Mittwoch5. November 2025

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Forum von Guy Rewenig„Only God can judge me“ – Warum wir unbedingt ein Sportmuseum brauchen

Forum von Guy Rewenig / „Only God can judge me“ – Warum wir unbedingt ein Sportmuseum brauchen
 Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

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„Schon wieder Gewalt gegen Frauen!“, denkt man bei dieser surrealen Szene: Im hauptstädtischen Fußballstadion protestiert eine Gruppe Frauen gegen einen verurteilten Gewalttäter, der sich an Frauen vergriffen hat, ein paar Security-Rabauken rücken den Demonstrierenden gewalttätig zu Leibe und entreißen ihnen Banner und Plakate. Es zeugt von bitterer Ironie, dass hier ausgerechnet Menschen, die sich gegen Gewalt erheben, mit Gewalt an ihrer Aktion gehindert werden. Unterdessen steht der visierte Gewalttäter als Nationalelfspieler auf dem Feld und tut, was er am besten kann: nachtreten. Seine Schlagkraft ist berüchtigt. Vor ihm ist kein Ball sicher.

Indem der Nationaltrainer stur und wider bessere Einsicht am (gelegentlichen) Torschützen Rodrigues festhält, macht er sich zum Gaukler, der das Fußballpublikum täuscht, weil die Mannschaft ohnehin nicht einlöst, was der Torheld verspricht. Warum nimmt sich der Trainer kein Beispiel an der erstaunlichen Entwicklung von Paris Saint-Germain? Seit die Egozentriker Mbappé, Messi und Neymar weg sind, zeigt der PSG regelmäßig eine beeindruckende Mannschaftsleistung.

Doch nicht nur aus diesem Grund ist der selbstverliebte Herr Rodrigues eher ein Störfaktor denn eine Bereicherung. Der Trainer selbst hat ihm wiederholt Disziplinlosigkeit bescheinigt, Unachtsamkeit, unsolidarisches Benehmen, Regelverachtung und großmäulige Überheblichkeit. Sein Verhalten nach der Verurteilung als Gewalttäter lässt tief blicken. Keine Spur von Einsicht, kein Anzeichen von Reue oder wenigstens Bedauern. „Only God can judge me“, postet der knallharte Draufgänger. Allein mit diesem Satz disqualifiziert er sich endgültig und müsste sofort aus der Nationalelf ausgeschlossen werden. Er wurde rechtskräftig verurteilt, aber er zeigt seinen Richtern den Stinkefinger. Für ihn gilt die irdische Justiz nicht. Er verabschiedet sich demonstrativ vom demokratischen Konsens. Er glaubt, so göttlich zu spielen, dass einzig und allein der Allmächtige für ihn zuständig ist: „Only God can judge me.“ Spätestens an diesem Punkt erwartet man, dass der Fußballverband energisch durchgreift. Vergebens, wie wir wissen.

Wer ist eigentlich „God“, auf den sich der Gewalttäter so felsenfest beruft? Wenn man sich vor Augen führt, wie viele demokratiefeindliche Potentaten ihre privilegierte Beziehung zu „God“ ins Feld führen, kommt man zum Schluss: Dieser Gott scheint eine Art Oberschurke zu sein, der die scheußlichsten Verbrecher auf Erden wohlwollend unter seine Fittiche nimmt. „Gott hat mich gerettet, damit ich Amerika wieder groß mache“, tönt beispielsweise der verurteilte Straftäter Trump. Auch Herr Rodrigues wurde vermutlich von Gott gerettet, damit er den Luxemburger Fußball zu neuem Glanz führe. Davon kann man zurzeit leider nicht viel sehen. Im Spiel gegen Slowenien schoss Herr Rodrigues den Ball himmelhoch übers Tor, schnurstracks Richtung Gott. Man fragt sich, warum dieses fußballerische Dorftheater unbedingt die nationale Bühne braucht. Gott oh Gott!

Funktionärsunwesen

Mit der Causa Rodrigues schwingt sich das Funktionärsunwesen zu einer neuen negativen Hochleistung auf. Während der Tischtennisverband in den eigenen Reihen wütete und die Nationalspielerin Sarah De Nutte monatelang mit moralischer Belästigung überzog, weil sie es wagte, öffentlich ihren persönlichen Standpunkt kundzutun, greift der Fußballverband nun nach außen die gesamte demokratisch verfasste Gesellschaft an. Wie nennt man das? Ausweitung der Arroganzzone? Mit dem verheerenden Kunststück, sowohl der freien Presse die Legitimation abzusprechen, als auch den Bürger*innen das Recht auf öffentliche Meinungsäußerung zu entziehen, katapultiert sich die FLF ins Abseits.

Die gute Nachricht ist: Jetzt wird in Esch auf dem Areal „Rout Lëns“ ein Sportmuseum gebaut. Wir sind zuversichtlich, dass unter den Exponaten dem Fußball ein Sonderplatz eingeräumt wird. Man könnte zum Beispiel Herrn Rodrigues als Wachsfigur aufstellen. Zur Abschreckung, natürlich. Im Ernst: Damit die Szenografie im neuen Museum nicht zur sentimentalen Souvenirvitrine verkommt, muss Fußball unbedingt in seiner ganzen Tragweite erfasst werden. Vor allem das Gewaltpotenzial dieser Sportart verdient eine ausführliche Dokumentation. Die hässlichen Bilder von den Zuschauerrängen im Stadion, wo Frauen handgreiflich verwehrt wird, ihre freie Meinung zu äußern, gehören ebenso in die Museumsschau wie die Fotos von foulbesessenen Spielern, randalierenden Hooligans, selbstherrlich repressiven Trainern, uneinsichtigen Funktionären, prügelnden Spielervätern und korrupten Vereinsvorsitzenden.

Kriegsschauplatz

Auch die zunehmend häufigen Massenschlägereien zwischen verfeindeten Anhängern liefern ein vorzügliches Anschauungsmaterial. Hier tritt nämlich der „Vorbildcharakter“ des Fußballs deutlich zutage: Es geht im Kern um Vernichtung des Gegners. Kein noch so penetrantes Fairplay-Gesäusel kann darüber hinwegtäuschen, dass sich der internationale Fußball unaufhaltsam zum generalstabsmäßig betreuten, mit Milliardensummen befeuerten Kriegsschauplatz entwickelt. Insofern spiegelt er wirklichkeitsgetreu die Zustände in der Gesellschaft wider. Wenn im Fußballstadion inzwischen kleine Autokraten den Lauf der Dinge bestimmen, verweist diese Unart nur auf den größeren Rahmen einer politischen Verrohung, die immer bedrohlicher in die autoritäre Versuchung abgleitet.

Die Fußballabteilung im neuen Sportmuseum könnte demnach als heilsames Schreckenskabinett inszeniert werden. Da der Museumsbau in der Minettemetropole stehen wird, sollte dabei eine makabre Escher Pointe besondere Beachtung finden: die leidvolle Episode „Mord und Totschlag am Spielfeldrand“. Wir erinnern uns an das gruselige Debakel. In der Theorie ist Fußball ein schönes Spiel. In der Praxis verwandelt er sich auffällig schnell in einen Laufsteg für allerlei versteckte und offene Gewalttäter. Vielleicht kann das geplante Sportmuseum künftig als Mahnmal wirken.

Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Mir fällt ein Stein vom Herzen und zertrümmert meinen dicken Zeh. Miniaturen“.
Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Mir fällt ein Stein vom Herzen und zertrümmert meinen dicken Zeh. Miniaturen“.
Pin Mac
12. Juni 2025 - 7.26

Keeng Suen fir esou e Schwachsinn.

De Péiter vun Eiter
11. Juni 2025 - 11.22

Dat nennen ech e gudden Artikel. Et mech ëmmer erëm Fred an et ass e Genoss genau wéi séng Bicher ze liesen. Merci!

JJ
11. Juni 2025 - 9.27

Köstlich wie immer Herr Rewenig. Bravo.

Hottua Robert
11. Juni 2025 - 0.01

Der ab 1933 im päpstlichen "Luxemburger Wort" befürworteten Gewalt wurde bis heute keine Absage erteilt. MfG, Robert Hottua

Dunord Hagar
10. Juni 2025 - 23.36

Weshalb erinnert mich Rewenig an Non-Stop Nonsense Ikone Didi Hallervorden... die Hose ist im Arsch... höhöhö!

Pierrard Romain
10. Juni 2025 - 20.43

Glückwunsch Herr Rewenig für Ihren ausgezeichneten Beitrag. In Ihrer gewohnt unnachahmlichen Art bringen Sie Ihre Überzeugung zum Ausdruck, die ohne Zweifel zahlreichen Lesern aus dem Herzen spricht.

Guy Mathey
10. Juni 2025 - 15.39

Super Artikel, Herr Rewenig, mit welchem Sie die Problematik des Luxemburger Sports auf eine hervorragende Art und Weise beleuchten.