Mittwoch31. Dezember 2025

Demaart De Maart

StandpunktOrbáns innenpolitische Lieblingswaffe: Ausländische Desinformation

Standpunkt / Orbáns innenpolitische Lieblingswaffe: Ausländische Desinformation
Ein investigatives Nachrichtenmagazin veröffentlichte einen Dokumentarfilm über Viktor Orbáns umfangreiche Vermögensanhäufung mithilfe systemischer Korruption Foto: AFP/Attila Kisbenedek

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Trotz der sinkenden Popularität der Fidesz-Partei könnten von Russland unterstützte Desinformationsbemühungen ihr vor den Wahlen 2026 zu einem Aufschwung verhelfen. Die EU muss stärker gegen kremlfreundliche Desinformation und die Vereinnahmung der Medien vorgehen.

Womöglich geht der 23. Januar 2025 als der Tag in Ungarns Geschichtsbücher ein, an dem eine simple Falschmeldung die Nation in Angst und Schrecken versetzte. Eine vermeintliche E-Mail-Kampagne „muslimischer Terroristen“ drohte damit, den „Zorn der Unterdrückten“ zu entfesseln und löste im ganzen Land Panik aus. 300 Schulen wurden evakuiert und viele weitere Gebäude nach Sprengkörpern durchsucht.

Die Drohung war Teil einer europaweit koordinierten Operation, um Panik und Verwirrung zu streuen. Ähnliche Fälle wurden in Frankreich, Deutschland, Spanien und anderen EU-Ländern gemeldet, wobei die Warnungen nicht nur an Schulen, sondern auch an Gerichte, Staatsanwaltsbüros und Einkaufszentren gerichtet waren.

Seit langem setzt der Kreml Verschwörungsmythen zur Einflussnahme ein, und diese Ente spielte direkt in die entsprechende Strategie hinein. Durch die fingierte „islamistische“ Bedrohung befeuert der Kreml in ganz Europa rechtsextreme und migrationsfeindliche Narrative, beeinflusst die öffentliche Meinung, diskreditiert politische Gegner – und lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit weg von der Ukraine.

Für Orbán war die Falschmeldung von politischem Nutzen. Statt sie als Sicherheitsproblem zu behandeln, nutzte die Regierung die Gelegenheit, um die Schuld für Ungarns wirtschaftliche Probleme, das Versagen des öffentlichen Dienstes und die Korruptionsskandale auf die üblichen äußeren Feinde zu schieben: die EU, Zuwanderer und ausländische Verschwörungen.

Legale Zuwanderung wird kriminalisiert

In der Regel folgten in Mittel- und Osteuropa auf derartige Vorfälle unverzüglich Ermittlungen zur nationalen Sicherheit und ein Engagement, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In der Tschechischen Republik machten die Geheimdienste russische Nachrichtendienste für die Anschläge verantwortlich. In Bulgarien zogen staatliche Behörden eine ähnliche Schlussfolgerung.

Die Häufigkeit solcher Angriffe, insbesondere seit Russlands Angriff auf die Ukraine 2022, deutet darauf hin, dass ausländische Informationsmanipulation und Einmischung (FIMI) zunehmend zu einer Sicherheitsherausforderung für die 27 EU-Länder werden.

Durch die fingierte „islamistische“ Bedrohung befeuert der Kreml in ganz Europa rechtsextreme und migrationsfeindliche Narrative, beeinflusst die öffentliche Meinung, diskreditiert politische Gegner – und lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit weg von der Ukraine

Wegen des Ausmaßes der verursachten Störungen wurden Schulen strategisch als Ziele ausgewählt. Eine Bombendrohung betrifft nicht nur die Schüler, sondern ebenso deren Familien und ihr Umfeld. Staatliche Behörden sind gezwungen, schnell zu reagieren, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, was erhebliche öffentliche Mittel erfordert.

Die Ereignisse des 23. Januar sind ungewöhnlich, weil das Ziel ein Kreml-Bündnispartner war. Dennoch verlor die Orbán-Regierung keine Zeit. Noch während Schulen im ganzen Land nach Sprengsätzen durchsucht wurden, bezeichnete Ungarns Außenminister Péter Szijjártó die Bedrohungen als „direkte Folge“ der Migrationspolitik, die „Brüssel und die westeuropäischen Länder nun schon seit fast zehn Jahren verfolgen“. Er verteidigte die rechtswidrigen „Stop Soros“-Gesetze der Regierung, die legale Zuwanderung kriminalisieren.

Staatlich gelenkte Medien gegen Opposition

Zugleich wendete sich die Propagandamaschine der Regierung gegen innenpolitische Gegner. Eines der Hauptziele war die Tisza-Partei (Tisztelet és Szabadság Pártja), die „Partei für Respekt und Freiheit“, an deren Spitze Péter Magyar, Ex-Ehemann der ehemaligen Justizministerin Judit Varga, steht. Unter Magyars Führung gewann die Tisza-Partei an Rückhalt, erhielt im Juni 30 Prozent der Stimmen fürs Europaparlament und verdrängte in den letzten Monaten Orbáns Fidesz-Partei in Meinungsumfragen auf den zweiten Platz. Staatlich gelenkte Medien verwendeten große Ressourcen darauf, Magyar als psychisch labil und gefährlich zu zeichnen.

Ungarns staatlich organisierte Desinformation hat eine lange Geschichte. Eine ihrer berüchtigtsten und nachhaltigsten Kampagnen ist die Theorie des „Großen Austauschs“. Seit über einem Jahrzehnt verbreitet die Fidesz-Partei die Behauptung, der international tätige Stiftungsgeber George Soros und die EU hätten sich verschworen, um Europas Bevölkerung mit muslimischen Zuwanderern auszutauschen. Die Regierung nutzt dieses Narrativ, um unter dem Deckmantel des Schutzes der „Souveränität“ ein hartes Durchgreifen gegen Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien zu rechtfertigen.

Das Amt für den Schutz der Souveränität leitete eine Untersuchung gegen die Aktivitäten der US-Behörde für internationale Entwicklung USAID (United States Agency for International Development) ein und behauptete, die Organisation sei Teil „breiterer Bestrebungen, politisch Einfluss auszuüben“. Dies nährt die Verschwörungstheorie, dass in Brüssel das Finanzierungsmodell des jüdischen Milliardärs Soros und seiner Organisationen kopiert wurde.

Arbeiten der Kreml und Fidesz zusammen?

Auch die Ukraine geriet erneut unter Beschuss. Ungarns Regierung verbreitet haltlose Verleumdungen, die Ukraine finanziere „Direkt36“, ein investigatives Nachrichtenmagazin, das vor wenigen Wochen einen Dokumentarfilm über Orbáns umfangreiche Vermögensanhäufung mithilfe systemischer Korruption veröffentlicht hat. Darüber hinaus behaupten die Fidesz-nahe Zeitung Magyar Nemzet und andere dem Ministerpräsidenten verbundene Zeitungen, „ukrainische Geheimdienste“ verfolgten eine heimliche Kampagne zu seinem Sturz.

Mit der Wiederwahl Trumps kann Orbán einer von den Demokraten geführten Regierung auf Dauer nicht vorwerfen, „ausländische Agenten in Ungarn zu finanzieren“. Er musste eine „neue Bedrohung für die nationale Souveränität“ ausmachen, die zur Kampagne gegen Präsident Selenskyj passt, den Ungarns Propagandamedien unermüdlich in absurd negativen Begriffen zeichnen – als „Clown“ oder sogar als Schuldigen für Putins völkermörderischen Krieg in der Ukraine.

Ungarns Regierung verbreitet haltlose Verleumdungen, die Ukraine finanziere „Direkt36“, ein investigatives Nachrichtenmagazin, das vor wenigen Wochen einen Dokumentarfilm über Orbáns umfangreiche Vermögensanhäufung mithilfe systemischer Korruption veröffentlicht hat

Russlands Rolle bei der fingierten terroristischen E-Mail-Kampagne und die Fidesz-Reaktion geben Anlass zu ernsten Fragen über eine Kollaboration. Der Kreml unterhielt in Ungarn bereits ein verzweigtes Unterstützer-Netzwerk wie die rechtsextreme Partei „Unsere-Heimat-Bewegung“ (Mi Hazánk Mozgalom) und pro-russische Medienkanäle. Besonders die Vertrautheit mit Orbán ermöglichte eine Weitergabe und Verbreitung strategischer Methoden. Die Verbreitung russisch unterstützter, euroskeptischer und kremlfreundlicher Narrative und Falschinformationen dürfte im Vorfeld der ungarischen Parlamentswahl 2026 noch zunehmen. Obwohl innenpolitische Spannungen in Ungarn zunehmen, könnte pro-russische Desinformation maßgeblich zu einem Wahlsieg Orbáns 2026 beitragen.

Sanktionen wegen Desinformation erwägen

Die EU hat auf Orbáns Gebaren in den letzten Jahren mit einer gewissen Härte reagiert – unter anderem durch die Einbehaltung von Strukturfondsgeldern – muss aber noch stärker durchgreifen.

Vor allem sollte die Europäische Kommission die Vereinnahmung der Medien mit rechtlichen und politischen Mitteln angehen. Staatlich gelenkte Medien in Ungarn spielen eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung russlandfreundlicher Desinformation, stärken das Kreml-Narrativ und schwächen demokratische Resilienz. Die EU muss gegen die Vereinnahmung der Medien vorgehen und unabhängige Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen in Ungarn unterstützen, vor allem jetzt, da Trump erhebliche Mittel zur Verteidigung der Demokratie in Mittel- und Osteuropa gestrichen hat. Darüber hinaus sollte die Kommission Sanktionen oder andere Strafmaßnahmen gegen Mitgliedstaaten erwägen, die Desinformation unterstützen.

Umfang, Reichweite und Raffinesse ausländischer Informationsmanipulation und Einmischung nehmen weiter zu. Dagegen vorzugehen muss für die Europäische Union eine Priorität sein – sowohl um dem zersetzenden russischen Einfluss und Orbáns destruktiver Macht entgegenzutreten als auch um die Demokratie in einer Zeit zu verteidigen, die so gefährdet ist wie nie zuvor.

* Edit Zgut-Przybylska ist Assistenzprofessorin am IFIS der Polnischen Akademie der Wissenschaften und Visiting Fellow am CEU Democracy Institute

Phil
11. März 2025 - 12.06

@JJ
Blödsinn!

JJ
10. März 2025 - 13.16

Putins Mann in der EU. Seit langem .