„Ich werde es wieder versuchen“Perspektivlose Marokkaner, Tunesier und Algerier und ihr gefährlicher Traum von der EU

„Ich werde es wieder versuchen“ / Perspektivlose Marokkaner, Tunesier und Algerier und ihr gefährlicher Traum von der EU
Ein spanischer Grenzschützer rettet ein Neugeborenes aus dem Mittelmeer Foto: AFP/Handout/Guardia Civil

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Die Flüchtlingskrise in Ceuta ist auch trotz einer Massenabschiebung nach Marokko nicht vorbei. Versuche, die Grenze zu überwinden, gibt es weiterhin. Vor der Küste Tunesiens starben derweil 50 Menschen.

„Ich werde es wieder versuchen“, sagt Youssef, der gerade von Spaniens Polizei nach Marokko abgeschoben wurde. „In meinem Land habe ich keine Zukunft.“ Der 20-Jährige stammt aus Tanger, 70 Kilometer von Spaniens Nordafrika-Besitzung Ceuta entfernt. Als er hörte, dass Marokkos Gendarmen die Wassergrenze zur Küstenstadt Ceuta nicht mehr bewachen, fuhr er per Taxi zur marokkanischen Seite des Sperrzauns, sprang ins Wasser und schwamm zum spanischen Territorium.

Youssefs Glück währte nur wenige Minuten. Auf spanischer Seite erwarteten ihn Soldaten, die ihn auf kürzestem Weg zurück zum Grenzzaun brachten und durch eine Tür im Sperrwall wieder auf marokkanischen Boden beförderten. „Ich gehe jetzt zwar zurück nach Tanger“, bekennt er niedergeschlagen im spanischen TV, das über das Migrationsdrama in der Mittelmeerstadt Ceuta stundenlang live berichtet. „Aber ich werde nicht aufgeben, um doch noch nach Europa zu kommen.“

Massenabschiebungen

So wie Youssef erging es in den letzten Tagen Tausenden von irregulären Immigranten, die es geschafft hatten, Ceuta zu erreichen. Nach spanischen Regierungsangaben wurden bisher annähernd 5.600 Immigranten nach Marokko abgeschoben. Und dies offenbar, ohne durchweg die Fluchtgründe und einen möglichen Schutzstatus der Betroffenen zu prüfen. Auch am Mittwoch setzte Spanien die Massenabschiebungen fort. Nach Angaben des Innenministeriums wurden nur Erwachsene abgeschoben, aber keine unbegleiteten Minderjährigen. Etwa 2.000 der in Ceuta Angekommenen sind Kinder und Jugendliche.

Nach Angaben aus Madrid wurden keine unbegleiteten Minderjährigen abgeschoben
Nach Angaben aus Madrid wurden keine unbegleiteten Minderjährigen abgeschoben Foto: AFP/Antonio Sempere

Nach zwei chaotischen Tagen an der südlichen Wassergrenze Ceutas, wo der Strand Tarajal liegt, schien sich die Lage gestern wieder zu beruhigen: Die marokkanischen Grenzer, die sich am Montag und Dienstag auf Befehl von höchster Stelle zurückgezogen hatten, bewachten wieder die Grenze und verhinderten einen neuen Sturm auf Ceuta. Trotzdem gelang es auch in den letzten Stunden einigen Hundert Marokkanern, schwimmend oder mit kleinen Holzkähnen nach Ceuta zu gelangen. Doch es waren nicht mehr Tausende wie an den beiden Vortagen.

Millionen für Marokko

Wie viele Menschen im Zuge des Massenansturms seit Montagmorgen die Grenze überwinden konnten, bleibt unklar. Auch weil keine Registrierung der Migranten erfolgte. Spaniens Regierung hatte am Dienstagmittag von 8.000 Personen gesprochen und danach die Angaben nicht mehr aktualisiert. Ceutas Lokalzeitung El Faro bezifferte die Gesamtzahl der Angekommenen auf wenigstens 10.000 – die allermeisten Migranten sind Marokkaner. Sicher ist nur, dass es sich um den heftigsten Sturm irregulärer Immigranten aus Afrika handelt, den die 85.000-Einwohner-Stadt Ceuta je erlebt hat.

Hintergrund dieser Migrationskrise ist ein politischer Streit Spaniens mit Marokko. Die spanische Regierung hatte vor einem Monat erlaubt, dass ein Führer der Polisario-Bewegung, die für die Unabhängigkeit der von Marokko besetzten Westsahara kämpft, in einem spanischen Krankenhaus behandelt wird. Dabei handelt es sich um den 73-jährigen Brahim Gali, Präsident der von der Polisario ausgerufenen Arabischen Westsahara-Republik. Gali wird von Marokkos König Mohammed VI. als Staatsfeind und seine medizinische Behandlung in Spanien als Provokation angesehen. Der Zorn Mohammeds wurde möglicherweise zusätzlich dadurch angefacht, dass Gali mit einer falschen Identität ins Hospital eingeliefert worden sein soll, um seine Anwesenheit in Spanien möglichst geheim zu halten.

Spaniens Außenministerin Arancha González Laya versuchte nun, Marokko zu besänftigen. „Es handelt sich lediglich um eine humanitäre Geste gegenüber einem kranken Menschen.“ Spanien habe nicht marokkanische Empfindlichkeiten verletzten wollen. Zudem beeilte sich Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez, 30 Millionen Euro an Hilfe für Marokko lockerzumachen. Das Geld wurde Rabat zugesagt, um den Kampf gegen die illegale Einwanderung Richtung Spanien zu verstärken und um den marokkanischen Grenzschutz auszubauen.

Ohne Perspektive im Maghreb, 50 Tote vor Tunesien

Nicht nur aus dem nordafrikanischen Marokko versuchen immer mehr Bewohner, europäischen Boden zu erreichen. In Italien zum Beispiel stammen inzwischen ein Drittel aller in Booten ankommenden Migranten aus dem ebenfalls in Nordafrika liegenden Tunesien. Marokko, das Nachbarland Algerien und Tunesien haben jeweils eine sehr große junge Generation, die wegen mangelnder politischer und wirtschaftlicher Perspektiven von einem Leben in Europa träumt.
Gerade erst berichtete die Internationale Organisation für Migration (IOM), dass vor der tunesischen Küste ein Boot sank und vermutlich annähernd 50 Menschen ertranken. Seit Jahresbeginn starben laut IOM bei Bootsunfällen vor Nordafrika bereits 700 Migranten. Wegen dieser Tragödien, die sich regelmäßig wiederholen, ist das Mittelmeer, wie Flüchtlingsorganisationen beklagen, zum größten Massengrab Europas geworden.

HTK
21. Mai 2021 - 15.16

Natürlich werden sie es wieder versuchen.Solange sie in ihren Ländern keine Perspektive haben.

Blücher
20. Mai 2021 - 10.23

Mich stört, wenn Medien die Flucht aus Marokko in ein falsches Licht rücken. Diese sogenannten Flüchtlinge wurden von Marokko instrumentalisiert um als Druckmittel gegen Spanien von Nutzen zusein. Ich vergleiche weder Tunesier noch Marokkaner mit jenen Flüchtlingen die rechtens um Sorge um ihr Leben aus Kriegsgebieten fliehen. Die Regierung als Drahtzieher einer schändlichen Politik , die wirklichen Flüchtlinge durch Wirtschaftsflüchtlinge ins schlechte Licht gerückt , die Leidtragenden sind.Auch wir Europäer müssen lernen zu differenzieren und denen helfen die es wirklich nötig haben.