Freitag17. Oktober 2025

Demaart De Maart

InterviewNora Huberty Fellens: „Wer Energie und Kapazität hat, soll sich engagieren“

Interview / Nora Huberty Fellens: „Wer Energie und Kapazität hat, soll sich engagieren“
Zurück in Luxemburg, aber längst nicht fertig: Nora Huberty Fellens Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Nora Huberty Fellens ist mit dem Schiff nach Gaza gesegelt, wurde von der israelischen Marine festgenommen und nach mehreren Tagen Haft nach Luxemburg ausgeliefert. Das Tageblatt hat mit ihr über ihr Engagement gesprochen.

Tageblatt: Wie würden Sie Ihrer Großmutter erklären, was Sie konkret als Aktivistin tun?

Nora Huberty Fellens: Ich beginne den Tag mit Kaffee und Nachrichten. Danach lese ich Berichte, plane Konferenzen und nehme an Demonstrationen oder Aktionen teil. Mein Alltag ähnelt dem in jedem Beruf: Meetings, Vorbereitung, Weiterbildung. Ich arbeite mit Menschen zusammen, die meine Werte teilen, und wir erheben gemeinsam die Stimme gegen Ungerechtigkeit.

Können die Leute nicht für sich selbst sprechen?

Mir ist wichtig, dass Betroffene selbst sprechen können. Privilegierte Menschen – auch ich – dürfen ihnen diesen Raum nicht nehmen. Doch oft wird ihnen dieser Raum verwehrt, sie werden überhört. Viele könnten das, was ich tue, gar nicht tun. Deshalb sollten Privilegierte überlegen, wie sie unterstützen können. Das verbreitete Problem des „White Saviourism“ zeigt, wie wichtig es ist, den Betroffenen zuzuhören und sie entscheiden zu lassen, worin die Probleme liegen. Privilegierte sollten nicht im Mittelpunkt stehen.

In Luxemburg spüre ich derzeit viel Aufbruchsstimmung und wünsche mir, dass sich mehr Menschen klar gegen Rechtsverstöße positionieren

Nora Huberty Fellens, Aktivistin

Sie sprechen davon, Privilegien gezielt einzusetzen. Wo endet für Sie legitime Solidarität und wo beginnt problematische Stellvertretung?

Wer sich engagiert, sollte den Begriff „White Saviourism“ ernst nehmen, ohne sich davon lähmen zu lassen. Der Vorwurf wird manchmal genutzt, um Mobilisierung zu bremsen und Solidarität zu brechen – das darf nicht passieren. Selbstkritik bleibt notwendig, trotzdem darf Angst vor Worten kein Grund sein, untätig zu bleiben. Wer Energie und Kapazität hat, soll sich engagieren. In Luxemburg spüre ich derzeit viel Aufbruchsstimmung und wünsche mir, dass sich mehr Menschen klar gegen Rechtsverstöße positionieren.

Bevor Sie in ein Boot steigen oder eine riskante Aktion mittragen: Nach welchen Kriterien treffen Sie die Go/No-Go-Entscheidung? Hat jemand in Ihrem Umfeld ein Veto-Recht?

Niemand hat ein Veto-Recht über meine Entscheidungen. Durch meine Arbeit auf Rettungsbooten habe ich eine fundierte Ausbildung und zahlreiche Drills absolviert – auch für Notfälle wie Kentern. Ich kenne meine Grenzen, vertraue aber meinen Fähigkeiten. Segeln gehört auch zu meinen Hobbys. Ich bin nicht unvorbereitet nach Gaza gefahren, sondern wusste, dass ich kein unnötiges Risiko eingehe und mit Stress umgehen kann. Bewaffneten Kräften stand ich schon mehrfach gegenüber – etwa der libyschen Küstenwache oder der Bereitschaftspolizei in Calais.

Von gleichen Rechten und Sicherheit sind wir weit entfernt. Deshalb dürfen wir uns mit einem Waffenstillstand nicht zufriedengeben – auch wenn er ein wichtiger Schritt ist.

Nora Huberty Fellens, Aktivistin

Sichtbarkeit gilt oft als Erfolg. Die „Global Sumud Flottilla“ war sehr sichtbar mit ihrer Aktion. Verbuchen Sie Ihre Reise als Erfolg?

Wir hatten mehrere Ziele: Hilfsgüter nach Gaza zu bringen und politischen Druck auf Regierungen auszuüben. Viele dieser Ziele wurden erreicht – auch wenn wir Gaza nicht direkt erreicht und die Hilfsgüter nicht abliefern konnten, war die Reise ein Erfolg. Weltweit, auch in Luxemburg, wächst die Solidarität, und das berührt mich tief. Diese Bewegung entsteht nicht allein durch unsere Aktion; seit Jahren engagieren sich Menschen für die Rechte der Palästinenser. Aber ich habe gehört, dass unsere Reise viele zusätzlich motiviert hat.

Welche Mindestbedingungen müsste ein belastbarer Gaza-Frieden konkret erfüllen?

Ein gerechter Frieden erfordert die Befreiung der Palästinenser und das Ende der Besatzung in Gaza und der Westbank. Ein Waffenstillstand ist nur ein erster Schritt. Noch immer sterben Menschen, auch Journalisten. Hilfe reicht nicht, viele hungern. Von gleichen Rechten und Sicherheit sind wir weit entfernt. Deshalb dürfen wir uns mit einem Waffenstillstand nicht zufriedengeben – auch wenn er ein wichtiger Schritt ist.

Sie nutzen bewusst den Begriff „Genozid“. An welchen juristischen Kriterien machen Sie das fest – und welche Belege halten Sie für gerichtsfest genug für Ermittlungen vor dem Internationalen Strafgerichtshof?

Ein Genozid bedeutet das systematische Töten einer Bevölkerungsgruppe aus ethnischen oder demografischen Gründen. Zahlreiche unabhängige Experten und NGOs sehen diese Kriterien in Gaza erfüllt. Auch eine israelische Organisation spricht von Genozid. Die Ereignisse sind umfassend dokumentiert – durch Videos und Zeugenaussagen. Dieses Material sollte ausreichen, um Kriegsverbrecher juristisch zur Rechenschaft zu ziehen.

Welche realistischen Szenarien für Gaza nach einem Waffenstillstand sehen Sie – und woran würden Sie „akzeptabel“ vs. „Feigenblatt“ trennen?

Ich bin in diesen Fragen nicht politisch aktiv. Die Palästinenser sollten selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Der Westen darf ihnen keine Lösungen aufzwingen.

Reinertz Barriera Manfred
17. Oktober 2025 - 16.37

Auch wenn das ganze Land jetzt auf Schiffen nach Gaya segeln würde, würde das nichts ändern, denn Israel wird stur weiter alle Leute festnehmen, es sei denn, Luxemburg würde endlich Sanktionen gegen Israel verhängen und Einreiseverbote gegen das Land erlassen, was Herr Bettel niemals gut heissen würde...