Tageblatt-SeriePara-Judoka Roberto Lomba: „Dieser Sport passt zu mir, weil man immer den Kontakt zum Gegner hat“

Tageblatt-Serie / Para-Judoka Roberto Lomba: „Dieser Sport passt zu mir, weil man immer den Kontakt zum Gegner hat“
Aus der kleinen Gruppe wurde ein großes Team mit ambitionierten Sportlern Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Para-Judoka Roberto Lomba peilt eine Teilnahme an den Olympischen Spielen an. Paris ist wohl nur noch über eine „Wildcard“ zu erreichen, ein realistisches Ziel ist Los Angeles. In den kommenden Monaten wird das Tageblatt die verschiedensten Para-Sportler des Landes, ihre Ziele und ihren Alltag vorstellen. 

Neue Serie

Anlässlich des 50. Jubiläums des LPC (Luxembourg Paralympic Committee) und der Paralympics 2024 in Paris startet das Tageblatt am Donnerstag eine monatliche Serie, in der verschiedene luxemburgische Para-Sportler vorgestellt werden. Den Auftakt dieser Serie macht der sehbehinderte Judoka Roberto Lomba.

Freitagabend im Dojo in der Victor-Hugo-Halle auf Limperstberg: Auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches, zwei Judokas trainieren Kampf- und Abwehrmechanismen unter Anleitung ihres Trainers. Bei genauerem Beobachten wird die Judohalle, der Dojo als „Ort zum Begreifen des Weges“, seiner richtigen Bedeutung gerecht. Neben dem Technischen Direktor Wolfgang Amoussou, der als Trainingspartner fungiert, steht Para-Athlet Roberto Lomba auf der Judomatte.

Für den sehbehinderten Studenten der Lunex ist sein Lieblingssport, den er über eine Initiative des CDV („Centre pour le développement des compétences relatives à la vue“) kennengelernt hat, eine Sache des Ertastens und Erfühlens. „Ich war auf der Suche nach einer Sportart, der ich mich ganz hingeben kann. Judo passt ganz speziell zu mir, weil man spüren muss, was man unternimmt, und man immer den Kontakt zum Gegner hat. Man fühlt, was der Gegner als Nächstes machen will, und so kann man darauf reagieren. Die Tatsache, dass man nicht gut sieht, ist hier nicht unbedingt ein Nachteil. Über den Kumikata, den Griff am Judogi, der Sportkleidung, ist man in ständiger Berührung mit dem Gegner.“

Mit einer Sehstärke von nur fünf Prozent läuft der Lernprozess für Lomba über viele, ausführliche Erklärungen und übers Abtasten. „Zuerst wird sehr detailliert alles erklärt, danach zeigt der Trainer, wie die verschiedenen Griffe funktionieren. Der Trainer praktiziert dies bei uns, damit wir dies auch genau spüren. Alles verläuft ‚Step by step’, wie man einen Wurf ausführt oder wie man die Gegenwehr startet.“ Oder wie am Freitag, als Trainer Jérôme Guenzi die einzelnen Griffe am Trainingspartner demonstriert. Lomba sitzt dann ganz nah und konzentriert an den beiden Judokas dran. „Auf einen Meter Entfernung kann ich relativ gut erkennen, was man mir zeigt.“ Es bestehen Parallelen zwischen seiner Sportart und der Wahl seiner beruflichen Ausbildung, denn in der Physiotherapie kommt es ebenfalls auf das Spüren an. „Ich versuche, mich hier vor allem auf das Gefühlte zu basieren, um meine Diagnosen zu stellen.“ 

Im Lernprozess

Roberto Lomba liebt seit jeher den Sport über alles. Trotz der Einschränkung seiner Sehkraft kennt er kaum Grenzen in seinem Drang nach Bewegung. „Ich war schon immer ganz aktiv. Bereits in der Grundschule habe ich Fußball gespielt und war bei der Lasep. Laufen, Fahrradfahren und Fitness gehören zu meinem Alltag. Ich versuche dabei auf bekannten Wegen zu bleiben und treibe Sport meistens alleine.“ 

Die Sehstärke von Roberto Lomba liegt bei fünf Prozent
Die Sehstärke von Roberto Lomba liegt bei fünf Prozent Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Vier- bis sechsmal die Woche stehen Judo- und Krafttraining auf seinem Programm. Neben den spezifischen Einheiten mit dem Para-Nationaltrainer Jérôme Guenzi trainiert er noch in Mersch im Verein mit den Validen. Hier wird Inklusion gelebt, so nimmt er ebenfalls an Wettbewerben mit validen Judokas teil. Und das funktioniert. Aber es gibt auch Teilnahmen an internationalen Events, wie bei den Grand Prix der IBSA (Internationaler Blindensport-Verband) rezent in Finnland, Heidelberg und Antalya. „Hier durchlaufe ich noch einen Lernprozess. Das Niveau ist hier sehr hoch, mit Sportlern, die schon jahrelang dabei sind und die Techniken perfekt beherrschen.“

Lomba fühlt sich wohl auf dem Tatami, einem Freiraum ohne Hindernisse, und hat dort sehr viel Spaß. Trotz einer anstrengenden Trainingseinheit von einer guten Stunde, der Schweiß tropft nur so über seine Stirn und seine Nase hinunter, hat der junge Sportler stets ein Lächeln auf dem Gesicht. „Es bereitet mir enormen Spaß. Ich erlebe immer wieder etwas Neues, sportlich wie auf sozialer Ebene. Kurzfristig möchte ich meine Techniken verbessern und mich noch besser auf der Wettkampffläche bewegen, um an Europa- und Weltmeisterschaften teilzunehmen. Mein großes Ziel sind die Paralympics 2028 in Los Angeles.“  

Ziel: Los Angeles 2028

Diese Zielsetzung sieht auch sein Trainer Jérôme Guenzi, der die Entwicklung des Para-Judo-Projekts Revue passieren lässt. „Anfänglich hatten wir eine kleine Gruppe von Sehbehinderten, welche die Kampfsportart Judo nur entdecken sollten. Das Hauptziel lag im Bereich der Inklusion dieser Sportler in die nationale Vereinsebene. Ganz schnell hat Roberto die Eigenschaften und den Willen gezeigt, richtig in diese Sportart einzusteigen, sodass wir seinem Wunsch nachgekommen sind, Wettbewerbe mit Validen zu bestreiten. Anschließend wurde die Finanzierung seitens des LPC sichergestellt und Roberto konnte auch seine Klassifizierung im Para-Judo letztes Jahr im Juli erreichen.“

Er fügte hinzu: „Jetzt haben wir eine kleine Gruppe von Sportlern zusammengestellt, deren Ziel es ist, die Qualifikation für L.A. 2028 zu erreichen. Die Entwicklung bei Roberto ist so, dass er sich momentan in der Hälfte des Klassements, so um den 30. Rang, befindet. Die Tür nach Paris 2024 hat sich etwas geöffnet, könnte aber nur über den Weg einer Wildcard laufen. Bis jetzt war die Auslosung der Wettbewerbe nie günstig für Roberto. Im Tableau gibt es Athleten, die auf seinem Niveau sind, aber leider ist er sowohl in Heidelberg als auch in Antalya auf denselben guten Koreaner getroffen.“

Jetzt steht eine längere Wettkampfpause an, denn man möchte Rücksicht nehmen auf die kommenden Examina von Roberto Lomba. Somit wird man auf eine Teilnahme am Grand Prix in Georgien verzichten und der nächste Einsatz ist demnach für Dezember in Tokio geplant. „Das Hauptziel war von Beginn an L.A. 2028. Ein realistisches Ziel. Wenn alle aktuellen Sportler langfristig mitziehen, wird Roberto sicherlich nicht allein in vier Jahren bei den Paralympics im Judo für Luxemburg antreten.“ Guenzi träumt davon, das nationale Para-Judo-Projekt weiterzuentwickeln und in den nächsten Jahren einen Grand Prix IBSA in Luxemburg zu organisieren und somit die besten Para-Judokas im Großherzogtum zu empfangen. 

Steckbrief

Roberto Lomba
Geboren am:
19. Mai 1998
Wohnort: Merscheid
Beruf: Physiotherapie-Student an der Lunex
Sportart: Para-Judo (J2 -73 kg)
Verein: Judo Mersch
Verband: FLJudo und LPC


JuDo Your Best

Ein einzigartiges Kooperationsprojekt des LPC und der FLAM, heute von der neugegründenten FLJudo übernommen, mit der finanziellen Unterstützung der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“, zur Entwicklung der Sportart Para-Judo in Luxemburg. Der Fokus bei dieser Zusammenarbeit liegt auf der Arbeit für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung. Ziel ist es, neben einem wöchentlichen Trainingsangebot ein Modul Para-Judo für die spezifische Trainerausbildung zu erstellen sowie Sehbehinderte in die Vereinsstrukturen aufzunehmen. Die aktuelle Laufzeit des Projektes geht bis Mitte dieses Jahres. Zurzeit laufen die Planungen jedoch auf eine gezielte Weiterführung dieser Aktion.