Nach dem Rücktritt der Interimsregierung Mario Draghis hatte nicht nur Italien, sondern auch die europäischen Partner mit einem geradezu faschistoiden Rechtsruck gerechnet. Giorgia Meloni, Führerin der postfaschistischen Fratelli D’Italia, stand in den Augen der Beobachter für eine Wiederbelebung der Vergangenheit.
Nun, seit 100 Tagen an der Regierung, hat sich gezeigt, dass Meloni deutlich moderater agieren kann, als man es von den teils aggressiven Wahlkampfveranstaltungen erwartet hat. Nicht nur, dass sie nach Amtsantritt sowohl den Partnern in der EU als auch im transatlantischen Verteidigungsbündnis die Loyalität ihrer Regierung versicherte. Bislang hielt Italien auch alle Verpflichtungen ein. Von einem eventuell ins Auge gefassten „Italexit“ ist keine Rede. Rom will die vom EU-Wiederaufbaufonds gestellten 191 Milliarden Euro nicht aufs Spiel setzen. Und so gab sich Giorgia Meloni auch beim Antrittsbesuch bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen freundlich und moderat, das Treffen konnte geradewegs herzlich genannt werden.
Auch innenpolitisch setzte Meloni den Kurs ihres Vorgängers fort, zielgerichtete Unterstützungen entlasteten die Italiener in der Energiekrise. So tankte man zur großen Überraschung im Belpaese über lange Zeit erstmals billiger als im europäischen Ausland, für viele Pendler ein wichtiges Argument, der Regierungspolitik beizupflichten.
Aktuellen Umfragen zufolge zeigen sich denn auch 46 Prozent der Italiener zufrieden mit der Bilanz der ersten 100 Tage. 40 Prozent sehen eine eher negative Entwicklung, die übrigen 14 Prozent wollten sich nicht äußern. Die Fratelli d’Italia, stärkste der Regierungsparteien, konnte ihren Vorsprung nochmals auf 30 Prozent der Wählergunst ausbauen. Und Giorgia Meloni selbst erntet nach Staatspräsidenten Sergio Mattarella, der die Sympathieliste mit 63 Prozent anführt, einen Bonus von 44 Prozent. An dritter Position steht der Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte mit 37 Prozent, erst dann folgt Matteo Salvini mit 28 Prozent. Die Politiker der immer noch heillos in sich zerstrittenen Mitte-links-Opposition liegen ebenso wie deren Parteien abgeschlagen.
Rechtsruck kommt schleichend
Meloni, die politisch aus dem militanten und durchaus als faschistisch zu bezeichnenden MSI hervorgeht, gibt sich derzeit als Politikerin einer moderaten bürgerlichen Rechten. Zwar bedient sie hin und wieder noch die Nostalgiker ihrer Partei, so im Festhalten an der Tricolore-Flamme im Parteisymbol. Die Rechtsausrichtung kommt jedoch eher schleichend in der Gesellschaft an. Gern spricht die Regierungs- und FdI-Chefin von „unserer Nation“, die im Vordergrund stehen müsse. Nicht nur Migranten, sondern auch sozial Schwache müssen sich beim Verteilungsprozess hinten anstellen. Das von der Sternebewegung eingeführte Bürgergeld wird drastisch gekürzt. Und Ausländer – so es nicht reiche Europäer oder Spezialisten sind – möchte man so weit wie möglich zurückdrängen. Zwar treibt Meloni nicht die Politik der „geschlossenen Häfen“ wie einst Lega-Chef Salvini, doch die zugewiesenen Häfen liegen alle im Norden des Landes: Ancona und Ravenna, La Spezia, Livorno und Genua. Das Kalkül der Regierung dahinter: Lange Reisewege verteuern die Seerettung und zwingen die NGOs zur Aufgabe ihrer Projekte. Einige Organisationen haben bereits angekündigt, ihre Aktivitäten einschränken zu müssen.
Meloni verkauft dies als Erfolg ihrer Politik und erntet dabei nicht geringen Beifall der Italiener, die sich infolge der aktuellen Krisenzeiten ohnehin bedrängt fühlen. „Italien steht deutlich stabiler da, als es manche uns glauben machen wollten“, konstatierte die Regierungschefin die Bilanz ihrer ersten 100 Tage. Wirtschaftsdaten scheinen dies zu bestätigen: Der Spread – der Zinsunterschied zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen, stets verlässliches Barometer für den wirtschaftlichen Zustand des Belpaese – ist in den vergangenen Wochen von 236 auf 175 Punkte gesunken. Zur Zeit der schwersten Wirtschaftskrisen unter Berlusconi lag er bei über 300 Punkten. Und die Banca d’Italia sagt für 2024 und 2025 eine wirtschaftliche Erholung mit einer „Inflation im erträglichen Maß“ voraus. Gründe für Giorgia Meloni, zu frohlocken.
De Maart
"Rom will die vom EU-Wiederaufbaufonds gestellten 191 Milliarden Euro nicht aufs Spiel setzen."
Ja, man sieht doch wie es in Budapest mit der Vetternwirtschaft klappt, warum nicht auch in Rom. Wetten, Viktor hat der Giorgia alle Tricks verraten.
Musste Michel auf das Foto?
DAS nennt man dann wohl "Diplomatie" wenn man,wie hier Michel,einer Rechtsradikalen Sternschnuppe die Hand geben muss. Aber keine Angst.In Italien sind alle 6 Monate Neuwahlen. Die Dame wettert gegen Brüssel,nimmt aber gerne die 170 Milliarden Coronahilfe entgegen. Aber das kennen wir ja auch aus Ungarn.