Samstag1. November 2025

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GroßbritannienOligarchen-Villen für Flüchtlinge: London will nichts mehr von russischem schmutzigen Geld wissen

Großbritannien / Oligarchen-Villen für Flüchtlinge: London will nichts mehr von russischem schmutzigen Geld wissen
Anarchisten haben die Stadtvilla des russischen Oligarchen Oleg Deripaska am Belgrave Square requiriert Foto: dpa/Vuk Valcic

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„Krieg den Palästen!“ – der revolutionäre Schlachtruf Georg Büchners dient dieser Tage den „London Machnovists“ als Maxime im Kampf gegen russische Oligarchen.

Die Gruppe, die sich nach dem ukrainischen Anarchisten Nestor Machno benennt, besetzte am Montag kurzerhand die Stadtvilla des Oligarchen Oleg Deripaska am Belgrave Square im noblen Diplomatenviertel Londons. Der 54-jährige Geschäftsmann gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin und ist von Großbritannien sanktioniert worden. Sein rund 50 Millionen Pfund teures Anwesen sei superluxuriös eingerichtet, aber völlig unbewohnt, berichteten die Anarchisten und verlangten, dass es umgehend für ukrainische Flüchtlinge zugänglich gemacht werden soll.

Es ist ein Zeichen dafür, wie sehr die üblichen Koordinaten in diesen Zeiten aus den Fugen geraten, dass sich sowohl Regierungsminister wie Oppositionspolitiker der Forderung der Anarchisten anschließen. An die Adresse von Oligarchen gerichtet, erklärte Wohnungsminister Michael Gove: „Wir sagen: Ihr unterliegt Sanktionen, ihr unterstützt Putin, ihr habt kein Recht, von dieser Immobilie zu profitieren. Aber wenn wir sie nutzen können, um anderen zu helfen, sollten wir das tun.“ Und auch Londons Bürgermeister, der Labour-Politiker Sadiq Khan, will die Immobilien von russischen Oligarchen für Flüchtlinge öffnen: „Die Regierung sollte diese Häuser konfiszieren und Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, darin wohnen lassen. Das würde sogar einem gewissen Gerechtigkeitsgedanken folgen.“

Wir sagen: Ihr unterliegt Sanktionen, ihr unterstützt Putin, ihr habt kein Recht, von dieser Immobilie zu profitieren. Aber wenn wir sie nutzen können, um anderen zu helfen, sollten wir das tun.

Michael Gove, Britischer Wohnungsminister

London hat lange von russischen Super-Reichen profitiert, die seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts ihr unter oft dubiosen Umständen erworbenes Vermögen in der britischen Hauptstadt investiert haben. Jetzt will man nichts mehr von schmutzigem Geld wissen. Am Dienstag trat ein „Gesetz gegen Wirtschaftsverbrechen“ in Kraft, das legale Hürden beseitigt und Sanktionsmaßnahmen vereinfachen soll. Endlich kann sich das Vereinigte Königreich, das sich in dieser Hinsicht bisher zurückgehalten hat, der Europäischen Union anschließen, die bisher 862 Personen und 53 Organisationen mit Sanktionen belegte. Die britische Außenministerin Lizz Truss kündigte am Dienstag im Unterhaus Maßnahmen gegen „russische Oligarchen und ihre Familienmitglieder, Putins politische Alliierte und Propagandisten“ an.

Probleme für Flüchtlinge aus Ukraine

Ein Bereich jedoch, in dem Großbritannien dem Beispiel der Europäischen Union partout nicht folgen will, ist die Flüchtlingspolitik. Während die EU sämtliche Visa-Beschränkungen für Ukrainer aufgehoben hat, besteht Großbritannien trotz der Dringlichkeit der Situation weiterhin auf Antragsverfahren und Sicherheitsüberprüfungen. Zwar hat die Innenministerin Priti Patel, nachdem es Kritik aus den Reihen der Regierungsfraktion hagelte, einige Vorschriften gelockert, doch bisher sind von mehr als 20.000 Anträgen nur rund 4.000 Visa bewilligt worden.

Am Montag wurde ein neues Programm „Homes for Ukraine“ angekündigt, mit dem Privatpersonen oder Organisationen ukrainische Flüchtlinge sponsern und aufnehmen können. Doch auch hier wird es Flüchtlingen nicht einfach gemacht, und Hürden verbleiben. „Wahrlich, ich sage euch, eher wird ein russischer Oligarch in das britische Oberhaus einziehen, als ein ukrainischer Flüchtling in das Königreich gelangen“, kommentierte der Radio-Moderator James O’Brien und spielte damit darauf an, dass Premierminister Boris Johnson seinen Freund Jewgeni Lebedew, Sohn des russischen Oligarchen und ehemaligen KGB-Spion Alexander Lebedew, zum Lord ernannt hatte.