Donnerstag27. November 2025

Demaart De Maart

UkraineNur mehr vier Präsidenten bei Selenskyj

Ukraine / Nur mehr vier Präsidenten bei Selenskyj
V.l.n.r.: Die Präsidenten Gitanas Nauseda (Litauen), Andrzej Duda (Polen), Wolodymyr Selenskyj (Ukraine), Egils Levits (Lettland) und Alar Karis (Estland) bei ihrem Treffen gestern in Kiew Foto: Jakub Szymczuk/Kprp/PAP/dpa

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Der braun-beige Sitzungswagen der ukrainischen Eisenbahn macht Karriere in der Europapolitik. Am Mittwochmorgen machten sich in diesem osteuropäisch anmutenden Luxusgefährt die Staatspräsidenten von Polen, Estland, Lettland und Litauen von der polnischen Grenzstadt Przemysl auf nach Kiew.

Die Reise war erst kurz nach Abfahrt von den vier über Twitter mitgeteilt worden. „Unser Ziel ist es, Präsident Selenskyj und die Verteidiger der Ukraine in einem für das Land entscheidenden Moment zu unterstützen“, hieß es im polnischen Präsidentenpalast.

Nach der etwa sechsstündigen Bahnfahrt besichtigen Andrzej Duda, Alar Karis (Estland), Egils Levits (Lettland) und Gitanas Nauseda (Litauen) am Nachmittag zuerst die stark von den Russen zerstörte Kiewer Vorstadt Borodjanka. Am späten Nachmittag wollten sie auch ihren ukrainischen Amtskollegen treffen. Dabei soll es laut estnischen Informationen um weitere Militärhilfe, die Unterstützung der Zivilbevölkerung und die Untersuchung russischer Kriegsverbrechen gehen. Bei Letzterem hat sich vor allem Litauen als erstes EU-Mitglied stark engagiert.

Mit von der Partie bei dem Kiewer Präsidenten-Blitzbesuch wäre auch gerne der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier gewesen. Doch soll ihm von Wolodymyr Selenskyjs Administration signalisiert worden sein, man sei nicht zu einem Treffen bereit. Die Ukraine stört sich schon lange an Steinmeiers engen früheren Beziehungen zum Kreml und vor allem zu Sergej Lawrow, den der deutsche Bundespräsident gut aus seiner Zeit als Außenminister Angela Merkels kennt. Auch sein Einsatz für die Gaspipeline North Stream 2 wird ihm übelgenommen. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat die Ausladung inzwischen als „etwas irritierend“ kritisiert. „Der Bundespräsident wäre gerne in die Ukraine gefahren“, sagte Scholz im RadioRBB. „Deswegen wäre es auch gut gewesen, ihn zu empfangen.“ In Kiew jedoch widersprach Selenskyjs Stabschef Serhij Leschtschenko im Gespräch mit CNN, dass Steinmeier ausgeladen worden sei.

Solidaritätsbesuch

Die vier Präsidenten aus Polen und dem Baltikum äußerten sich bisher nicht zu dem möglichen Affront gegen den Deutschen. Sie genießen den Vorteil, dass ihre Länder von Beginn an gegen beide russisch-deutschen Gaspipelines auf dem Ostseegrund mobil gemacht haben. Auch gab es in Polen und im Baltikum seit der russischen Annexion der Krim 2014 höchstens noch politische Randfiguren mit pro-russischen Sympathien. Die Balten haben zu sehr unter sowjetischer Besatzung gelitten. Es gab gar Litauer, wie etwa der ukrainische Finanzminister Aivaras Abromavicius (2014-16), die auch in der ukrainischen Landespolitik mitmischten. Dies wiederum betrifft allerdings eine Zeit, als Selenskyj noch TV-Komiker war und selbst noch enge Beziehungen mit Russland pflegte.

Doch der Krieg hat alles verändert. Kiew ist nach dem Teilrückzug russischer Truppen nicht mehr direkt bedroht und Reisen dorthin weit sicherer als vor Monatsfrist, als bereits Polens Premierminister seinen tschechischen und slowenischen Amtskollegen auf einer Zugfahrt in die ukrainische Hauptstadt mitgenommen hat. Die Reise der vier Staatspräsidenten erinnert vor allem die Polen und Balten an einen ähnlichen Solidaritätsbesuch während des Georgien-Krieges 2008 in dem von Russland belagerten Tiflis. Der Pole Lech Kaczynski warnte damals, dass die Ukraine als nächstes Putins Angriffsziel sei und Russland danach auch das Baltikum und zuletzt Polen überfallen dürfte. Besonders exponiert fühlen sich hierbei Lettland und Estland, die je über eine große russische Minderheit von etwa 25 Prozent verfügen. Die Angst vor diesem Szenario ist im Baltikum und Polen heute wieder besonders groß.