht ausschließen, dass er auch zu den Kammerwahlen antreten wird. 

Tageblatt: Obwohl die Regierung in den vergangenen Monaten öffentlich viel kritisiert wurde, kamen von der CSJ – außer einem zaghaften Vorstoß bei der Rentenreform – kaum Beanstandungen an der Politik von CSV und DP. Es gab Zeiten, in denen die CSJ rebellischer war. Wieso ist sie heute so angepasst?

Metty Steinmetz: Wir verfolgen den Ansatz, unsere Unzufriedenheit oder Denkanstöße intern zu äußern. In unserer Satzung ist vorgesehen, dass der Präsident der CSJ automatisch Mitglied des CSV-Nationalkomitees ist, wo wir unsere Positionen regelmäßig darlegen können. Ich habe eingeführt, dass sich der CSJ-Vorstand so oft wie möglich vor den Sitzungen des CSV-Nationalkomitees trifft, um über unsere Positionen zu beraten. Manchmal ist es besser, Dinge intern im Dialog zu klären und zu versuchen, die Beweggründe des anderen zu verstehen, statt Forderungen in die Öffentlichkeit hinauszuschreien. 

Wird der CSJ denn zugehört?

Ja, sowohl der Nationalvorstand der CSJ als auch ich persönlich tauschen uns regelmäßig mit unserem Parteipräsidenten (Luc Frieden; Anm. d. Red.) aus. Ihm ist es wichtig, dass wir nicht ein „Organ à part“, sondern ein integraler Bestandteil der Partei sind. Er schätzt auch den direkten Austausch mit unseren Mitgliedern, um Informationen und Meinungen aus erster Hand zu hören. 

Es ist nicht so, dass die Mutterpartei oder ihr Präsident uns vorschreiben, was wir zu sagen und zu denken haben oder welche Themen wir besetzen sollen

Andere Jugendorganisationen bestehen auf ihrer Unabhängigkeit gegenüber der Mutterpartei, um Kritik und Meinungen freier äußern zu können …

Das tun wir auch. Es ist nicht so, dass die Mutterpartei oder ihr Präsident uns vorschreiben, was wir zu sagen und zu denken haben oder welche Themen wir besetzen sollen. Darin sind wir unabhängig – nicht, dass das falsch verstanden wird. Wir arbeiten unsere Positionen in Arbeitsgruppen aus, an denen auch „schlafende“ Mitglieder mitwirken, die politisch vielleicht weniger aktiv sind, sich aber inhaltlich einbringen möchten. 

Am 20. Juni sagten Sie in einem Interview mit dem „Wort“ zu den Renten: „Die Regierung ist dialogbereit. Wäre sie es nicht, hätte sie längst einen fertigen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt. Die notwendige Mehrheit im Parlament hat sie.“ Hatte die Regierung nach der Gewerkschaftsdemonstration am 28. Juni noch eine andere Wahl als dialogbereit zu sein? 

Die Hand der Regierung war immer ausgestreckt. Eine Konsultationsdebatte wie die zu den Renten hatte in dieser Form noch nie zuvor stattgefunden – jeder konnte sich einbringen. Obwohl die Gewerkschaften den Sozialdialog in den verschiedenen Gremien boykottierten, hat die Regierung daran festgehalten, war stets gesprächsbereit. In den beiden ersten Sozialrunden haben Regierung, Gewerkschaften und Patronat es fertiggebracht, im Interesse des Landes ihre Verantwortung zu übernehmen – auch wenn es nicht immer einfach war. Ich hoffe, dass jetzt konkrete Resultate dabei herauskommen. 

Bei den letzten Sozialrunden ist die Regierung stark zurückgerudert, bei den Renten und vor allem bei den Kollektivverträgen. Die CSV war gespalten, insbesondere in der Fraktion hat sich das öffentlich bemerkbar gemacht. Spiegelt sich diese Spaltung auch in der CSJ wider?

In einer Volkspartei, die ein breites Spektrum an Ansichten abdeckt, ist es normal, dass diskutiert wird. Man soll nie vergessen, wo man herkommt. Marc Spautz (CSV-Fraktionspräsident; Anm. d. Red.) kommt aus der Gewerkschaftsbewegung, andere kommen aus anderen Bereichen. In der CSJ wurde intern ganz offen diskutiert, zu den Renten hatten wir eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Allerdings hatten wir immer im Blick, dass wir an der aktuellen Situation etwas ändern müssen – dass die Reform eine strukturelle Absicherung des Rentensystems herbeiführen soll.

Der soziale Flügel war über 100 Jahre lang wesentlicher Bestandteil erst der Rechtspartei, später der CSV. Hat die CSJ heute noch Mitglieder, die im gewerkschaftlichen oder karitativen Bereich aktiv sind?

Ich weiß natürlich nicht genau, wer in welchem Verein Mitglied ist, doch wir sind sehr breit aufgestellt. Jeder kann bei uns mitmachen. Manche haben studiert, andere sind beim Staat oder im Privatsektor angestellt, haben eine Ausbildung absolviert oder führen einen Handwerksbetrieb. Menschen mit sehr unterschiedlichen Backgrounds finden bei uns zusammen und stehen für ihre Ideen und Interessen ein. 

Auf dem letzten CSJ-Kongress waren mehrere Minister, Abgeordnete aus der Kammer und dem Europaparlament anwesend. Hemmt deren Präsenz nicht die Bereitschaft von Jungpolitikern, Kritik an der Regierung und an der Partei zu üben? 

Ganz im Gegenteil. Diese Leute kamen schon immer zu unseren Kongressen, als die CSV noch in der Opposition war, waren sie Abgeordnete, heute sind sie Minister. Es ist besser, wenn sie unsere Ausführungen aus erster Hand mitbekommen, als wenn man ihnen später berichtet, was gesagt wurde. So haben sie auch die Möglichkeit, sich direkt mit unseren Mitgliedern auszutauschen. Ich sehe das nicht als Einschüchterung, sondern eher als Anerkennung für die Jugend. 

Von 2022 bis 2024 arbeiteten Sie in der Handelskammer für Luc Frieden, seit Januar nun im Finanzministerium für Gilles Roth. Sie sind derzeit der einzige Präsident oder Sprecher einer parteipolitischen Jugendorganisation, der beim Staat tätig ist, dazu noch in einem CSV-Ministerium. Dürfen Sie Ihren Chef überhaupt kritisieren?

Ich habe die Stelle im Ministerium nicht bekommen, weil ich Mitglied einer Partei bin. Als ich mich damals bei der Handelskammer beworben habe, wusste ich nicht, dass ich für Luc Frieden arbeiten würde, das habe ich erst später erfahren. Beim Staat arbeite ich im öffentlichen Interesse, Politik mache ich in meiner Freizeit, ich kann das sehr gut voneinander trennen. Wenn die CSJ kritische Positionen einnimmt, wird das vom Vorstand beschlossen, nicht von mir persönlich. Als Präsident bin ich das Gesicht der CSJ in der Öffentlichkeit. 

2014 waren Sie noch im Vorstand der linksliberalen Studentenorganisation UNEL, inzwischen sind Sie CSJ-Präsident und einer von neun Vizepräsidenten der YEPP, der Jugendorganisation der bürgerlich-konservativen EVP. Was ist in den vergangenen zehn Jahren in Ihrem Leben passiert? 

Zur UNEL ging ich, als ich begann, Politikwissenschaften in Wien zu studieren. Ich hatte das Bedürfnis, mich gesellschaftlich einzubringen. Ich war aber nur einmal bei einer UNEL-Versammlung, danach nie wieder. Ich habe schnell gemerkt, dass es nicht die Organisation ist, in der ich mich zu Hause oder gut aufgehoben fühlte. In den Vorstand aufgenommen wurden alle Mitglieder, die an dem Abend anwesend waren, ich habe nicht aktiv meine Kandidatur gestellt. Im selben Jahr bin ich der CSV beigetreten, politisch engagiert habe ich mich aber erst 2017, nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte. 

Ich stand der Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien von Anfang an sehr kritisch gegenüber

Sie haben für die Handelskammer in Brüssel gearbeitet, waren Kandidat zu den Europawahlen, die EU ist ihr Steckenpferd. Im Europaparlament suchen die EVP-Fraktion und ihr Präsident Manfred Weber immer öfter den Schulterschluss mit rechtsradikalen bis rechtsextremen Parteigruppen. Wie sehen Sie als YEPP-Vizepräsident diese Entwicklung? Sprechen Sie sie öffentlich an?

Ich wurde erst im Juli zum Vizepräsidenten der YEPP gewählt, seitdem hatten wir erst eine Vorstandssitzung. Ich stand der Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien von Anfang an sehr kritisch gegenüber, das habe ich immer wieder angesprochen, als ich noch internationaler Sekretär der CSJ war. Auch hier spielt aber wieder das Volkspartei-Prinzip: Manche sind dieser Zusammenarbeit gegenüber weniger abgeneigt, andere sind eindeutig dagegen. Ich zähle mich zu Letzteren und werde das als Vizepräsident der YEPP auch offen sagen. Unsere Europaabgeordneten Isabel Wiseler-Lima und Martine Kemp sehen die Allianz mit Rechtsaußen auch sehr kritisch und prangern sie häufig an. Natürlich weiß man bei einer Abstimmung nicht immer, wie sich die anderen entscheiden. Wenn eine bestimmte Mehrheit sich findet, ist das sicherlich nicht begrüßenswert, doch es ist nicht so, dass – auch von unseren Europaabgeordneten – aktiv danach gesucht wird. Die Parteien der Mitte – Grüne, Sozialdemokraten, Liberale und EVP – müssen sich ihrer Verantwortung für Europa bewusst sein. Die Ränder werden auf beiden Seiten stärker, sind sehr radikal in ihren Aussagen und Forderungen. Deshalb muss die Mitte zusammenstehen und versuchen, kompromissfähig zu sein. 

Wo sehen Sie Ihre politische Zukunft? Eher in Luxemburg oder in Brüssel?

Ich habe mich vergangenes Jahr, bei meiner ersten Kandidatur überhaupt, zu den Europawahlen aufgestellt. Das lag einerseits an meinem Studium, in dem ich mich auf EU-Politik spezialisiert habe, andererseits an meiner Tätigkeit als internationaler CSJ-Sekretär, die es mir erlaubt hat, ein Netzwerk auf europäischer Ebene aufzubauen. Wer Menschen aus anderen EU-Staaten kennenlernt, erhält ein besseres Verständnis von Europa. Bei meiner ersten Kandidatur habe ich sehr gut abgeschnitten, ich bin erster Ersatz auf der CSV-Liste. Zusätzlich wurde ich als erster Luxemburger überhaupt zum Vizepräsidenten der YEPP gewählt, was auch ein großer Erfolg ist. Das ist natürlich ein Anreiz, auch weiterhin auf die europäische Karte zu setzen. Insgesamt schließe ich aber nichts aus, vieles hängt von der persönlichen Entwicklung ab, vom Umfeld und vielleicht eigenen Schicksalsschlägen. Schließlich muss man sehen, wo man sich am besten einbringen, wo man am meisten im allgemeinen Interesse der Gesellschaft bewirken kann.

Zur Person

Metty Steinmetz (32) löste Anfang März 2024 Alex Donnersbach als Präsident der CSJ ab. Im Juni kandidierte er zu den Europawahlen, wurde Vierter auf der CSV-Liste, blieb aber deutlich hinter der Drittgewählten und aktuellen Europaabgeordneten Martine Kemp. Studiert hat Metty Steinmetz Politikwissenschaften in Wien und internationale Beziehungen in Maastricht und am Collège d’Europe in Brügge. Nach Praktika bei der CSV, der EU-Kommission und einer strategischen Beraterfirma in Brüssel begann der Rosporter seine berufliche Karriere 2022 als europapolitischer Berater des damaligen Handelskammer- und Eurochambres-Präsidenten Luc Frieden in Brüssel, 2024 kehrte er als Kommunikationsberater der Handelskammer nach Luxemburg zurück. Im Januar stellte CSV-Finanzminister Gilles Roth ihn als Kommunikationsberater ein.