Samstag8. November 2025

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ItalienNur per Maultierpfad erreichbar – das Dorf Monteviasco hat Rom satt und will in die Schweiz

Italien / Nur per Maultierpfad erreichbar – das Dorf Monteviasco hat Rom satt und will in die Schweiz
Geht es nach den verbliebenen Einwohnern von Monteviasco, zählt ihr Dorf bald zur Schweiz  Foto: https://commons.wikimedia.org/Flodur63 

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Das verschlafene Monteviasco macht eigentlich selten von sich reden. Doch jetzt will sich die kleine italienische Gemeinde der Schweiz anschließen. Aus Frust über Italiens Bürokratie – und über eine kaputte Seilbahn.

Hoch über dem Lago Maggiore thront das kleine Dörfchen Monteviasco. Der verschlafene Ort in der lombardischen Provinz Varese macht eigentlich kaum von sich reden. Doch nun geriet er mit einem offenen Brief seiner Einwohner in die Schlagzeilen: Eine kleine Gemeinde der italienischen Provinz Varese will sich dem schweizerischen Kanton Tessin anschließen. Ein Grenzkonflikt, aus der EU in die Schweiz! Das macht Schlagzeilen, wirft Fragen auf.

Resignation und Hoffnung sind die Triebkräfte, mit denen die Bürger von Monteviasco den Landeswechsel betreiben wollen. Denn gegenwärtig fühlen sich die Einwohner des Bergdorfs von der Außenwelt abgeschlossen. Der einzige Zugang nach Monteviasco führt über einen Maultierpfad, auf dem nicht nur 400 Höhenmeter, sondern auch 1.442 Stufen zu überwinden sind.

Resignation über Bürokratie

Das war vor einigen Jahren noch anders. Bis 2018 gab es eine Seilbahn, die die Talstation Ponte di Piero mit dem Dorf verband. Die Einkabinenbahn, erst 1989 von der italienischen Firma „Hölzl Seilbahnbau“ installiert, brachte stündlich bis zu 15 Personen talwärts oder bergauf. Regelmäßig gewartet, erleichterte sie den Bewohnern des Dorfes ihre Besorgungen, den Weg zur Arbeit oder den Besuch bei Freunden und Verwandten. Auch die im Dorf ansässigen Restaurants wurden mittels der Seilbahn versorgt.

Alles ging gut, bis ein tragischer Arbeitsunfall am 12. November 2018, bei dem Silvano Dellea, ein Wartungsarbeiter, ums Leben kam, den Betrieb einstellte. Nachfolgende Untersuchungen stellten mehrere Mängel an der Seilbahn fest, sodass sie bis zum Beheben stillgelegt werden musste.

Zwar begannen noch im Folgejahr erste Wartungsarbeiten, doch gleichzeitig begannen die Mühlen der italienischen Bürokratie zu arbeiten. Wer sollte die Wartung bezahlen? Wer erteilt hierzu die erforderlichen Genehmigungen? Wer soll die Arbeiten durchführen? Und schließlich und bis heute unbeantwortet: Wer soll die Bahn in Zukunft betreiben und damit die Verantwortung für Sicherheit und Wartung übernehmen? Wer sich jemals im Dschungel italienischer Büroverfahren bewegt hat, wird aufstöhnen und sagen: Das dauert Jahre! Zumal das Belpaese seit langem andere Sorgen hat, als sich um die Versorgung und Beweglichkeit der heute noch 15 ständigen Einwohner des Bergdörfchens zu kümmern.

Doch sowohl die ständigen als auch die zeitweiligen Bewohner Monteviascos wollen sich nicht geschlagen geben. Wenn Italien ihnen nicht helfen kann, so vielleicht das nur wenige hundert Meter entfernte Nachbarland, die Schweiz. In einem offenen Brief forderten die Bürger Monteviascos: „Monteviasco an die Schweiz anzuhängen, erscheint uns die einzige Möglichkeit, die Seilbahn wieder in Betrieb zu nehmen“. Bei all der schwerwiegenden Trauer über den Verlust Silvanos und den tragischen Umständen des Unfalls 2018 muss dennoch eine Lösung gefunden werden. Man habe in der Vergangenheit die Streitigkeiten um die Wiederaufnahme des Seilbahnbetriebes verfolgt, die Argumente der verschiedensten politischen Bewegungen gehört. Doch niemand habe sich entscheiden können, „die Verantwortung für ein Mittel zu übernehmen, das für uns die Verbindung zum Leben bedeutet“, so die Bürger in ihrem Brief.

Monteviasco kein Einzelfall

Schließlich könne es doch nicht so schwer sein, die Grenze um ein „paar hundert Meter nach unten zu verschieben“ und so eine Lösung zu finden. Dies, so die Bürger in ihrem provokanten Brief, würde alle Seiten zufriedenstellen. Italien wäre das Problem los, der Kanton Tessin würde eine Lösung finden, und die Bewohner wären wieder mit der Welt verbunden.

Seit Gründung des italienischen Staats gab es immer wieder separatistische Forderungen und Versuche, sich loszulösen. Der spektakulärste Fall war wohl das Anschlussgesuchen einer sardischen Bewegung. 2014 forderte die in Cagliari vom Zahnarzt Enrico Napoleone und seinem Schulfreund, dem Autohändler Andrea Caruso, gegründete Bewegung „Canton marittimo“ den Anschluss Sardiniens als 27. Kanton der Schweiz – bislang ohne positives Echo der Eidgenossen.