Mittwoch10. Dezember 2025

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Mieten in LuxemburgOhne Strom, ohne Wasser, ohne Ausweg: Das Leben in Luxemburgs Kaffeezimmern

Mieten in Luxemburg / Ohne Strom, ohne Wasser, ohne Ausweg: Das Leben in Luxemburgs Kaffeezimmern
Chris Evans lebte jahrelang zur Miete über der Kneipe. Im Mai wurde der Strom abgestellt. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Ein verfallenes Gebäude, ein untergetauchter Vermieter und zwei Männer, die nicht wissen, wie es weitergehen soll: Der Fall rund um das „Café Lakert“ zeigt, wie kompliziert Mietverhältnisse werden können und wie wenig Mieter geschützt sind.

Wir treffen den Mieter Chris Evans am 8. Dezember gegen Mittag. Es nieselt bei zwölf Grad. Im Haus ist es feucht und wesentlich kälter als draußen. Dutzende Briefe ragen eingeklemmt aus einem Türspalt. Die Briefe stammen unter anderem von Gerichtsvollziehern und Behörden. Sie sind an die Gesellschaft RGLE S.àr.l. gerichtet. Diese steht hinter dem verwahrlosten „Café Lakert“ und der Untervermietung von Kaffeezimmern über der Kneipe. Evans zeigt in einen dunklen Raum. Erst im Licht der Taschenlampe zeigt sich die Silhouette der aufgegebenen Küche.

Am 15. Mai wurde der Strom abgestellt und der Vermieter hat sich Evans zufolge „duerch d’Bascht gemaach“. Es gibt kein warmes, kein sauberes Wasser. Die Rechnungen bleiben unbezahlt. „Wir haben uns an verschiedene Instanzen wie den Staat und das Sozialamt gewendet, mein Nachbar hat sogar die Bürgermeisterin angesprochen“, sagt Evans im Gespräch mit dem Tageblatt, „auch die Polizei weiß Bescheid“.

Leben im Gefrierschrank

Neben der Küche führt eine aufgebrochene Tür zum nächsten Raum. Eine faustgroße Delle zeugt von der Kraft, mit der gegen sie geschlagen wurde. „An sich sind wir gut miteinander klargekommen“, sagt Evans über den Vermieter, „er ist eigentlich ein feiner Kerl, aber ein schwerer Alkoholiker.“ Dadurch sei er aggressiv geworden. „Er hat meinem Nachbarn, der ja alt und gebrechlich ist, auf die Schulter gehauen. Auch mich hat er einmal in seiner Raserei gepackt und hochgehoben“, erzählt Evans.

Wenn es regnet, quillt das Wasser aus den Leitungen
Wenn es regnet, quillt das Wasser aus den Leitungen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Den Flur entlang und die Treppe hoch liegen die Zimmer von Chris Evans und Nico Steland. Sie wohnen hier seit über vier Jahren. Als der Strom abgestellt wurde, konnte Evans zur Not zu einem Freund ziehen. Der 58-jährige Steland lebt weiter im verwahrlosten Haus. Er bezieht eine Invalidenrente und darf nicht arbeiten. Insgesamt fünf Zimmer wurden vermietet. Weitaus mehr Personen haben sich hier aufgehalten. Die Betten bestehen aus Matratzen und Schlafsäcken. Überall liegen Flaschen, Essensreste, Zigarettenstummel. In Stelands Zimmer steht „Kachkéis“ auf dem Kühlschrank, der nicht funktionieren kann, aber auch nicht muss, so kalt ist es im Raum. Selbst im einzigen Badezimmer sind Fliesen, Badewanne und Toilette von Schlamm und Dreck überzogen. „Wenn es viel regnet, drückt alles nach oben und die Toilette läuft über“, sagt Steland, „danach läuft das Wasser durch die Wohnung und bis zur Straße hinaus. Die Passanten regen sich dann auf, dass es stinkt, aber ich kann ja nichts dafür.“

Nico Steland mietet derzeit ohne Strom und warmes Wasser
Nico Steland mietet derzeit ohne Strom und warmes Wasser Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Als der Strom abgestellt wurde, zog Steland mithilfe des Sozialamts vor das Friedensgericht und verklagte die Gesellschaft RGLE S.àr.l. Das Gericht ordnete daraufhin am 25. Juli an, dass der Strom sofort wieder einzuschalten sei und der Vermieter bis dahin jeden Tag 50 Euro an Steland zu zahlen habe. Der Vermieter ist jedoch wie erwähnt nicht auffindbar. „Ich scheiße auf die 50 Euro pro Tag, ich will lieber wieder Strom haben als diese 50 Euro“, sagt Steland verbittert.

Im Februar 2024 versicherte Energieminister Lex Delles (DP) in einer Antwort auf die parlamentarische Frage von Georges Engel und Mars Di Bartolomeo (LSAP): „En principe, aucun client vulnérable, donc éligible à l’aide sociale, n’est donc déconnecté, puisqu’un client vulnérable, qui est pris en charge par l’office social en cas de défaut de paiement, ne peut pas être déconnecté du réseau.“ Nico Steland wurde der Strom abgeschaltet. Er bezahlte die Rechnungen nicht selbst, sondern war als Untermieter abhängig von der Buchführung der RGLE S.àr.l., also von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Nur die vermietende Partei ist verantwortlich, der Eigentümer des Hauses trägt keine Verantwortung. Obwohl Steland vor Gericht gewonnen hat, ist es unwahrscheinlich, dass der Strom wieder eingeschaltet wird. Das fehlende warme Wasser und die fehlende Heizmöglichkeit waren vor Gericht kein Gegenstand. Evans zufolge wartet der Stromlieferant „Luxembourg Energy Office“ (LEO) nun die Bezahlung von Rechnungen in Höhe von über 3.000 Euro ab. 

Der Gemeinschaftsraum über dem „Café Lakert“
Der Gemeinschaftsraum über dem „Café Lakert“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Die Suche nach dem Eigentümer

Evans glaubt, dass der Getränkehändler Munhowen Eigentümer des Hauses sei. Auf Nachfrage des Tageblatt meldet sich dort Pierre Sonnet, Direktionsmitglied. Im Gespräch gibt er an, dass Munhowen das Objekt in der rue du Soleil ebenfalls nur mieten würde und seit 18 Monaten keinen Zugang mehr zum Gebäude habe. Zudem sei der Fall vor Gericht, damit der Getränkehändler die Kontrolle über das Lokal zurückerlangt. Evans und Steland sind damit Unter-Unter-Mieter von ihren Zimmern. Lediglich der Auszug aus dem Kataster belegt, dass das Grundstück am Ende einer wohlhabenden luxemburgischen Unternehmerfamilie gehört, die ihr Vermögen mit Immobilienhandel aufgebaut hat.

Die Schöffin von Luxemburg-Stadt, Corinne Cahen (DP), erwähnt gegenüber dem Tageblatt, dass Kaffeezimmer ein großes Problem darstellen würden. Jährlich würden in der Stadt 100 Personen aus Wohnungen vertrieben werden, indem u.a. der Strom abgestellt wird. Sie sagt auch, dass die Kapazitäten der Gemeinde begrenzt seien. „Wir haben 800 Betten, und die sind alle belegt.“ Cahen warnt daher vor zu schnellem Eingreifen: „Wenn wir jetzt anfangen, Menschen aus ihren Wohnungen zu holen, bevor es wirklich nötig ist, dann führt dies zu einem Schneeballeffekt.“ Die Eigentümer würden dann davon profitieren, dass die öffentliche Hand sich kümmere, um so Menschen bewusst den Strom abzudrehen, um sie loszuwerden. „Ich werde mich mit Claude Meisch [Wohnungsbauminister, DP, Anm. d. Red.] unterhalten, weil wir Sanktionen einführen müssen, die wehtun“, sagt Cahen eindringlich.

Die Abgeordnete und Schöffin bestätigt zudem, dass der Fall rund um das „Café Lakert“ derzeit vor Gericht verhandelt werde. „Wenn die Mieter danach vor die Tür gesetzt werden, können wir sie als Gemeinde in eine Notunterkunft bringen.“ Vorher müssten sie sich beim „Service Logement“ melden. Evans möchte demnächst seinen Anwalt einschalten, wenn er die Kraft findet. Der kranke Steland trotzt währenddessen täglich der Kälte. Noch liegen die Temperaturen über null. 

Chris Evans in seinem Zimmer in der rue du Soleil
Chris Evans in seinem Zimmer in der rue du Soleil Foto: Editpress/Hervé Montaigu