10. Dezember 2025 - 17.32 Uhr
EU-HilfeNutzung russischer Vermögen für die Ukraine: Zwischen Risiko und Zeitdruck
Die EU hat sich vorgenommen, die Finanzierung der Ukraine-Hilfe für die kommenden zwei Jahre bis zum EU-Gipfel nächste Woche zu klären. Die Nutzung der in Europa eingefrorenen russischen Vermögen für ein sogenanntes Reparationsdarlehen für Kiew hat dabei viele Unterstützer – aber auch entscheidende Gegner.
Um welches Geld geht es? Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 fror Brüssel die Vermögenswerte der russischen Zentralbank in der EU ein. Moskau konnte somit nicht mehr auf dieses Geld zugreifen. Nach EU-Angaben handelt es sich um rund 200 Milliarden Euro, von denen inzwischen ein großer Teil als Barguthaben verfügbar ist. Der größte Batzen dieses Geldes wird von der Clearing-Gesellschaft Euroclear in Brüssel gehalten.
Wie wurde das Geld bisher verwendet? Zunächst passierte gar nichts. Im Mai 2024 beschlossen die Mitgliedstaaten dann, dass die durch die Vermögenswerte gewonnenen Zinsen zur Unterstützung der Ukraine verwendet werden dürfen. Bis August 2025 wurden hieraus 4,7 Milliarden Euro an die Ukraine weitergegeben. Zudem wurden in Erwartung weiterer Gewinne Kredite in Milliardenhöhe gewährt.
Warum wurde das Geld nicht sofort weitergegeben? Gegen die Beschlagnahmung der Vermögen einer ausländischen Zentralbank gibt es zum einen juristische Bedenken, ob dies nicht gegen das Völkerrecht verstoßen würde. Zum anderen geht es um das Vertrauen in den Finanzstandort Europa und den Euro als Reservewährung. Investoren aus anderen Ländern könnten aus Furcht um ihr Geld aus EU-Ländern abziehen.
Was hat sich nun geändert? Die Dauer des Krieges und der eigene Haushaltsdruck haben bei vielen EU-Ländern die Bereitschaft für eine kreativere Verwendung der russischen Vermögenswerte erhöht, darunter auch Deutschland. Zudem glaubt die EU-Kommission, mit dem Darlehen eine Art rechtliches Hintertürchen gefunden zu haben.
Detaillierter Plan vorgestellt
Was sieht der Kommissionsvorschlag vor? Die Kommission betont immer wieder, dass das russische Geld nicht beschlagnahmt werden soll. Stattdessen will die EU sich zunächst rund 90 Milliarden Euro als zinslosen Kredit von Euroclear leihen und dieses Geld dann als Darlehen an die Ukraine weitergeben.
Die Ukraine müsste die Kredite nur zurückzahlen, wenn sie von Russland Reparationszahlungen erhalten hat. Russland würde das Geld zurückerhalten, sobald der Krieg beendet ist und Moskau Reparationen an die Ukraine gezahlt hat. Die EU-Mitgliedstaaten müssten nur dann für das Geld aufkommen, wenn sie die Sanktionen gegen Russland aufheben, ohne dass Moskau Reparationen gezahlt hat.
Vergangene Woche veröffentlichte die Kommission einen detaillierteren Plan zur Nutzung der Vermögen, in dem sie eine „dreistufige Verteidigung“ versprach, mit der es „kein Szenario“ gebe, in dem die betreffenden Finanzinstitutionen wie Euroclear das geliehene Geld nicht zurückerhalten würden.
Was spricht dagegen? Ein solcher Schritt ist in der jüngeren europäischen Geschichte beispiellos, die Konsequenzen sind nur schwer absehbar. Länder außerhalb der EU könnten argumentieren, dass es sich faktisch um eine Enteignung Russlands handelt, und ihr Geld lieber anderswo anlegen. Außerdem ist ein Szenario denkbar, in dem die EU-Länder am Ende für das Geld aufkommen müssen.
Wer ist dafür? Mehrere EU-Länder wie etwa die baltischen und nordischen Staaten fordern seit Längerem, die eingefrorenen Vermögenswerte direkt für die Finanzierung der Ukraine-Hilfe zu nutzen. Deutschland war zunächst dagegen, gehört aber inzwischen zu den größten Unterstützern des Kommissionsvorschlags.
Bis Anfang 2026 muss eine Entscheidung her
Und dagegen? An der Spitze der Kritiker steht Belgien. Das ohnehin von Geldnöten geplagte Land fürchtet, im Zweifelsfall für die in Brüssel verwalteten Mittel haftbar gemacht werden zu können. Auch Vergeltungsmaßnahmen aus Moskau hält der belgische Premierminister Bart De Wever für möglich und bleibt bisher bei seinem Nein. De Wever verlangt vor einer Entscheidung verbindliche schriftliche Garantien der anderen Mitgliedstaaten. Euroclear verlangt Zusagen, auch kurzfristig auf die Mittel zugreifen zu können. Auch die russlandfreundliche Regierung in Ungarn dürfte dem Plan nicht zustimmen.
Wie geht es weiter? Die Zeit drängt. Die Ukraine-Hilfe ist nur noch bis Anfang 2026 gedeckt, bis zum EU-Gipfel nächste Woche soll das Thema geklärt sein. Zusätzlichen Druck hat der US-Plan zur Beendigung des Ukraine-Krieges verursacht. Darin hatten die USA vorgeschlagen, dass ein großer Teil der Gelder an die USA gehen sollte. Befürworter der europäischen Reparationsdarlehen befürchten nun, dass die Europäer die Kontrolle über die russischen Vermögenswerte verlieren könnten, wenn diese erst einmal Teil eines Ukraine-Plans sind.
Für eine Entscheidung ist nach Angaben der Kommission keine einstimmige Entscheidung der Mitgliedstaaten notwendig. Bisher hieß es jedoch stets, es solle nicht über Belgiens Kopf hinweg entschieden werden. Sollte es keine Einigung bei der Nutzung der russischen Vermögen geben, müsste das Geld anders aufgebracht werden – beispielsweise durch gemeinsame Schulden.
De Maart
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