Dienstag28. Oktober 2025

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Analyse von außenÖkonomin Dambisa Moyo: Befinden wir uns in einer Finanzblase?

Analyse von außen / Ökonomin Dambisa Moyo: Befinden wir uns in einer Finanzblase?
„Diesmal ist es anders“: Trader in New York Foto: Getty Images via AFP/Spencer Platt

Finanzblasen sind in Echtzeit bekanntermaßen schwer zu definieren – bis zu dem Moment, in dem sie platzen. Um mit Überzeugung sagen zu können, ob wir uns derzeit in einer solchen Blase befinden, gilt es, das Ausmaß und die Intensität des aktuellen AI-Investitionsbooms sowie den Zeitpunkt des möglichen Endes der Blase zu verstehen, schreibt Dambisa Moyo.

Es gibt mindestens vier Möglichkeiten, um festzustellen, wann sich an den Finanzmärkten eine Blase aufbaut. Zunächst einmal gilt es, Bewertungen zu betrachten. Selbst wenn herkömmliche Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ein übermäßiges Niveau erreichen, findet der Markt gern Erklärungen, indem er sich auf neue Kennzahlen konzentriert, um die hohen Bewertungen zu rechtfertigen.

Über weite Strecken der letzten 25 Jahre lag das durchschnittliche KGV des S&P 500 bei etwa dem 16-Fachen, derzeit liegt es bei rund dem 25-Fachen. Dieser Anstieg lässt sich jedoch dadurch rechtfertigen, dass man sich auf das Potenzial für neue Produktivitätssteigerungen durch KI oder auf Produkte mit nationaler Sicherheitsrelevanz konzentriert – wie beispielsweise Halbleiter, die von der Regierung geschützt und letztlich abgesichert werden.

Darüber hinaus wird in einigen Kommentaren argumentiert, dass bestehende Indikatoren wie das BIP neue Wachstumsmöglichkeiten in der Wirtschaft einfach nicht erfassen. Die Tatsache, dass die erwarteten Aktienrenditen derzeit höher liegen als die Anleiherenditen bedeutet, dass die Aktienbewertungen tatsächlich „rational” sind, auch wenn sie hoch erscheinen.

Eine Blase wird fast immer durch den Glauben an ein neues Paradigma oder eine neue Technologie gestützt – sei es das Internet, der japanische Produktionsprozess, Elektrizität, Eisenbahnen oder Kanäle

Ein zweiter zu berücksichtigender Faktor betrifft das vorherrschende Narrativ, das sich in der Regel um die Botschaft „diesmal ist es anders“ dreht. Eine Blase wird fast immer durch den Glauben an ein neues Paradigma oder eine neue Technologie gestützt – sei es das Internet, der japanische Produktionsprozess, Elektrizität, Eisenbahnen oder Kanäle. Das typische Narrativ schafft eine gedankliche Brücke zwischen dem, was tatsächlich ist (aktuelle Cashflows), und dem, was sein könnte (Prognosen über zukünftige Einnahmen).

Start-ups mit irren Bewertungen

Genau diese Brücke verleitet Investoren dazu, auf einen möglichen Aufwärtstrend zu setzen. Während sie sich zunächst auf die rational berechenbaren Wachstumsprognosen des Unternehmens konzentrieren, besteht der nächste Schritt darin, sich auf eine irrationale Geschichte über einen bevorstehenden wirtschaftlichen Wandel einzulassen. In diesem Moment wird das Investieren allzu einseitig, da man nur schwer gegen die vorherrschende Erzählung argumentieren kann.

Erst im vergangenen Monat haben zwei Start-ups aufgrund ihrer Nutzung des KI-Narrativs atemberaubende Bewertungen erzielt. Nano Nuclear Energy wurde mit 2,3 Milliarden Dollar bewertet, obwohl das Unternehmen weder Einnahmen erzielte noch über eine Betriebsgenehmigung verfügte. Der erst im Januar 2025 gegründete Datencenter-Energieversorger Fermi wurde mit 14,8 Milliarden Dollar bewertet.

Ähnlich wie bei der Blase in Japan in den 1980er-Jahren und der Dotcom-Blase von 1999 bis 2001 könnte die heutige Situation Ausdruck einer guten alten Fehlallokation von Kapital sein, da alle der tollen neuen Technologie hinterherlaufen. Das offensichtliche Risiko besteht darin, dass Anleger nicht annähernd die Renditen erzielen werden, die sie zu erwarten scheinen.

Ein dritter Indikator für eine Blase sind versteckte Hebel. Nicht nur, dass Investoren und Spekulanten weiterhin in überbewertete Aktien investieren, immer mehr tun dies auch mit geliehenem Geld.

Eine zunehmende Hebelung ist im gesamten Schattenbankensystem zu beobachten, wobei die größere Sorge vielleicht in dem Risiko besteht, das in Finanzprodukten wie gehebelten börsengehandelten Fonds steckt. Noch bedrohlicher ist die explosionsartige Zunahme von Zero-Day-Optionen (eintägige Wetten auf die Kursbewegung einer Aktie), die darauf hindeuten, dass immer mehr Privatanleger gehebelte Geschäfte tätigen, deren Risiken sie möglicherweise nicht zu bewältigen wissen.

Diese zunehmende Hebelung – ein häufiges Merkmal von Blasen, insbesondere der globalen Finanzkrise von 2008 – bedeutet, dass Spekulanten und die Gesamtwirtschaft von Natur aus einem höheren Risiko ausgesetzt sind, als ihnen bewusst ist. Laut FINRA erreichte die Margin-Verschuldung – der Betrag, den Broker ihren Anlegern leihen – im August einen Rekordwert von 1,06 Billionen US-Dollar. Dies entspricht einem Anstieg von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Ein weiteres gemeinsames Merkmal von Blasen sind schließlich zirkuläre Transaktionen zwischen Unternehmen. Viele Marktteilnehmer beobachten aufmerksam die jüngsten Deals, im Rahmen derer Nvidia zugestimmt hat, 100 Milliarden Dollar in OpenAI zu investieren. Dieses Unternehmen wird das Geld zur Bezahlung von Oracle verwenden, wobei der IT-Riese wiederum Chips von Nvidia kaufen wird. Derartige Transaktionen trugen maßgeblich zur japanischen Aktienblase in den 1980er-Jahren bei.

Angenommen, wir befinden uns tatsächlich in einer Blase, so stellt sich als nächstes die Frage, wann ihr die Luft ausgehen oder sie platzen wird. Zwar sind dies zwangsläufig Mutmaßungen, doch gibt es einige wichtige Indikatoren, die es zu beobachten gilt.

Ein Indikator ist die Marktstimmung. Derzeit treiben Privatanleger einen Großteil der Aktienkursdynamik an, während die Stimmung der institutionellen Anleger neutral ist. Das bedeutet, sie halten zwar Big-Tech-Aktien, stocken ihre Positionen jedoch nicht auf. Da Privatanleger jedoch einen relativ geringen Anteil am Gesamtmarkt haben, kann eine solche Euphorie nur zu einer begrenzten Inflation der Vermögenspreise führen.

Ein weiterer Indikator ist die Positionierung. Vereinfacht gesagt wissen wir, dass sich die Blase weiter aufbläht, wenn die institutionelle Nachfrage zunimmt und zu einer Long-Position wird. Denn dies signalisiert, dass institutionelle Anleger andere Vermögenswerte wie Anleihen, Gold oder unterdurchschnittlich performende Sektoren (Gesundheitswesen) aufgeben und mehr Kapital in risikoreiche KI-Vermögenswerte investieren.

Besseres Verständnis erst mit der Zeit

Da die meisten Menschen gerade erst beginnen, sich mit den Möglichkeiten der KI vertraut zu machen, bleibt abzuwarten, welche neuen Geschäftsmodelle entstehen werden. Mit der Zeit werden versierte professionelle Anleger ein besseres Verständnis für den Wert der KI entwickeln und erkennen, wo die Schwachstellen in der vorherrschenden euphorischen Erzählung liegen könnten.

Derzeit gibt es gute Gründe für die Annahme, dass sich eine Blase gerade erst zu bilden beginnt. Gemessen an der aktuellen Marktstimmung und der Positionierung scheint die KI-Entwicklung eher der Phase der Dotcom-Blase von 1996 bis 1997 zu ähneln als der von 1999 bis 2001. Das spekulative Verhalten und die Bewertungen, die wir Ende der 1990er-Jahre beobachtet haben, sind heute noch nicht zu sehen.

Außerdem beruhte die Dotcom-Blase auf zahlreichen Start-ups, von denen viele letztlich auf null abgewertet wurden, während sich der KI-Boom um globale Technologieführer wie Nvidia und Alphabet dreht, die über etablierte Einkünfte und Erfolgsbilanzen verfügen. Das heißt, dass es im Falle eines Wertverlusts eine höhere Untergrenze geben wird und dass die Blase eher langsam schrumpfen als plötzlich platzen wird.

(Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier)

* Dambisa Moyo ist internationale Ökonomin und Verfasserin von „Edge of Chaos: Why Democracy Is Failing to Deliver Economic Growth – and How to Fix It“ (Basic Books, 2018).

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