Mittwoch22. Oktober 2025

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„Opposition geschlossen gegen Orban“: Momentum-Gründer Fekete-Györ kämpft für eine Wiederholung der Geschichte

„Opposition geschlossen gegen Orban“: Momentum-Gründer Fekete-Györ kämpft für eine Wiederholung der Geschichte

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Seit Ungarns Momentum- Bewegung bei der EU-Wahl 9,9 Prozent erreicht hat, ist ihr Gründer Andras Fekete-Györ der aufgehende Stern am ungarischen Oppositionshimmel. Wir sprachen mit dem 30-Jährigen über seine Ziele und Ambitionen.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer

Tageblatt: Als Sie vor 30 Jahren geboren wurden, machte sich ein junger Liberaler mit einer Jugendbewegung daran, die Kommunisten zu stürzen. Fühlen Sie sich nicht Viktor Orban biografisch irgendwie verbunden?
Andras Fekete-Györ: Ja, die Ähnlichkeiten sind sichtbar. Momentum ist (wie anfangs Orbans Fidesz) eine Jugendbewegung, kämpft für Freiheit in einem autokratischen Regime. Damals war es das kommunistische Regime, heute ist es das von Orban. Die Geschichte wiederholt sich. Es gibt aber einen großen Unterschied: Unsere Sozialisierung hat schon in einem demokratischen Ungarn begonnen. Die Fidesz-Gründer hatten diese Möglichkeit nicht.

Orban hatte auch die Möglichkeit zur Entwicklung. Er hat sich aber in die Gegenrichtung vom Liberalen zum autoritären Populisten entwickelt. Wie erklären Sie sich das?
Ich war selbst 2010 Fidesz-Wähler. Die erste Fidesz-Regierung (1998-2002) war eine bürgerliche Regierung der Mitte. Dann hat Orban 2002 und auch 2006 gegen die Sozialisten verloren. Fidesz-Mitglieder erzählen, Orban habe nach diesem doppelten Scheitern im Populismus einen Schlüssel zur Macht entdeckt.

Orban hat in den 1980ern pikanterweise für die Soros-Foundation gearbeitet, gegen deren Gründer und Financier er heute kampagnisiert. Warum geht so ein Widerspruch bei vielen Ungarn durch?
Soros wurde als Amerikaner, Milliardär und Jude zum Feindbild stilisiert. Orban werden die Fragen (nach seiner eigenen Soros-Vergangenheit; d.A.) gestellt und er sagt einfach, das sei 30 Jahre her und man ändere seine Ansichten.

Momentum war bei der EU-Wahl mit fast zehn Prozent überraschend stark, aber für eine Wende ist das wohl zu wenig. Wie wollen Sie die schaffen?
Im Oktober sind Kommunalwahlen. Wie wir schon in Polen und in der Türkei gesehen haben, gibt es einen Trend, dass die Opposition wichtige Städte einnimmt. In Budapest wird es ein knappes Rennen zwischen dem gemeinsamen Oppositionskandidaten Gergely Karacsony von der Partei Parbeszed (Dialog) und dem amtierenden Fidesz-Bürgermeister Istvan Tarlos geben. Es gibt mehrere größere Städte, wo die Opposition die Chance hat, Fidesz zu schlagen. Das ist sehr wichtig, weil die Kommunen ein wichtiger Teil der Propagandamaschine sind.

Mit welchen Parteien gehen Sie Bündnisse ein?
Es gibt sechs ernst zu nehmende Parteien. Und gerade eine halbe Stunde vor unserem Gespräch haben diese sechs Parteien in Budapest ein Bündnis erklärt. Das heißt: In jedem Bezirk steht ein Oppositioneller dem Fidesz-Kandidaten gegenüber. Momentum und die Demokratische Koalition (DK) von Ex-Premier Ferenc Gyurcsany sind die stärksten Kräfte dieses Bündnisses.

Wie halten Sie es mit der früher offen rechtsextremen, inzwischen zumindest nach außen gemäßigt auftretenden Jobbik-Partei?
In Budapest sind sie Teil des Bündnisses, aber rechnerisch spielen sie landesweit, wie auch die Grünen, keine Rolle. In anderen Städten hat Jobbik aussichtsreiche Kandidaten, die dort von der Opposition gemeinsam unterstützt werden. Für die Wähler ist das ein wichtiges Signal: Es gibt eine geeinte Opposition.

Sie gehören im EU-Parlament – wie früher übrigens Fidesz – der liberalen Fraktion an, befürworten aber auch Orbans Grenzzaun. Wo steht Momentum politisch und ideologisch?
Man kann uns mit Macrons En Marche vergleichen. Das liberale Gesicht ist sehr sichtbar. Wir sind sehr proeuropäisch, aber auch pragmatisch in der Hinsicht, dass die Grenzzäune in Südungarn für uns akzeptabel sind. Nicht akzeptabel ist für uns der inhumane Umgang der Regierung mit Flüchtlingen.

Würde sich Ungarn, wenn Sie in der Regierungsverantwortung wären, an einer Verteilung von Flüchtlingen in der EU beteiligen?
Ja, auf jeden Fall.

Wie soll die EU mit Ungarn umgehen – Einflussnahme von außen kann auch Wasser auf Orbans Mühlen sein?
Wir arbeiten jetzt mit unseren zwei Europaabgeordneten daran, dass die EU Fördergelder nur auszahlt, wenn in Ungarn die Rechtsstaatlichkeit garantiert ist. Das war auch ein Hauptthema unserer EU-Wahlkampagne. Denn die EU-Gelder wurden von Oligarchen im Umfeld von Viktor Orban gestohlen. Alle Ungarn wissen das.

Trotzdem wählen mehr als die Hälfte Fidesz.
Es gibt drei Gründe dafür: die Wirtschaftslage ist gut, die Propaganda im Zuge der Migrationskrise und die Zersplitterung der Opposition. Das hat sich jetzt geändert. Die Opposition ist jetzt geschlossen gegen Orban. Auf lokaler Ebene ist das einfacher. Die Frage stellt sich 2021 im Jahr vor den Parlamentswahlen. Da werden wir wieder ein Bündnis brauchen. Die Frage ist, welche Parteien werden die führende Kraft sein? Ich möchte natürlich, dass Momentum die stärkste Oppositionskraft wird.

Wollen Sie Regierungschef werden?
Ich bin 30 und fühle mich noch nicht bereit dafür. Trotzdem haben ich selbstverständlich die politische Ambition. Für mich als Gründer ist es natürlich wichtig, dass Momentum einmal regiert.

Regierungschef mit 33 wäre in Österreich nichts Ungewöhnliches.
Ich bin nicht Sebastian Kurz. Ich stehe in Ungarn vor einer noch größeren Herausforderung, da es hier ein autokratisches System und viele Oppositionsparteien gibt.

Die EVP ringt noch immer mit sich, ob sie sich von Fidesz trennen soll. Was empfehlen Sie ihr?
Ich würde es begrüßen, wenn Fidesz ausgeschlossen würde.

Wie beurteilen Sie, dass Frankreichs Präsident Macron gerade in seltener Eintracht mit Orban die Demontage der Spitzenkandidaten für den EU-Kommissionsvorsitz betrieben hat?
Natürlich, das stört uns. Aber ich mache mir keine Illusionen über die Gruppendynamik im Europäischen Rat. Sie haben Viktor Orban als Chef der Visegrad-4 gesehen. Für ihren Kompromiss brauchten sie die Visegrad-Staaten und sie dachten, Orban könnte das leisten. Und am Ende des Tages ist es gelungen.

Damit hat Orban aber auch sein Standing in der EU wieder verbessern können.
Sieht so aus. Aber ich denke, dass die anderen Regierungschefs Orban als Outsider betrachten. Er wird nicht so ernst genommen, wie er das möchte.

Wo sehen Sie sich und Ungarn in 20 Jahren, wenn wir 50 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs feiern?
Ich möchte Ungarn in politischem Frieden sehen, wo Linke und Rechte einander nicht hassen, sondern zusammenarbeiten. Und ich sehe einen transparenten Staat frei von Korruption.