Auslöser der jüngsten Regierungskrise waren umstrittene Geschäfte Montenegros. 2021, noch ohne Regierungsamt, gründete er eine Beratungsfirma, deren Anteile später auf seine Ehefrau und zwei Kinder übergingen. Diese Firma soll auch nach seinem Amtsantritt als Premier weiterhin Zahlungen von großen Unternehmen erhalten haben. Die Opposition witterte einen Interessenkonflikt und zwang Montenegro im März zum Rücktritt.
Trotz der mutmaßlichen Affäre scheint der Vorsitzende der Aliança Democrática (AD) davon nicht beschädigt worden zu sein. Laut Umfragen liegt Montenegro in Führung, muss jedoch erneut um eine klare Mehrheit bangen. Dennoch zeigt er sich zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass die Portugiesen Stabilität wollen.“
Bei den Wahlen 2024 hatte Montenegros konservatives Bündnis AD einen hauchdünnen Sieg mit nur 29,5 Prozent der Stimmen eingefahren. Montenegros AD versuchte es trotzdem mit einem wackeligen Minderheitskabinett, das sich allerdings nur auf 80 von 230 Parlamentsmandaten stützen konnte.
Die Meinungsforscher sehen die Sozialistische Partei (PS) mit ihrem Spitzenkandidaten Pedro Nuno Santos wieder nur auf Platz zwei. Die Sozialisten kamen 2024 auf 28,7 Prozent. „Wir sind nicht diejenigen, die diese politische Krise verursacht haben. Aber wir sind bereit, Portugal aus der Krise zu führen“, sagt Santos.
Mit besonderer Spannung wird das Abschneiden der rechtspopulistischen und europaskeptischen Partei Chega („Es reicht!“) beobachtet. Chega wurde bei den letzten Wahlen mit 18 Prozent drittstärkste Kraft. „Portugal braucht eine gründliche Säuberung seines politischen Systems“, sagte Parteichef André Ventura.
Aufstieg der Rechtspopulisten
Mit Parolen gegen Korruption, Kriminalität und irreguläre Einwanderung gelang Chega in den vergangenen Jahren ein steiler Aufstieg. Nun könnte sie noch stärker werden: Die letzten Umfragen sagten ihnen einen Zugewinn voraus. Wegen eines Schwächeanfalls musste Ventura vor einigen Tagen seine Wahlkampftour abbrechen und das Finale der Kampagne vom Krankenhausbett aus verfolgen.
Analysten schließen nicht aus, dass dies bei unentschlossenen Wählern Mitgefühl weckt und Chega zusätzliche Stimmen bescheren könnte. Ventura selbst nutzte die Situation, um sich als „Kämpfer“ darzustellen, der trotz gesundheitlicher Probleme weitermacht. „Portugal braucht mich jetzt mehr denn je. Ich werde nicht aufhören.“
Die Rechtspopulisten machen vor allem der konservativen AD zu schaffen, da sie besonders in den Wählerhochburgen der Mitte-rechts-Partei wildern. Doch anders als zum Beispiel im iberischen Nachbarland Spanien hält die Brandmauer gegen die Rechtsaußenpartei noch: Die Konservativen schließen ein politisches Bündnis mit den Ultrarechten aus. „Ich werde unter keinen Umständen mit Chega regieren“, sagte der konservative Spitzenkandidat Montenegro.
Als möglicher Koalitionspartner der AD gilt die liberale Kleinpartei Iniciativa Liberal (IL), die in Umfragen bei etwa sechs Prozent liegt. Beide Seiten zeigten im Vorfeld Verhandlungsbereitschaft. „Eine Einigung ist möglich“, sagte IL-Chef Rui Rocha. Montenegro sprach von „vielen Übereinstimmungen“.
Die Wahlmüdigkeit ist groß
Diese Wahl ist nicht nur für Portugal und seine knapp elf Millionen Einwohner von Bedeutung. Europa blickt ebenfalls gespannt auf Lissabon, denn ein verlässlicher Partner an der Südwestgrenze der EU ist in Zeiten globaler Krisen, wirtschaftlicher Unsicherheit und heftiger Migrationsdebatten wichtiger denn je.
Auch innenpolitisch steht Portugal vor gewaltigen Aufgaben: Ein marodes Gesundheitssystem mit eklatantem Ärzte- und Pflegermangel, eine gigantische Wohnungskrise, ein niedriger Mindestlohn von immer noch unter 1.000 Euro monatlich und die Modernisierung der Wirtschaft stehen ganz oben auf der Agenda.
Der konservative Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa rief die Portugiesen auf, am Sonntag wählen zu gehen. Aus gutem Grund: Die Wahlmüdigkeit ist groß, die Beteiligung lag bei der letzten Wahl in 2024 unter 60 Prozent. Rebelo de Sousa wies die Bürger auf die Bedeutung dieses Urnengangs hin. Die Portugiesen sollten nicht vergessen, „wie die Welt dasteht, wie Europa dasteht und wie wichtig es ist, zur Stabilität beizutragen“, mahnte der Staatschef.
De Maart
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