Die vor Weihnachten verabschiedete Novelle des Radio- und Fernsehgesetzes drohte direkt dem größten und wichtigsten Oppositionssender. Der vom amerikanischen Disney Chanel besessene Privatsender TVN hätte laut dem Gesetz seine Aktienmehrheit an den Staat oder andere polnische Investoren verkaufen müssen. Washington und Brüssel sahen durch das Gesetz die Pressefreiheit in Gefahr.
Das Gesetzesprojekt gilt als eines der Lieblingsprojekte von Jaroslaw Kaczynski, dem Parteichef der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), da es die angebliche ausländische Dominanz bei den Medien brechen würde. Da indes direkt eine der größten Investitionen des strategischen Verbündeten USA betroffen war, war die „Lex TVN“ lange auch in PiS-Kreisen umstritten gewesen.
Vor Weihnachten obsiegte indes offenbar der Wunsch, sich des größten Kritikers zu entledigen. In einer Hauruckaktion des Sejms boxte PiS die Novelle mit 229 zu 212 Stimmen durch. Doch dies mobilisierte die Opposition: In Dutzenden von Städten wurde um die Festtage für Medienfreiheit und zugunsten von TVN protestiert. Dazu ließ die amerikanische Botschaft in Warschau offen durchblicken, dass man ein Veto Dudas erwarte.
Diesem massiven Druck beugte sich nun offenbar Duda am Montag, auch wenn er sein Veto anders begründete. Duda berief sich vor allem auf einen polnisch-amerikanischen Investitionsschutzvertrag von 1990. „Wir haben einen Vertrag unterschrieben und müssen uns nun daran halten“, begründete der Staatspräsident. „Wenn wir (als Staat) uns daran nicht halten, wird sich niemand mehr an solche Verträge halten“, führte Duda weiter aus. Als zweiten Faktor für sein Veto führte Duda auch an, dass TVN die Sendekonzession gerade erst um zehn Jahre verlängert worden sei. Es sei unstatthaft, diese nun de facto zu annullieren, argumentierte das von Amtswegen parteilose Staatsoberhaupt, das selbst der PiS entstammt und sich nur äußerst selten gegen den Willen Kaczynskis stellt.
Druck macht also Sinn! Nun kann niemand mehr behaupten, dass man nichts machen könne. Wir müssen und wir können!
Duda ließ in seiner Ansprache jedoch auch durchblicken, dass der Präsidentenpalast „immer offen für Diskussionen und Argumente“ sei. Duda erlaubte sich gar einen Seitenhieb auf die PiS-Regierung und bemerkte, man habe ja bereits „viele kostspielige Streite“ am Hals. In der Tat muss Warschau täglich Millionenbeträge für nicht umgesetzte EuGH-Urteile in den Bereichen Justiz und Energie bezahlen. Der Discovery Chanel hatte im Vorfeld klargemacht, er würde seine Aktienmehrheit nicht einfach aufgeben, sondern zuerst ein internationales Schiedsgericht anrufen.
Keine Chance für Überstimmung des Vetos
Nach 2015 und 2017 ist dies erst das dritte Mal, dass sich Andrzej Duda den Wünschen seines Mentors Jaroslaw Kaczynski entgegenstellt. Entsprechend wütende Kommentare erntete der Staatspräsident deshalb am Montag mit seinem Veto. Während Kaczynski in einem Interview beschwichtigte, PiS wollte TVN weder schließen noch auf Regierungslinie bringen, schossen Kaczynskis Hardliner wütende Giftpfeile. Zuerst habe Duda die Justizreform torpediert und nun schütze er die Medienmacht des Auslands, hieß in der Minipartei Solidarisches Polen.
„Druck macht also Sinn! Nun kann niemand mehr behaupten, dass man nichts machen könne. Wir müssen und wir können!“, frohlockte dagegen der liberale Oppositionsführer Donald Tusk. „Wir danken Präsident Andrzej Duda für die Führungsübernahme und seinen Einsatz für demokratische Werte und die Wahrung eines guten Investitionsklimas in Polen“, schrieb Bix Aliu, der „Chargé d’affaires“ der USA in Warschau, auf Twitter.
Die umstrittene „Lex TVN“ ist damit vom Tisch. Kaczynski hat keine Chance, im Sejm die nötige Dreifünftel-Mehrheit für die Überstimmung von Dudas Veto zusammenzubekommen.
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