Dienstag23. Dezember 2025

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Im Kino „Parthenope“: Die Trunkenheit der Bilder

Im Kino   / „Parthenope“: Die Trunkenheit der Bilder
Celesta Della Porte spielt „Parthenope“ in Sorrentinos gleichnamigem Film Quelle: imdb.com

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In seinem neuen Film „Parthenope“ entfaltet der gegenwärtige Ästhet des italienischen Kinos, Paolo Sorrentino, ein thematisch diffuses Netz aus Schönheit, Jugend und Vergänglichkeit, das er in ganz trunkene Bilder fasst.

In den türkisfarbenen Gewässern der Bucht von Neapel schwebt eine weibliche Silhouette wie eine Meerjungfrau. Parthenope ist der Vorname dieser Schwimmerin, eine junge Frau, die mit ihrer wohlhabenden Familie in einer Villa hoch über dem Wasser lebt. In Anlehnung an die griechische Mythologie besitzt Parthenope eine sirenenhafte Anziehungskraft: Überall, wo sie erscheint, erregt sie Aufsehen durch ihre atemberaubende Schönheit, die nur von der Größe ihres Intellekts übertroffen wird. Die Hauptdarstellerin Celesta Della Porte ist das Zentrum der Begierde des Films, Sorrentino begleitet sie auf ihrem Lebensweg, den er als ein thematisch diffuses Netz aus Schönheit, Jugend und Vergänglichkeit ebendieser gestaltet.

Typen und Atmosphären

Dazu verdichtet er eine Reihe von nahezu selbstgefälligen, ästhetisierenden Bildern, die auch eine stilistische Verirrung bergen, die bei Sorrentino indes Programm ist: Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Il Divo“ (2008), eine biografische Darstellung des italienischen Politikers Giulio Andreotti, und „La Grande Bellezza“ (2013), der mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, sowie Youth“ (2015) – ein Film über zwei alte Freunde, die in einem luxuriösen Hotel in den Alpen über das Leben und die Kunst reflektieren. In „La Grande Bellezza“ erkundete Sorrentino die dekadente römische Gesellschaft und machte sich bereits auf eine Suche nach dem Sinn und der Schönheit im Leben, ebenso in „Youth“, wofür er die Darsteller Harvey Keitel und Michael Caine gewinnen konnte. In „Parthenope“ taucht dieser Typus des intellektuellen, alternden Künstlers in Gestalt eines mürrischen Schriftstellers auf, den Gary Oldman in einer Nebenrolle verkörpert.

Die Werke von Paolo Sorrentino sind somit zwiespältige Einladungen für alle, die sich für den Zustand der Protagonisten interessieren, für den Zustand von Zeit und Raum, der sich in sorgfältig gestalteten, oft sehr anspielungsreichen Szenen widerspiegelt. Fast immer liegt der Schwerpunkt auf der Atmosphäre, die einen nahezu barocken, dekadenten Stil annimmt – und in der italienischen Filmgeschichte freilich Tradition hat. Diese Atmosphäre wird so Ausdruck für die inneren Veränderungen der Charaktere, während die Handlung zweitrangig wird, der Schaffung der Textur und der Wirkung, die der Regisseur erreichen will, untergeordnet. Aber nur weil die Handlung im Hintergrund steht, heißt das nicht, dass Sorrentinos neuer Film keine Fragestellungen bereithält. Es geht in „Parthenope“ um das ambivalente Verhältnis von Schaulust und Erkenntnisgewinn, um die Kinosituation.

Selbstverliebtheit

Es ist freilich eine Gratwanderung, die Sorrentino entlang dieser doppelten Linie unternimmt, er sucht die reine Schönheit in den Körpern, in den Landschaften Neapels – „Parthenope“ ist freilich auch eine Liebeserklärung an Sorrentinos Heimatstadt – in der Architektur, die er mit philosophischen Anregungen auflädt. Dafür eröffnet „Parthenope“ zwei Welten: Zum einen gibt es die idyllische Küstenlandschaft Neapels, zum anderen die akademische Welt, in der die junge Parthenope ihrem Studium der Anthropologie nachgeht. „Was ist Anthropologie?“, fragt Parthenope ihren Professor, der daraufhin meint: „Sehen!“ Sorrentinos neuer Film strotzt nur so von einem wechselseitigen Frage-und-Antwort-Spiel. Nicht immer ist da klar zu bestimmen, ob diese dialogreichen Ausschweifungen dem Filmemacher als Vorwand für die Befriedigung einer großen voyeuristischen Begierde dienen. In allen Fällen: Das Eintauchen in diese Oberflächenstrukturen nimmt bei Sorrentino immerzu einen Grad selbstverliebter Trunkenheit an, ein ganz rauschhaftes und referenzielles Spiel, auf das man sich einlassen muss.