Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer mahnt, die Debatte in Zukunft nicht wie im Wahlkampf auf Flucht und Asyl zu verengen. „Wir müssen differenziert über zwei unterschiedliche Dinge diskutieren: über Fluchtmigration und über Erwerbsmigration. Da muss man versuchen, auf Probleme sachgemäße und pragmatische Antworten zu finden“, sagte er unserer Redaktion.
Der Demokratie- und Migrationsforscher sieht in Deutschland auch eine schlechte Stimmung gegenüber Arbeitsmigranten. „Arbeitskräfte, die nach Deutschland kommen wollen, scheitern nicht nur an den schwerfälligen bürokratischen Prozessen, sondern sehen sich auch einer mangelnden Willkommenskultur ausgesetzt“, sagte er. „Es gibt immer wieder anekdotische Berichte, wonach Menschen, die aus dem Ausland kommen, in ihrem Arbeitsumfeld, etwa in der Pflege, auf Ablehnung stoßen.“
Weiche Faktoren, die hart wirken
Er betonte: „Viele verlassen Deutschland dann wieder und gehen in die Schweiz oder in andere Länder, wo sie bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Bezahlung und weniger offene Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit vorfinden. Es heißt zwar, das seien weiche Faktoren, aber die wirken auf die Fachkräftezuwanderung ganz hart.“

Vorländer fügte hinzu: „Die Stimmung gegenüber Zuwanderern ist auch wegen der polarisierenden Debatten über Migration so schlecht. Und die werden sicherlich bald wieder mit großer Wucht auf die Tagesordnung kommen.“ Er äußerte die Befürchtung, dass dann „genau das passiert, was wir immer haben: Es wird dermaßen erregt über Migration diskutiert, dass sachliche Überlegungen und Versuche der Gestaltung und der Steuerung keinen richtigen Zugang finden“. Dabei käme es darauf eigentlich an.
Für die Zuwanderung von Fachkräften sei die Gesetzesarbeit in den vergangenen Jahren schon getan worden. „Wir haben aber enorme Probleme mit dem Vollzug. Das hängt mit den verschiedenen Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen zusammen. Da muss mehr digitalisiert werden. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Regelungen kompliziert sind und es sehr lange dauert, Berufserfahrung aus dem Ausland anerkennen zu lassen. Es sind also die alten Probleme.“
Beim Thema Flucht und Asyl rechnet er noch mit einer Grundsatzdebatte. „Bei der nächsten Bundesregierung dürfte es um die Frage gehen: Renationalisierung des gesamten Asyl- und Fluchtsystems oder weiterhin Streben nach einer gemeinsamen europäischen Lösung.“
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