Österreich/UngarnOrban wischt in Wien Kritik an Nazi-Sprüchen vom Tisch

Österreich/Ungarn / Orban wischt in Wien Kritik an Nazi-Sprüchen vom Tisch
Ungarns Regierungschef Victor Orban (l.) mit dem österreichischen Kanzler Karl Nehammer vor einer Pressekonferenz Foto: Alex Halada/AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Er sei weder Antisemit noch Rassist, beteuert Ungarns Premier Viktor Orban in Wien und „entschuldigt“ einschlägige Verbalinjurien mit einem Hang zur Missverständlichkeit.

Karl Nehammer (ÖVP) hat sich lange bitten lassen. Erst am Mittwoch nahm der Bundeskanzler nach einer Aufforderung des Auschwitz-Komitees zur Rede Stellung, mit der Orban am Samstag im rumänischen Baile Tusnad für Empörung gesorgt hatte, weil er darin gegen migrationsbedingte „Rassenvermischung“ Stimmung und mit Blick auf die Gasversorgungskrise eine geschmacklose Nazi-Anspielung auf „deutsches Know-how von früher“ gemacht hatte. Die Aussagen seien „natürlich zu kritisieren“, sagte Nehammer und versprach, dies Orban auch bei dessen Besuch in Wien am Donnerstag ins Gesicht zu sagen.

Wirkliche Verstimmung ob der unsäglichen Nazi-Rhetorik seines Gastes ließ Nehammer allerdings nicht erkennen. Die gemeinsame Pressekonferenz mit dem „lieben Viktor“ leitete der Kanzler mit einer ausführlichen Würdigung der „tief gehenden Freundschaft“ Österreichs und Ungarns ein. Freundschaft bedeute aber auch, unterschiedliche Auffassungen in aller Klarheit anzusprechen. An erster Stelle nannte Nehammer das Thema Atomenergie, bei dem sich Wien und Budapest absolut uneinig sind. Erst als zweiten Punkt sprach er „die letzten Vorkommnisse“ aus der Rede des Premierministers an. Es sei ihm „wichtig, dass wir in Österreich jede Verharmlosung oder Relativierung von Rassismus oder Antisemitismus auf das Schärfste zurückweisen“, sagte Nehammer und betonte noch einmal die gute Freundschaft.

Orban nimmt die Kritik an und liefert sogar eine Äußerung, die mit sehr viel Wohlwillen zumindest als Ansatz einer Entschuldigung interpretiert werden könnte: „Dass ich manchmal missverständlich formuliere, das kommt vor“, sagte der Premier und verweist „stolz“ auf die Resultate Ungarns bei der Bekämpfung von Antisemitismus. Ungarn bekämpfe Antisemitismus, es gebe da „Zero-Toleranz“. Dass er selbst es ist, der immer wieder antisemitisch oder rassistisch konnotierte Sprüche klopft und gerade in Baile Tusnad den jüdischen Philantropen George Soros wieder einmal als heimlichen Herrscher der EU dargestellt hat, versucht Orban mit dem Hinweis auf seine Neigung zur Missverständlichkeit vom Tisch zu wischen.

Gegen Migration und Gasembargo

In Wien funktioniert das auch. Denn Nehammer hatte Wichtigeres zu besprechen. Die Balkan-Route ist wieder einmal zu sperren. Ungarn werde „ein noch wichtigerer Partner, weil wir von einer noch größeren Welle der Migration betroffen sind“, sagt der ÖVP-Chef und verweist auf bereits 31.000 Asylanträge plus 80.000 Flüchtlinge aus der Ukraine. Und weil Österreich-Ungarn das nicht alleine auf die Reihe kriegt, will er Serbien mit ins Boot holen. Eine trilaterale Konferenz soll darüber beraten, wie Migranten nicht erst an Ungarns Südgrenze, sondern schon in Serbien abgefangen werden können. Das sei „keine rassistische Frage, sondern eine Frage der Kultur“, pflichtet Orban bei. „Unsere Zivilisation soll so erhalten bleiben.“ Da ist man sich einig.

Nicht ganz, aber in einem zentralen Punkt einig ist man sich auch in Sachen Ukraine-Krieg. Während Orban die EU-Strategie für gescheitert erklärt und Europa schon in eine „Kriegswirtschaft schlittern“ sieht, glaubt Nehammer, dass die Sanktionen wirken werden, es aber noch Zeit brauche. Doch er ist „einer Meinung“ mit Orban, dass ein Gasembargo gegen Russland nicht möglich sei. Ob noch viel Zeit fürs Warten auf die politische Wirkung der Sanktionen bleibt, muss in Österreich allerdings bezweifelt werden: Schon jetzt sind einer aktuellen Umfrage zufolge 55 Prozent der Österreicher für einen Stopp der Sanktionen, sollten die Preise weiter steigen.

benschmidt23457
31. Juli 2022 - 6.56

Unglaublich dieser österreichische Bundeskanzler. Eine richtige Witzfigur mit mangelnder Empathie und diplomatischem Feingefühl. Wie konnte so jemand zum Kanzler gewählt werden?

Grober J-P.
30. Juli 2022 - 9.08

" 55 Prozent der Österreicher für einen Stopp der Sanktionen, sollten die Preise weiter steigen." Und dann werden die Preise wieder fallen? Sehen sie mal was die Multis wie Shell und Exxon und Nestlé z.B. an momentan Gewinnsteigerungen hinlegen, denen kam der Ukrainekrieg zur richtigen Zeit.