TürkeiPräsident Erdogan bei Wahl unter 50 Prozent – Stichwahl zeichnet sich ab

Türkei / Präsident Erdogan bei Wahl unter 50 Prozent – Stichwahl zeichnet sich ab
Erdogan und seine Frau Emine sprechen zu Anhängern nach der Stimmabgabe in einem Wahllokal Umit Bektas/Pool Reuters/AP/dpa

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In der Türkei kommt es wohl zu einer Stichwahl. Anfangs sah es nach einem klaren Sieg Erdogans aus. Doch ein Trick seiner AKP scheint nicht aufgegangen zu sein.

Bei der Präsidentschafts- und Parlamentswahl in der Türkei zeichnet sich Streit um das Ergebnis ab. Mehrere Stunden nach Schließung der Wahllokale sahen staatliche Medien den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorne, während die Opposition mit ihrem Spitzenkandidaten Kemal Kilicdaroglu die Führung für sich reklamierte. Vorläufigen Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge schrumpfte Erdogans Vorsprung im Laufe des Abends aber so, dass eine Stichwahl in zwei Wochen immer wahrscheinlicher wurde. Aus der Opposition wurde zugleich der Vorwurf laut, dass es gezielt Anfechtungen von guten Ergebnissen für Kilicdaroglu durch das Regierungslager gebe.

Präsident Tayyip Erdogan verlässt die Wahlkabine in Istanbul
Präsident Tayyip Erdogan verlässt die Wahlkabine in Istanbul Foto: AFP

Anadolu meldete am späteren Abend mit Verweis auf fast 90 Prozent ausgezählte Stimmen einen Anteil von knapp unter 50 Prozent für Erdogan – für den Staatspräsidenten lag der Anteil demnach bei 49,94 Prozent, für Kilicdaroglu bei 44,3 Prozent. Zu Beginn des Abends hatte Erdogan der Agentur zufolge nach der Auszählung von rund 25 Prozent der Stimmen noch bei 54,3 Prozent gelegen. Offensichtlich waren anfangs aber vor allem Stimmen aus Hochburgen des islamisch-konservativen Präsidenten ausgezählt worden.

Neuer Präsident wird, wer im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommt. Schafft dies keiner der Kandidaten, treten die zwei Erstplatzierten in zwei Wochen in einer Stichwahl gegeneinander an. Der dritte Kandidat um die Präsidentschaft, Sinan Ogan, kam Anadolu wie dem oppositionsnahen Nachrichtenportal Anka zufolge auf etwa fünf Prozent der Stimmen.

Kritik und Freude

Ekrem Imamoglu, Bürgermeister von Istanbul und Parteifreund Kilicdaroglus, warf dem Regierungslager vor, die Zahlen zu manipulieren. AFP-Journalisten beobachteten am Sonntagabend Freudenfeiern von Anhängern Erdogans vor der Zentrale seiner islamisch-konservativen Partei AKP in Ankara. Vor der Zentrale der sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP ebenfalls in Ankara versammelten sich Anhänger von Kilicdaroglu und riefen Slogans.

Erdogan regiert das Land mit seinen 85 Millionen Einwohnern seit zwei Jahrzehnten; seit 2003 zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Kritiker werfen ihm seit Jahren eine Aushöhlung der Demokratie und einen autoritären Regierungsstil mit der Unterdrückung von Regierungsgegnern vor.  Oppositionelle und Beobachter befürchteten, dass Erdogan eine Niederlage nicht einfach anerkennen würde. Die Furcht vor einem gewaltsamen Vorgehen wurde auch dadurch geschürt, dass Innenminister Süleyman Soylu die Wahl mit einem „politischen Putschversuch“ gegen Erdogan verglich. Erdogan sicherte jedoch Respekt der Demokratie zu.

Bei der Wahl des türkischen Parlaments mit 600 Sitzen wird ebenfalls ein knapper Ausgang erwartet. Die Opposition kann sich Hoffnung auf eine Mehrheit machen, falls sie sich die Unterstützung der Wähler eines pro-kurdischen Linksbündnisses sichert.